Heimkosten als außergewöhnliche Belastung
Hintergrund: Umzug von Ehegatten in ein Alten- und Pflegeheim
Zu entscheiden war, ob bei der Berücksichtigung der Aufwendungen von Ehegatten für ihre Unterbringung in einem Heim nur für einen oder für beide Ehegatten eine Haushaltsersparnis anzusetzen ist. Die Eheleute waren im Streitjahr 2013 seit Mai in einem Alten- und Pflegeheim untergebracht (Doppelzimmer mit Vorraum, Dusche/WC). Der Haushalt der Eheleute wurde am 4. Juli aufgelöst. Die Ärzte hatten im Mai 2014 bescheinigt, dass die Ehefrau nach einer Erkrankung im Mai 2013 nicht mehr in der Lage sei, sich selbst zu versorgen und einen Haushalt zu führen. Der Ehemann war pflegebedürftig i. S. d. Pflegestufe 2.
Für die Unterbringung, Verpflegung und Pflegeleistungen entstanden den Eheleuten Kosten von rund 28.000 EUR. Diese minderten sie um eine anteilige Haushaltsersparnis und machten den Restbetrag als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Haushaltsersparnis setzten sie für 5 Monate (August bis Dezember) mit 5/12 des Unterhaltshöchstbetrags nach § 33a Abs. 1 EStG (für 2013: 8.130 EUR) an (8.130 EUR x 5/12 = 3.387,50 EUR). Das FA war dagegen der Auffassung, die Heimkosten seien um eine Haushaltsersparnis für beide Eheleute zu kürzen. Außerdem berechnete es die Haushaltsersparnis zusätzlich für 25 Tage im Juli Tag genau mit 2 x 564 EUR (8.130 EUR x 25/360).
Die gegen den zweifachen Abzug der Haushaltsersparnis gerichtete Klage wies das FG mit der Begründung ab, die ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten seien bei gemeinsam in einem Heim untergebrachten Ehegatten höher als bei einer Einzelperson.
Entscheidung: Realitätsgerechte Schätzung der Haushaltsersparnis
Der BFH verweist auf seine Rechtsprechung, nach der Krankheitskosen nur insoweit als außergewöhnliche Belastung in Betracht kommen, als sie zusätzlich erwachsen. Dementsprechend ist es gerechtfertigt, Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung in einem Heim um eine Haushaltsersparnis zu kürzen, die den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten entspricht. Die Haushaltsersparnis schätzen Rechtsprechung und Verwaltung entsprechend dem Unterhaltshöchstbetrag nach § 33a Abs. 1 EStG (BFH, Urteil v. 15.4.2010, VI R 51/09, BStBl II 2010, 794; Abschn. 33.3 Abs. 2 EStR). Diese Schätzung anhand des Vergleichs der der Heimkosten mit den Kosten des aufgegebenen privaten Haushalts wird vom BFH als realitätsgerecht bestätigt. Maßgröße sind die üblichen Kosten eines Einpersonenhaushalts. Diese werden in ihren Mindestanforderungen durch den Unterhaltshöchstbetrag (für 2013: 8.130 EUR, für 2018: 9.000) typisiert abgebildet.
Typisierender Ansatz einer zweifachen Haushaltsersparnis
Sind beide Ehegatten krankheitsbedingt untergebracht, ist für jeden Ehegatten eine Haushaltsersparnis anzusetzen. Denn sie sind beide durch den Heimaufenthalt und die Aufgabe des gemeinsamen Haushalts um dessen Fixkosten (Miete bzw. Zinsaufwendungen, Grundgebühr für Strom und Wasser, Reinigungsaufwand und Verpflegungskosten) entlastet. Bei Kürzung um nur eine Haushaltsersparnis würde eine ungerechtfertigte Doppelbegünstigung eintreten, da diese Aufwendungen für jeden Ehegatten bereits durch den Grundfreibetrag (§ 32a EStG) steuerfrei gestellt sind. Auch wenn die Lebenshaltungskosten nicht proportional zur Personenzahl im Haushalt steigen, ist die Berechnung der Haushaltsersparnis für 2013 nach dem Unterhaltshöchstbetrag auch bei zwei Personen i. H. v. 2 x 8.130 EUR = 16.260 EUR nicht zu hoch. Die Typisierung ist auch im Fall zweier Personen realitätsgerecht. Der BFH verweist dazu auf die Angaben des Statistischen Bundesamts zu den jährlichen Konsumausgaben eines Paares in 2013 mit 17.916 (Fachserie 15, Heft 5, S. 40).
Die Revision wurde daher im Streitpunkt zurückgewiesen. Sie hatte lediglich zu einem geringen Teil Erfolg. Denn nach der vom BFH neuerdings anerkannten stufenweisen Berechnung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG richtet sich die Höhe der zumutbaren Belastung nicht ausschließlich nach dem höheren Prozentsatz, sondern nach dem Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den Grenzbetrag übersteigt (BFH, Urteil v. 19.1.2017, VI R 75/14, BStBl II 2017, 684). Das führte im Streitfall zu einer Minderung der zumutbaren Belastung um 664 EUR.
Hinweis: Die Heimunterbringung muss krankheitsbedingt sein
Der BFH bestätigt, dass Kosten für die die Unterbringung in einem Heim nur dann als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind, wenn die Unterbringung krankheitsbedingt ist. Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze für die Anerkennung von Krankheitskosten. Der BFH verweist dazu auf das Urteil vom 9.12.2010, VI R 14/09 (BStBl II 2011, 1011). Danach verbleibt es für den Nachweis einer krankheitsbedingten Heimunterbringung bei den allgemeinen Beweisgrundsätzen. Ein formalisierter Nachweis (Amtsarzt, Medizinischer Dienst der KV) ist nicht Voraussetzung. Damit kann die krankheitsbedingte Unterbringung auch aufgrund eines erst nachträglich ausgestellten ärztlichen Attests anerkannt werden. Im Streitfall war es daher unschädlich, dass die ärztliche Bescheinigung für die Ehefrau erst ein Jahr nach der Heimunterbringung ausgestellt wurde.
Der BFH hält auch daran fest, dass eine Haushaltsersparnis nicht gegenzurechnen ist, wenn der Pflegebedürftige seinen normalen Haushalt beibehält (BFH, Urteil v. 15.4.2010, VI R 51/09, BStBl II 2010. 794). Ist allerdings absehbar, dass eine Rückkehr in die bisherige Wohnung nicht mehr in Betracht kommt, dürfte die Aufgabe der Wohnung – auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen psychischen Belastung – nach einer gewissen Zeit letztlich nicht unzumutbar sein.
BFH, Urteil v. 4.10.2017, VI R 22/16; veröffentlicht am 6.12.2017.
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