Neues Sanktionsmittel der Verwaltung: „Verzögerungsgeld“ (BFH)
Hintergrund:
Das FA, das bei der Stpfl. (A) eine Außenprüfung durchführte, hatte A mit mehreren Schreiben (vom 1. 3. 2010 sowie vom 8. und 21.4. 2010) aufgefordert, Buchführungsunterlagen und Datenträger vorzulegen (vgl. § 200 Abs. 1 AO). Im letzten dieser Schreiben (vom 21.4. 2010) drohte das FA für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe von 2.500 EUR an. Da A bis zum Fristablauf nur einen Teil der angeforderten Unterlagen übergeben hatte, setzte das FA mit Bescheid v. 1.6.2010 ein Verzögerungsgeld in angedrohter Höhe fest.
Nachdem A gegen die Festsetzung des Verzögerungsgeldes erfolglos Einspruch eingelegt und Klage erhoben hatte, beantragte sie, die Vollziehung des Festsetzungsbescheides vom 1.6.2010 auszusetzen. Sie weigerte sich weiterhin, die angeforderten Unterlagen und Datenträger vorzulegen. Deshalb setzte das FA durch Festsetzungsbescheid vom 29.6.2010 ein (weiteres) Verzögerungsgeld i.H. von 3.000 EUR fest.
Dem Antrag der A auf Aussetzung der Vollziehung gab das FG statt, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden. - Gegen die Entscheidung des FG hat das FA Beschwerde eingelegt.
Entscheidung des BFH:
Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass jedenfalls an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 1.6. 2010 keine ernstlichen Zweifel bestehen.
Rechtliche Grundlage für die Festsetzung des Verzögerungsgelds ist die – durch das Jahressteuergesetz 2009 eingefügte – Regelung des § 146 Abs. 2b AO. Hiernach kann das – als steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) anzusehende - Verzögerungsgeld auch dann verhängt werden, wenn ein Stpfl. einer Aufforderung des FA zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt. – Nach Auffassung des BFH durfte das FA die Aufforderung an A vom 1.3.2010 sowie vom 8. und 21.4.2010 zur Vorlage der Buchführungsunterlagen - zuletzt bis zum 27.4.2010 - erlassen. Die relativ kurze Frist war angesichts der besonderen Umstände des Streitfalls noch angemessen.
Als ernstlich zweifelhaft sah es der BFH jedoch an, ob die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben angeforderten Unterlagen durch die Regelung des § 146 Abs. 2b AO gedeckt ist. Nach Ansicht des BFH lässt sich die Zulässigkeit einer mehrfachen Festsetzung wegen derselben Verpflichtung weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 146 Abs. 2b AO entnehmen.
Anmerkung:
1. Mit der Möglichkeit, ein Verzögerungsgeld festzusetzen, wurde der Finanzverwaltung ein Druckmittel eigener Art an die Hand gegeben. Es soll den Stpfl. im Rahmen einer Außenprüfung u.a. „zur zeitnahen Mitwirkung“ bei der Auskunftserteilung und der Vorlage von Büchern, Geschäftspapieren u.s.w. anhalten. Zu diesem Zweck kann das FA dem Stpfl. eine angemessene Frist zur Mitwirkung setzen und nach deren ergebnislosem Ablauf ein Verzögerungsgeld in angemessener – am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter - Höhe festsetzen. Der gesetzliche Rahmen (2.500 bis 250.000 EUR) bietet der Finanzverwaltung einen weiten Ermessensspielraum, innerhalb dessen die Umstände des Einzelfalls angemessen zu berücksichtigen sind. Abzuwägen sind hierbei u.a. die Gründe für die Pflichtverletzung, die Dauer der Fristüberschreitung und die Auswirkungen der Pflichtverletzung auf den Fortgang der Außenprüfung. Die Finanzämter müssen ihre Ermessensentscheidung begründen. Im Rahmen eines finanzgerichtlichen Verfahrens sind diese Gründe allerdings nur eingeschränkt im Rahmen des § 102 FGO überprüfbar.
Im Streitfall hat der BFH im Rahmen des Aussetzungsverfahrens die erstmalige Festsetzung des Verzögerungsgeldes wegen nicht fristgerechter Mitwirkung für zulässig gehalten. Eine nochmalige Festsetzung von Verzögerungsgeld für den Fall, dass die Unterlagen auch später nicht vorgelegt werden, hält der BFH allerdings für unzulässig.
2. Die bisher schon bestehende Möglichkeit, gegen Stpfl. ein Zwangsgeld zur Durchsetzung von Verwaltungsakten festzusetzen (§§ 328 ff. AO), bleibt weiterhin bestehen. So kann die Aufforderung, eine Auskunft zu erteilen oder Urkunden vorzulegen, auch durch Festsetzung eines Zwangsgelds (Höchstbetrag: 25.000 EUR) durchgesetzt werden.
Beschluss v. 16.6.2011, IV B 120/10, veröffentlicht am 20.7.2011
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