Kindergeld bei Pflegekindschaftsverhältnis
Übernimmt nach dem Tod der Mutter die Schwester die Betreuung ihres von Geburt an schwerbehinderten Bruders und wird sie vom Amtsgericht daneben auch zur gesetzlichen Betreuerin des Bruders bestellt, so kann der volljährige Schwerbehinderte auch dann in den Haushalt der Schwester als Voraussetzung für ein Pflegekindschaftsverhältnis aufgenommen sein, wenn er zwar bereits 68 Jahre alt war und mit Unterstützung einer Lebenshilfeeinrichtung sowie der Schwester in einer eigenen Wohnung lebte, ihm im Haushalt der Schwester ein eigenes Zimmer zur Verfügung stand und er an allen Wochenenden im Haushalt der Schwester lebte.
Anspruch auf Kindergeld
Die Klägerin war die Schwester des am 24.09.1950 geborenen und am 01.03.2018 verstorbenen schwerbehinderten Mannes. Die Schwerbehinderung (100 GdB) mit den Merkzeichen "G" und "H" lag von Geburt an vor. Es war ferner vermerkt, dass die Notwendigkeit ständiger Begleitung bestand. Der Bruder lebte in einer eigenen Wohnung. Er bezog Eingliederungshilfe sowie Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Er bedurfte der Betreuung, die auch durch die Lebenshilfe erbracht wurde. Bis zu ihrem Tod im Mai 2017 oblag die Betreuung des Bruders daneben in erster Linie seiner Mutter, die auch Kindergeld bezog. Die Klägerin übernahm nach dem Tod der Mutter die Betreuung ihres Bruders.
Ihren Antrag auf Gewährung des Kindergeldes für ihren Bruder ab dem Monat Juni 2017 lehnte die Familienkasse (FK) ab, da die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld im Streitfall nicht vorlägen, weil der Bruder eine eigene Wohnung bewohne. Ein Pflegekindschaftsverhältnis zur Klägerin bestehe daher nicht. Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor, der Umstand, dass der Bruder eine eigene Wohnung bewohnt habe, könne für die Gewährung von Kindergeld nicht entscheidend sein, zumal die Wohnsituation auch schon lange vor dem Tod der Mutter bestanden und der Gewährung von Kindergeld nicht entgegengestanden habe.
Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses
Das FG hat entschieden, dass im Streitfall die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG vorliegen. Das FG ist davon überzeugt, dass die Klägerin die Verantwortung für das materielle Wohl ihres Bruders getragen und sich auch als gerichtlich bestellte Betreuerin vollumfänglich um seine Belange gekümmert hat.
Die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses scheitert nicht an dem Umstand, dass der Bruder der Klägerin auch in einer eigenen Wohnung lebte. Das Erfordernis der Haushaltsaufnahme und die Voraussetzung des Bestehens eines engen Familienbandes stehen in gegenseitiger Wechselwirkung, weil die Haushaltsaufnahme auch Ausdruck der geforderten besonderen familienähnlichen Beziehung ist. Der Zugehörigkeit zum Haushalt der Klägerin steht nicht entgegen, dass der Bruder auch in einer eigenen Wohnung lebte. Das FG ist davon überzeugt, dass der Haushalt der Klägerin den Mittelpunkt der Lebensinteressen ihres Bruders darstellte, zumal die Klägerin für das materielle Wohl ihres Bruders und das Maß der Fürsorge verantwortlich war.
Revision beim BFH
Die vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassene Revision wurde eingelegt, Az beim BFH III R 9/19. In vergleichbaren Fällen sollten Betroffene die ablehnenden Bescheide der FK durch einen Einspruch offenhalten und unter Hinweis auf das Verfahren beim BFH auf das Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 AO verweisen.
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