Kindergeldanspruch eines Gewerbetreibenden bei fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht
Hintergrund: Monatsweise gewerbliche Tätigkeit im Inland
X wohnt mit seiner Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern in Polen. Streitig war die Kindergeldfestsetzung für Mai 2012. X war in 2011 bis 2015 an wechselnden Orten im Inland im Baugewerbe selbständig tätig. Seine Aufenthalte hatten jedoch keinen Umfang, der zu einem gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. § 9 AO geführt hätte. Das FA veranlagte X in 2011 bis 2013 auf dessen Antrag hin als unbeschränkt steuerpflichtig i.S.v. § 1 Abs. 3 EStG (fiktive unbeschränkte Steuerpflicht für inländische Einkünfte).
Das FA versagte den Kindergeldanspruch für Mai 2012. Für die in diesem Monat ausgeführten Arbeiten hatte X den Rechnungsbetrag erst im August 2012 erhalten. Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung verwies das FA auf die Rechtsprechung des BFH zur Kindergeldberechtigung von im Ausland wohnenden und im Inland tätigen Arbeitnehmern. Danach besteht ein Kindergeldanspruch im Fall des § 1 Abs. 3 EStG jedenfalls nur für die Monate, in denen der Steuerpflichtige inländische Einkünfte erzielt hat (monatsweise Betrachtung). Für die Frage, in welchen Monaten inländische Einkünfte aus einer Arbeitnehmertätigkeit erzielt wurden, kommt es nach dieser Rechtsprechung nicht auf die Ausübung der Tätigkeit an, sondern auf den Zufluss des Arbeitslohns (BFH-Urteile v. 18.7.2013, III R 59/11, BStBl II 2014 S. 843, und v. 12.3.2015, III R 14/14, BStBl II 2015 S. 850).
Das FG vertrat dagegen die Meinung, bei Gewinneinkünften, wie sie hier vorlagen, sei nicht auf den Zufluss der Einnahmen abzustellen, sondern auf die Tätigkeitsmonate.
Entscheidung: Der Kindergeldanspruch besteht für die Monate, in denen die gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird
Der BFH entscheidet die bisher von den FG unterschiedlich beantwortete Frage, für welche Monate bei einer gewerblichen Tätigkeit ein Kindergeldanspruch besteht, dahin, dass nicht der Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen entscheidend ist, sondern der Zeitpunkt, zu dem der Besteuerungssachverhalt durch die ausgeübte Tätigkeit tatbestandlich verwirklicht wird. Zur Begründung verweist der BFH auf § 49 Abs. Nr. 2 Buchst. a EStG. Danach liegen inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor, wenn im Inland eine Betriebsstätte oder ein ständiger Vertreter bestellt ist. § 49 EStG normiert somit für inländische gewerbliche Einkünfte weitere Voraussetzungen, die einen Betriebsbezug herstellen. Damit knüpft die Regelung an die im Inland entfaltete wirtschaftliche Tätigkeit an (Quellenprinzip). Ausschlaggebend für die Zuordnung ist somit nicht der zeitliche, sondern der wirtschaftliche Zusammenhang mit der inländischen Betriebsstätte. Der BFH bestätigte daher die Entscheidung des FG, dass X für den Tätigkeitsmonat Mai 2012 ein Kindergeldanspruch zusteht.
Hinweis: Die tätigkeitsbezogene Betrachtung ist sachgerecht
Bei der monatsbezogenen Betrachtungsweise ist daher - jedenfalls bei den Gewinneinkünften - nicht auf den Zuflusszeitpunkt und auch nicht auf die Art der Gewinnermittlung abzustellen, sondern auf die (inländische) Tätigkeit an sich. Anderenfalls hinge der Kindergeldanspruch von der gewählten Gewinnermittlung, der Rechnungserstellung, der Vereinbarung von Teilzahlungen, Vorschüssen, Abschlagsrechnungen, des Eingangs der Zahlungen sowie der Zahlungswilligkeit und -fähigkeit des Auftraggebers und damit von selbst gewählten Gestaltungen oder bloßen Zufälligkeiten ab. Das entscheidende Kriterium für die monatsbezogene Betrachtungsweise ist daher die inländische Tätigkeit, die die inländische Steuerpflicht auslöst und damit das Wahlrecht nach § 1 Abs. 3 EStG erst eröffnet. Ausgehend von diesen Gesichtspunkten sollte nicht nur bei den Gewinneinkünften, sondern auch bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auf die Tätigkeit als entscheidendes Moment abgestellt werden.
BFH, Urteil v. 14.3.2018, III R 5/17, veröffentlicht am 4.6.2018.
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