Pflicht zur Einreichung einer E-Bilanz für Kleinstunternehmer
Hintergrund: Das Kleinstunternehmen reichte die Bilanz in Papierform ein
Gegenstand der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) ist der Betrieb von sog. Internetplattformen. Gesellschafter-Geschäftsführer ist ein Rechtsanwalt, der von der UG kein Gehalt erhält.
Die UG reichte Steuererklärungen und Bilanzen für die Jahre 2011 bis 2016 in Papierform ein. Für 2017 und 2018 übermittelte sie die Steuererklärungen elektronisch, die Bilanz und die GuV dagegen weiterhin in Papierform.
Für 2018 forderte das FA die UG sodann auf, Bilanz und GuV elektronisch einzureichen. Dagegen wandte die UG ein, die elektronische Einreichung sei ihr persönlich und wirtschaftlich unzumutbar. Persönlich sei sie mit ihren eigenen Mitteln dazu nicht in der Lage. Wirtschaftlich sei ihr der Erwerb einer entsprechenden Software für 40 EUR pro Jahr bzw. die Inanspruchnahme eines externen Dienstleisters nicht zumutbar. Es sei Aufgabe der Finanzverwaltung, eine kostenlose Möglichkeit zur Übermittlung zur Verfügung zu stellen.
Das FG bestätigte das FA und wies die Klage ab. Auch wenn die UG in 2018 einen Verlust erlitten und in den Vorjahren Gewinne lediglich im unteren vierstelligen Bereich erwirtschaftet habe, liege keine unbillige Härte vor.
Entscheidung: Zumutbarkeit der elektronischen Einreichung
Ein Aufwand von 40 EUR für die elektronische Übermittlung ist nicht unzumutbar.
Verfassungsmäßigkeit der Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung
Die UG als Variante der GmbH ist eine Kapitalgesellschaft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG (BFH v. 18.9.2018, XI R 30/16, BStBl II 2019, 67, Rz 18), die ihren Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelt. Innerhalb der Zumutbarkeitsgrenzen des § 150 Abs. 8 AO ist die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung von Daten an die Finanzverwaltung verfassungsgemäß. Das betrifft auch die Pflicht zur Schaffung der dafür erforderlichen technischen Voraussetzungen auf eigene Kosten, z.B. für ein Eingabegerät sowie die dazu erforderliche Software (z.B. BFH v. 14.3.2012, XI R 33/09, BStBl II 2012, 477, zur USt-Voranmeldung). Diese Mittel müssen vom Fiskus nicht kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Keine persönliche Unzumutbarkeit
Eine persönliche Unzumutbarkeit würde nach § 150 Abs. 8 Satz 2 Alt. 2 AO erfordern, dass die UG nach den individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten der für sie handelnden Personen nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen. Daran fehlt es im Streitfall. Das ergibt sich bereits daraus, dass die UG ihre Steuererklärungen elektronisch übermittelt. Dass – wie vorgetragen wurde – der Geschäftsführer persönlich nicht dazu in der Lage war, eine kostenlose Software zu nutzen, da diese zu komplex sei, führt nicht zu der Annahme, dass die UG nicht dazu in der Lage wäre, andere Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.
Wirtschaftliche Unzumutbarkeit bei Kleinstbetrieb
Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit i.S. des § 5b Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO liegt vor, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre. Der Zweck der Regelung liegt in der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie der Gewährleistung einer effektiven Verwaltung. Dieses Gemeinwohlinteresse hängt nicht nur von der Höhe der Einkünfte oder Umsätze ab, sondern auch vom Umfang des Jahresabschlusses. Denn der in der Möglichkeit zur (veranlagungszeitraumübergreifenden) maschinellen Prüfung elektronischer Daten liegende Vorteil der Finanzverwaltung ist umso größer, je umfangreicher und komplexer eine Bilanz sowie eine GuV sind. Ob die erklärten Einkünfte positiv oder negativ sind, spielt daher eine untergeordnete Rolle. Das bedeutet allerdings nicht, dass bei einer "übersichtlichen" Bilanz sowie GuV mit nur wenigen Positionen immer eine "unbillige Härte" i.S. des § 5b Abs. 2 EStG zu bejahen wäre. Auch hier ist vielmehr die Feststellung eines "nicht unerheblichen" finanziellen Aufwands erforderlich.
Im Streitfall keine wirtschaftliche Unzumutbarkeit
Hiervon ausgehend gelangte der BFH zu dem Ergebnis, dass ein finanzieller Aufwand in Höhe von 40 EUR pro Jahr für die elektronische Übermittlung (bzw. für eine entsprechende Buchhaltungssoftware) auch bei einem Kleinstunternehmen kein erheblicher finanzieller Aufwand ist. Der Betrag ist auch unter Berücksichtigung einer Bilanzsumme von 16.277 EUR, von Gewinnrücklagen von 3.810 EUR, Umsatzerlösen von 2.648 EUR und einem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 660 EUR nicht unverhältnismäßig, zumal er gewinnmindernd zu berücksichtigen ist. Da die UG im Übrigen über die EDV-Ausstattung verfügte, fielen insoweit keine weiteren Kosten an.
Hinweis: Verhältnis von Umfang der Bilanz zum Übermittlungsaufwand
Der BFH verdeutlicht, dass ein Kleinstbetrieb nicht automatisch von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung befreit ist. Der Umfang von Bilanz/GuV (Positionen und Bilanzsumme) ist ins Verhältnis zum Aufwand zu setzen. Die Höhe des Gewinns ist nicht entscheidend. Andernfalls könnte sogar ein Großunternehmen für ein Verlustjahr nicht zur elektronischen Übermittlung verpflichtet sein. Im Streitfall war der Aufwand für die UG gering, da sie über die erforderliche EDV-Grundausstattung verfügte. Umgekehrt kann es sein, wenn diese erst hätte beschafft werden müssen. Mit der Entscheidung modifiziert der BFH die Grundsätze, die für die elektronische Übermittlung der ESt-Erklärung gelten (BFH v. 16.6.2020, VIII R 29/19, BStBl II 2021, 290). Anders als für die Abgabe der Erklärung ist für die Einreichung der Bilanz nicht auf die die Höhe der Einkünfte, sondern auf den Umfang von Bilanz/GuV abzustellen.
BFH Urteil vom 21.04.2021 - XI R 29/20 (veröffentlicht am 12.08.2021)
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