Kindergeld für ein erkranktes Kind

Ein Kind wird beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen kann. Dafür ist es erforderlich, dass es trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen ist, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Es kann jedoch auch vorkommen, dass das Kind infolge einer Erkrankung daran gehindert ist.

Erkrankung: Dienstanweisung zum Kindergeld

Die Dienstanweisung zum Kindergeld (Haufe Index 11936155) regelt hierzu (DA-KG A 17.2), dass die Erkrankung und das voraussichtliche Ende der Erkrankung durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachzuweisen sind und die Bescheinigung jeweils nach Ablauf von sechs Monaten zu erneuern ist. Ist nach den ärztlichen Feststellungen das voraussichtliche Ende der Erkrankung nicht absehbar, ist zu prüfen, ob das Kind wegen einer Behinderung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden kann. Wurde das Kind nicht bereits vor der Erkrankung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt, muss es seinen Willen, sich unmittelbar nach Wegfall der Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen, durch eine schriftliche Erklärung glaubhaft machen. Nach V 6.1 Abs. 1 Satz 8 der Dienstanweisung sollen Erklärungen, die eine Absicht glaubhaft machen, aber nur ab dem Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Erklärung bei der Familienkasse wirken.

Aktueller Fall beim FG Hamburg

Auf diese Regelungen hat sich die Familienkasse in einem Klageverfahren vor dem FG Hamburg bezogen. Hier hat der Kläger im Juli 2017 rückwirkend ab September 2016 Kindergeld für seinen Sohn beantragt. Der Kläger teilte mit, dass sein Sohn nach einer ca. einjährigen Beschäftigung als geringfügig Beschäftigter seit August 2016 psychisch erkrankt sei und in Kürze beabsichtige, eine Ausbildung anzufangen. Er reichte diverse Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für seinen Sohn ein. In diesem Zusammenhang legte er einen ärztlichen Nachweis vom 26.7.2017 vor. Der behandelnde Arzt erklärte, dass der Sohn seit dem 1.9.2016 erkrankt ist und das Ende der Erkrankung nicht absehbar ist. Außerdem wurde eine Willenserklärung des Sohnes vom 26.6. 2017 über dessen Ausbildungswilligkeit eingereicht. Am 17.7.2017 reichte der Kläger eine weitere schriftliche Erklärung des behandelnden Arztes ein. In dieser wurde erklärt, dass das Ende der Erkrankung oder Arbeitsunfähigkeit nicht sicher vorausgesagt werden kann und zunächst der 31.12.2017 angenommen wird.

Die Familienkasse lehnte eine rückwirkende Bewilligung ab. Zwar habe der Kläger behauptet, dass sein Sohn im streitigen Zeitraum ausbildungswillig gewesen sei. Erklärungen, die eine solche Absicht glaubhaft machen könnten, wirkten jedoch erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Erklärung bei der Familienkasse.

FG entscheidet entgegen der Dienstanweisung 

Das FG Hamburg (Urteil v. 31.7.2018, 6 K 192/17) ist den Regelungen in der Dienstanweisung entgegengetreten. Es ist nicht erforderlich, dass eine Erklärung des Kindes, aus der sich ergibt, dass das Kind plant, sich nach seiner Genesung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn zu bewerben bzw. die Ausbildung fortzuführen, bereits vorab vorgelegt wird. Das FG geht davon aus, dass es sich bei diesen Regelungen in der Dienstanweisung lediglich um verwaltungsökonomische Regelungen handelt. Liegt eine solche schriftliche Erklärung der Familienkasse vor, muss die Familienkasse nicht mehr prüfen. 

Beurteilung des Einzelfalls erforderlich

Hiervon unberührt müssen aber Beurteilungen des Einzelfalles bleiben. Entscheidend ist, ob das Kind ausbildungswillig war in den Monaten, für die das Kindergeld begehrt wird. Diese Beurteilung einer inneren Tatsache obliegt dem Finanzgericht. Nach Ansicht des FG ist es auch nicht schädlich, wenn - wie von der Dienstanweisung gefordert - das voraussichtliche Ende der Erkrankung zunächst nicht mitgeteilt wird. Eine solche Mitteilung ist gerade bei psychischen Erkrankungen oft nicht möglich. Das FG kam nach den Umständen des Klagefalls zu dem Ergebnis, dass der Sohn des Klägers ab Beginn des Streitzeitraums ausbildungswillig gewesen ist, allerdings aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen ist, eine Ausbildung zu beginnen. Infolge dessen wurde Kindergeld rückwirkend ab September 2016 gewährt.

Gegen die Entscheidung des FG Hamburg läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH (Az. III R 49/18). Vergleichbare Fälle können offen gehalten werden, bis der BFH entschieden hat.

Hinweis: Neureglung zum 1.1.2018

Ab 1.1.2018 regelt § 66 Abs. 3 EStG für Neuanträge, dass Kindergeld rückwirkend nur für die letzten 6 Monate vor Beginn des Monats gezahlt wird, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. 


Schlagworte zum Thema:  Kindergeld, Ausbildung, Arbeitsunfähigkeit