Nicht erbrachte Überführungsleistung erhöht Sachbezug nicht
Hintergrund: Nicht berechnete Überführungskosten bei der Überlassung von Kfz an Mitarbeiter
Die Automobilherstellerin A ermöglicht ihren Mitarbeitern den Erwerb von Fahrzeugen zu vergünstigten Konditionen. Die fertig produzierten Fahrzeuge werden vom Produktionsstandort zunächst in ein Versandzentrum gebracht. Von dort erfolgt die Auslieferung an fremde Endkunden und Mitarbeiter unterschiedlich im Wesentlichen nach folgenden Gruppen:
- Die Fremdkunden können das Fahrzeug wahlweise bei einer Niederlassung der A, einem Vertragshändler oder in der sog. Markenwelt in Empfang nehmen. Dabei werden Überführungskosten berechnet.
- An die Mitarbeiter der Werke werden die Fahrzeuge am jeweiligen Werksstandort oder am Versandzentrum Z ohne Überführungskosten ausgeliefert.
- Die Niederlassungs-Mitarbeiter erhalten die Fahrzeuge wahlweise am Versandzentrum Z oder an der jeweiligen Niederlassung. Überführungskosten werden ihnen nur bei Auslieferung in einer Niederlassung außerhalb Z (zu vergünstigten Preisen) berechnet.
A erklärte in ihren LSt-Anmeldungen – neben der vergünstigten Abgabe der Fahrzeuge – lediglich die sich aus der vergünstigten Berechnung der Überführungskosten ergebenden Vorteile der Niederlassungs-Mitarbeiter. Sie geht davon aus, in den Fällen, in denen sie keine Überführungskosten berechnet (Auslieferung in den Werken und im Versandzentrum Z), seien diese nicht in die Ermittlung des geldwerten Vorteils aus dem vergünstigten Erwerb der Fahrzeuge einzubeziehen. Auf die dementsprechende LSt-Anmeldung für Mai 2015 nahm das FA die A durch Haftungsbescheid wegen der sich aus den nicht berechneten Überführungskosten ergebenden Vorteile in Anspruch.
Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab. Die Überführungskosten seien kein Entgelt für eine eigenständige Dienstleistung, sondern Bestandteil des (fremden Letztverbrauchern berechneten) Gesamtkaufpreises i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG.
Entscheidung: Nicht erbrachte Überführungsleistungen führen nicht zu einem geldwerten Vorteil
Der BFH teilt nicht die Auffassung des FG. Er hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. Der lohnsteuerrechtlich erhebliche geldwerte Vorteil bestimmt sich nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht nach dem Marktpreis, sondern nach dem Endpreis, zu dem der Arbeitgeber die Waren fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Das ist der "Angebotspreis", d.h. der Preis, der am Ende von Verkaufsverhandlungen und unter Berücksichtigung üblicher Rabatte als letztes Angebot des Händlers steht (BFH, Urteil v. 26.7.2012, VI R 30/09, BStBl II 2013, 400).
Transportkosten rechnen nicht zum Endpreis
Dieser Endpreis stellt auf den Preis für die konkret zu bewertende Leistung ab. Werden mehrere Leistungen zugewandt, ist für jede Leistung gesondert eine Verbilligung zu ermitteln. Fracht-, Liefer- und Versandkosten rechnen nicht zum Endpreis, weil es sich insoweit nicht um die Gegenleistung des Letztverbrauchers für die Ware handelt. Liefert der Arbeitgeber die Ware z.B. in die Wohnung des Arbeitnehmers, liegt eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vor, deren Kosten nicht den Warenwert des zugewendeten Wirtschaftsguts erhöhen, sondern einen gesonderten Sachbezug begründen (BFH, Urteil v. 6.6.2018, VI R 32/16, BStBl II 2018, 764).
Die Überführungskosten erhöhen nicht den Endpreis
Hiervon ausgehend sind die Überführungskosen nicht in den Endpreis einzuberechnen. Die Mitarbeiter haben durch die Auslieferung der Fahrzeuge an den Werksstandorten oder am Versandzentrum Z keinen zusätzlichen geldwerten Vorteil i.S. einer "Überführung" erlangt. Zum einen sind Überführungskosten tatsächlich nicht angefallen. Zum anderen stellt die Überführung eines Fahrzeugs von einem Versandzentrum zu einer Niederlassung – ebenso wie die Lieferung einer Ware in die Wohnung des Arbeitnehmers – eine zusätzliche Leistung dar, deren Kosten den Warenwert des zugewendeten Fahrzeugs nicht erhöht und damit auch nicht zum Endpreis i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zählt. Es handelt sich vielmehr um einen gesonderten Sachbezug. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Denn den betreffenden Mitarbeitern wurden unstreitig keine Überführungskosten in Rechnung gestellt. Dabei ist unerheblich, dass ein fremder Endkunde sich der Überführung und den durch diese ausgelösten Kosten nicht entziehen kann. Denn dies ändert nichts daran, dass die Fremdkunden mit den Überführungskosten eine zusätzliche Leistung entgelten.
Hinweis: Differenzierung in Auslieferungskosten und innerbetriebliche Transportkosten
Der BFH hebt hervor, dass Kosten, die (noch) im Rahmen der Produktion durch die Auslieferung von den einzelnen Produktionsstätten zu einem Versandzentrum und auch von einem Werk zu einem anderen anfallen, zu den Herstellungskosten des Fahrzeugs rechnen. Damit sind sie im empfohlenen Listenpreis enthalten. Überführungskosten i.S. von Transportkosten fallen erst für die Lieferung von einem Versandzentrum zu einer Niederlassung oder zu einem Händler an. Diese sind somit nicht Teil des Listenpreises für das Fahrzeug, sondern werden dem Endkunden separat in Rechnung gestellt.
Endpreis ist der Fahrzeugpreis ohne Überführungskosten
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Endpreis i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG der konkret berechnete Preis ist und dass die Versandkosten den Endpreis nicht erhöhen, sondern eine zusätzliche Leistung vergüten. Endpreis ist daher nicht das von Fremdkunden gezahlte Entgelt (Fahrzeugpreis plus Überführungskosten), sondern nur der Fahrzeugpreis. Die Besonderheit des Streitfalls liegt darin, dass hier Überführungen tatsächlich nicht stattgefunden haben. Anders ist es bei Überführung eines Fahrzeugs von einem Versandzentrum zu einer Niederlassung. Darin liegt eine zusätzliche Leistung, die bei verbilligter Berechnung einen gesonderten Sachbezug begründet.
BFH Urteil vom 16.01.2020 - VI R 31/17 (veröffentlicht am 26.03.2020)
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