Keine Änderung des Schenkungsteuerbescheids nach Änderung des Bescheids für den Vorerwerb
Hintergrund: Änderung des Bescheids für den Vorerwerb
Die Tochter (T) erhielt mit Notarvertrag vom Mai 2002 von ihrem Vater (V) eine umfangreiche Schenkung (Vorerwerb). Das FA setzte für diese Zuwendung gegenüber T SchenkSt fest, zuletzt mit geändertem Bescheid vom Dezember 2010. Mit notariellem Vertrag vom August 2002 übertrug V schenkweise weitere Vermögenswerte auf T (Erwerb). Für diesen Erwerb setzte das FA die SchenkSt gegenüber T nach mehreren Änderungen mit Bescheid vom September 2009 bestandskräftig fest. Im Juni 2013 änderte das FA diesen Änderungsbescheid unter Erhöhung der Steuer erneut mit der Begründung, die Änderung des Bescheids vom Dezember 2010 für den Vorerwerb sei ein rückwirkendes Ereignis, das die Korrektur des Änderungsbescheids vom September 2009 für den nachfolgenden Erwerb rechtfertige. Dem widersprach das FG. Es lehnte ein rückwirkendes Ereignis ab und gab der Klage der T statt.
Entscheidung: Kein Grundlagenbescheid und auch kein rückwirkendes Ereignis
Der BFH verweist zunächst auf seine Rechtsprechung, wonach der für den Vorerwerb ergangene Steuerbescheid keine Bindungswirkung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO für die Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb entfaltet. Denn es handelt sich nicht um einen Grundlagenbescheid i.S.v. § 171 Abs. 10 AO (BFH v. 9.7.2009, II R 55/08, BStBl II 2009, 969; Haufe Index 2241837).
Der Erlass oder die Änderung eines Bescheids für einen früheren Erwerb stellt auch kein rückwirkendes Ereignis hinsichtlich der Besteuerung eines späteren Erwerbs i.S.v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar. Ein rückwirkendes Ereignis liegt nur dann vor, wenn sich aufgrund des (geänderten) Bescheids ein neuer Sachverhalt materiell derart auswirkt, dass für die Festsetzung in dem anderen Bescheid neue Rechtsfolgen eintreten. Dabei ist die Frage, ob sich bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen sich mit Wirkung für die Vergangenheit ändern oder entfallen, den Normen des materiellen Steuerrechts zu entnehmen. Für den Streitfall fehlt es indes an einer entsprechenden Änderungsvorschrift. § 14 Abs. 1 ErbStG enthält lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist. Die Besteuerungen erfolgen indes unabhängig voneinander.
Der geänderte Wertansatz für die Vorerwerbe kann daher bei der Besteuerung des letzten Erwerbs nur berücksichtigt werden, wenn der Erlass oder die Änderung des Bescheids für den letzten Erwerb verfahrensrechtlich noch möglich ist. Die Änderung der Festsetzung für den Vorerwerb ändert für sich allein nicht den Wertansatz für die Besteuerung des nachfolgenden Erwerbs. Die Änderung kann auch nicht auf § 14 Abs. 2 ErbStG n.F. (Geltung ab 2009) gestützt werden. Zum einen ist die Neureglung auf den Streitfall nicht anwendbar, da sie erst für Erwerbe nach dem 31.12.2008 gilt. Zum anderen handelt es sich nicht um eine Änderungsvorschrift, sondern lediglich um eine Regelung zur Bestimmung der Festsetzungsfrist für den späteren Erwerb. Der BFH bestätigte somit die Auffassung des FG und wies die Revision des FA zurück.
Hinweis: Mögliche Auswirkung auch zulasten des Erwerbers
Die Erhöhung der Steuer für einen Vorerwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums führt somit nicht dazu, dass sich der Wert des in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 ErbStG einzubeziehenden Erwerbs nachträglich erhöht. Das gilt entsprechend umgekehrt bei einer Herabsetzung der Steuer. Der niedrigere Wertansatz für den Vorerwerb kann bei der Besteuerung des späteren Erwerbs nicht berücksichtigt werden. Solange die Besteuerung des Vorerwerbs noch in der Schwebe ist, sollte daher die Festsetzung für den späteren Erwerb offen gehalten werden.
BFH, Urteil v. 12.7.2017, II R 45/15, veröffentlicht am 30.8.2017.
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