Konsekutives Masterstudium ist Teil der Erstausbildung

Ein auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmtes Masterstudium ist Teil der Erstausbildung, wenn das Berufsziel erst darüber erreicht werden kann (entgegen BMF v. 7.12.2011, BStBl I 2011, 1243). 

Hintergrund

Der Sohn S beendete im April 2013 den Studiengang Wirtschaftsinformatik an der Universität mit dem Bachelor-Abschluss. Bereits seit dem Wintersemester 2012/2013 war er für den Masterstudiengang ebenfalls im Bereich Wirtschaftsinformatik eingeschrieben. Daneben war er wöchentlich 21,5 Stunden als studentische Hilfskraft und als Nachhilfelehrer tätig.

Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für S ab Mai 2013 mit der Begründung auf, mit dem Masterstudium absolviere er eine Zweitausbildung, für die kein Kindergeld mehr gewährt werden könne, weil er einer Erwerbstätigkeit mit mehr als 20 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit nachgehe. Ebenso entschied das FG und wies die Klage ab.

Entscheidung

Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind, auch wenn es sich weiterhin in Ausbildung (Zweitausbildung) befindet, nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit mit mehr als 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 EStG). Entgegen der Auffassung der Familienkasse und des FG geht der BFH davon aus, dass S mit dem Bachelorabschluss die Erstausbildung noch nicht abgeschlossen hatte. Das Masterstudium stellte daher kein Zweitstudium, sondern die Fortsetzung der Erstausbildung dar, sodass für S auch bei einer Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden der Kindergeldanspruch erhalten blieb.

Die erstmalige Berufsausbildung ist erst dann abgeschlossen, wenn das Kind befähigt ist, den von ihm angestrebten Beruf auszuüben. Der erste berufsqualifizierende Abschluss führt daher nicht zum Abschluss der Erstausbildung, wenn er sich als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt. Das ist bei mehraktigen Ausbildungsmaßnahmen der Fall, wenn das - von den Eltern und dem Kind - bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann und die Ausbildungsabschnitte sachlich in Zusammenhang stehen sowie auch zeitlich zusammenhängend durchgeführt werden.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Denn das Masterstudium des S steht in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zum vorangegangenen Bachelorstudiengang. Es baut auf dem vorherigen Bachelorstudiengang auf (sog. konsekutives Masterstudium). Ferner hat S hat das Masterstudium bereits vor dem Abschluss des Bachelorstudiengangs und damit zeitlich zusammenhängend begonnen.

Hinweis

Der BFH widerspricht damit der Verwaltungsauffassung in dem BMF-Schreiben v. 7.12.2011, BStBl I 2011, 1243 (gleichlautend mit DA-KG 2014, A 19.2.4). Nach Verwaltungsauffassung ist der Bachelorgrad ein berufsqualifizierender Abschluss und ein nachfolgender Studiengang somit als weiteres Studium anzusehen, auch wenn es als konsekutives Masterstudium auf dem Bachelorstudiengang aufbaut.

Für die Frage, ob ein Verbrauch der Erstausbildung vorliegt, ist das Berufsziel entscheidend. Dieses wird regelmäßig vom Kind und den Eltern gemeinsam bestimmt. Allerdings kann ein weiterführendes Masterstudium nur dann als Fortsetzung des Erststudiums angesehen werden, wenn die Erreichung des Berufsziels realistisch ist und ernsthaft angestrebt wird. Nicht entscheidend darf jedoch sein, ob der Masterabschluss Voraussetzung für die Erreichung des Berufsziels ist. Es muss genügen, dass das Kind die weiterführende Ausbildung für den von ihm frei gewählten Beruf als förderlich ansieht und diese Zweckbestimmung nachvollziehbar ist.

Der BFH ergänzt, dass der Berücksichtigung eines Kindes nicht entgegensteht, wenn es - z. B. aufgrund einer Erwerbstätigkeit - mangels Bedürftigkeit gegenüber seinen Eltern keinen Unterhaltsanspruch mehr hat. Die frühere Rechtsprechung, wonach der Kindergeldanspruch für über 18 Jahre alte Kinder eine typische Unterhaltssituation seitens der Eltern voraussetzte, hat der BFH bereits in 2010 aufgegeben (Urteil v. 17.6.2010, III R 34/09, BStBl II 2010, 982).

Für die Praxis ist wichtig, dass sich die Ermittlung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nach der individuell vereinbarten Arbeitszeit richtet. Eine vorübergehende (höchstens zwei Monate andauernde) Überschreitung ist unbeachtlich, wenn während des Berücksichtigungszeitraums (Ausbildung) die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit 20 Stunden nicht überschreitet (DA-KG 2014, A 19.3.1). 

BFH, Urteil v. 3.9.2015, VI R 9/15, veröffentlicht am 18.11.2015

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Schlagworte zum Thema:  Kind, Kindergeld, Studium, Ausbildung