Die dort vertretene Rechtsauffassung dürfte in aller Regel auch im übrigen Bundesgebiet Anwendung finden. Die meisten Zweifelsfragen beschäftigen sich mit den Vereinfachungsalternativen aus dem BMF-Schreiben:
Tätigkeitsmittelpunkt
Tätigkeitsmittelpunkt ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Arbeitsleistung schwerpunktmäßig zu erbringen hat. Allein das kurzfristige Aufsuchen der Arbeitgebereinrichtung (z.B. zu Kontrollzwecken) reicht nicht mehr aus, um dort die regelmäßige Arbeitsstätte zu begründen. Die sog. 46-Tage-Regelung ist demnach nicht mehr anzuwenden. Vielmehr muss die regelmäßige Arbeitsstätte eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber anderen Tätigkeitsstätten des Arbeitnehmers haben. Der ortsgebundene Mittelpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers kann nur an einem Ort liegen, sodass der Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte innehaben kann.
Achtung: Räume, die sich in unmittelbarer Nähe zur Wohnung des Arbeitnehmers befinden, von den übrigen Räumen der Wohnung nicht getrennt sind und keine in sich geschlossene Einheit bilden (z.B. Home-Office, häusliches Arbeitszimmer), gelten nicht als Betriebsstätte des Arbeitgebers. Zuhause gibt es also keine regelmäßige Arbeitsstätte!
Zweifelsfall zusätzlicher (untergeordneter) Tätigkeitsort:
A ist zunächst vereinbarungsgemäß in einem Möbelgeschäft in Freiburg tätig. Nachdem der Arbeitgeber in Offenburg eine Filiale eröffnet hat, wird - ohne Änderung des Arbeitsvertrages - vereinbart, dass A jeden Montag in der Filiale in Offenburg arbeitet.
Die regelmäßige Arbeitsstätte hat A in der Filiale in Freiburg, da dort der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt.
Zweifelsfall unterjähriger Tätigkeitswechsel:
Arbeitnehmer B war von Januar bis Juni im Betrieb des Arbeitgebers tätig (Innendienst). Ab Juli hat er einen neuen Tätigkeitsbereich übernommen. Er ist nunmehr im Außendienst tätig und fährt nur noch einmal im Monat zu Besprechungen in den Betrieb des Arbeitgebers.
Da der Tätigkeitsbereich des B sich verändert hat, ist für den Zeitraum Januar bis Juni und den Zeitraum ab Juli jeweils gesondert zu prüfen, ob eine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt.
Während B bis Juni im Betrieb des Arbeitgebers eine regelmäßige Arbeitsstätte hat, ist dieses ab Juli nicht mehr der Fall. Der Mittelpunkt der Tätigkeit des B liegt nach Änderung seines Aufgabenbereichs im Außendienst.
Dauerhafte Zuordnung
Nach dem BMF-Schreiben ist von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen, wenn der Arbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet ist. Die arbeitsvertragliche Zuordnung allein führt nur dann zu einer regelmäßigen Arbeitsstätte, wenn sie auch den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.
Zweifelsfall Zuordnung zu untergeordnetem Tätigkeitsort:
C ist Beschäftigter im öffentlichen Dienst und arbeitet als Heimarbeiter an vier Tagen zu Hause und an einem Tag im Verwaltungssitz. Es werden täglich die gleichen Arbeiten ausgeführt. C ist, da aus reisekostenrechtlicher Sicht eine Zuordnung erforderlich ist, nur dem Verwaltungssitz zugeordnet.
C hat am Verwaltungssitz eine regelmäßige Arbeitsstätte, da er dieser Arbeitgeber-Einrichtung dauerhaft zugeordnet ist und dort dauerhaft auch tätig wird.
Möglicherweise kommt in diesem Fall aber die Anwendung der „Escape-Klausel“ in Betracht (s.u.). Der Erlass trifft dazu keine Aussage.
Zweifelsfall Zuordnung zu Arbeitgebereinrichtung ohne dortige Tätigkeit:
D ist arbeitsvertraglich (aus außersteuerlichen Gründen) dem Hauptsitz des Arbeitgebers in Hamburg zugeordnet. Als Leiter der Niederlassung in Stuttgart wird er aber ausschließlich in Stuttgart tätig.
D hat seine regelmäßige Arbeitsstätte in Stuttgart, wo er ausschließlich und dauerhaft tätig wird.
Arbeitstägliches Aufsuchen
Nach dem BMF-Schreiben ist von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen, wenn ein Mitarbeiter in einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers arbeitstäglich tätig werden soll. Allein das arbeitstägliche Aufsuchen ohne "tätig" zu werden reicht aber nicht aus.
Zweifelsfall tägliches Aufsuchen ohne Tätigkeit:
Der angestellte Handwerker / Kundendienstmonteur fährt morgens zum Betrieb des Arbeitgebers, um seinen Pkw abzustellen, Aufträge entgegen zu nehmen und das erforderliche Kleinmaterial und Werkzeug einzuladen. Im Anschluss daran fährt er mit dem Werkstattwagen zu den Kunden. Nachmittags stellt er das Fahrzeug beim Arbeitgeber ab, um mit seinem privaten Pkw nach Hause zu fahren.
Der Arbeitnehmer unterhält keine regelmäßige Arbeitsstätte in der ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, da er dort nicht tätig wird. "Tätig" im Sinne der Ausübung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten wird ein Handwerker/Kundendienstmonteur nicht durch die genannten Arbeiten.
"Escape-Klausel"
Wird von den Vereinfachungsregeln abweichend vom Arbeitgeber oder Mitarbeiter (z.B. durch entsprechenden Sachvortrag) geltend gemacht, dass nach den Grundsätzen der BFH-Urteile eine andere betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers eine regelmäßige Arbeitsstätte ist oder keine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt, ist dies anhand des inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunktes der beruflichen Tätigkeit nachzuweisen oder glaubhaft zu machen.
Zu diesem Zweck ist der Ort des qualitativen Schwerpunkts der beruflichen Tätigkeit danach zu bestimmen, wo der Arbeitnehmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Tätigkeit kommt in diesem Zusammenhang nur Indizienwirkung zu.
Zweifelsfall qualitativer Mittelpunkt:
Ein angestellter Handelsvertreter erledigt Vor- und Nachbereitungsarbeiten jeweils freitags ganztägig in den Büroräumen des Arbeitgebers.
Nach den Vereinfachungsregelungen kann zunächst vermutet werden, dass der Betrieb eine regelmäßige Arbeitsstätte darstellt. Der qualitative Mittelpunkt der Tätigkeit liegt jedoch im Außendienst, sodass bei einem entsprechenden Sachvortrag die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers nicht zu einer regelmäßigen Arbeitsstätte wird.
Werden qualitativ bedeutende Teile der beruflichen Tätigkeit sowohl in der ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers als auch im Außendienst erbracht, hat der Arbeitnehmer keine regelmäßige Arbeitsstätte. Die Einrichtung des Arbeitgebers und der Außendienst können nicht gleichermaßen Mittelpunkt der Tätigkeit sein. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer mehrere Einrichtungen des Arbeitgebers gleichmäßig aufsucht und dort jeweils qualitativ gleichwertige Arbeiten ausführt.
Zweifelsfall gleichberechtigte Filialen:
Zum Aufgabenbereich des Filialleiters E gehört die Betreuung der Filialen in Karlsruhe und Baden-Baden. Montags und mittwochs sucht er die Filiale Karlsruhe auf, dienstags und donnerstags die Filiale Baden-Baden. Freitags erledigt er Büroarbeiten in einem im Wohnhaus befindlichen Arbeitszimmer.
E hat gar keine regelmäßige Arbeitsstätte. Ein qualitativer Mittelpunkt seiner Tätigkeit kann nicht festgemacht werden, da die Arbeiten in den Filialen gleichwertig sind. Es erlangt auch keine der Filialen gegenüber der anderen hinreichend zentrale Bedeutung. Das Arbeitszimmer in der Wohnung begründet bereits deswegen keine regelmäßige Arbeitsstätte, weil es sich nicht um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handelt.
Sucht der Arbeitnehmer mehrere Einrichtungen des Arbeitgebers auf und führt dort jeweils qualitativ gleichwertige Arbeiten aus, kann diejenige Einrichtung eine regelmäßige Arbeitsstätte darstellen, in der der Arbeitnehmer quantitativ überwiegend tätig wird.
Zweifelsfall quantitativer Tätigkeitsmittelpunkt:
Zum Aufgabenbereich des Filialleiters F gehört die Betreuung der Filialen in Stuttgart und Ulm. Montags bis mittwochs sucht er die Filiale Stuttgart auf, donnerstags und freitags die Filiale Ulm
F hat in der Filiale Stuttgart eine regelmäßige Arbeitsstätte. Er erbringt gleichartige und damit in qualitativer Hinsicht gleichwertige Arbeitsleistungen in beiden Filialen. Die Arbeiten in der Filiale Stuttgart überwiegen zeitlich, sodass diese eine hinreichend zentrale Bedeutung gewinnt.
Vorübergehende Tätigkeit an einer anderen Betriebsstätte
Wird der Arbeitnehmer vorübergehend an einer anderen betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers oder eines verbundenen Unternehmens tätig, wird die betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, die nur vorübergehend aufgesucht wird, nicht zur regelmäßigen Arbeitsstätte.
Da die Lohnsteuerrichtlinien der Finanzverwaltung keine zeitliche Begrenzung hinsichtlich des Merkmals "vorübergehend" enthalten, muss anhand der Gesamtumstände entschieden werden, ob die Auswärtstätigkeit noch als vorübergehend angesehen werden kann oder ob am Beschäftigungsort eine regelmäßige Arbeitsstätte begründet wird. Dabei ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte innehaben kann. Die Vorgabe einer festen zeitlichen Obergrenze für die Annahme einer vorübergehenden Auswärtstätigkeit ist nicht möglich.
Zweifelsfall Verlängerung der Abordnung:
G soll die Zweigniederlassung seines Arbeitgebers in Nürnberg auf das neue Softwareprogramm umstellen und anschließend auch die weitere Betreuung übernehmen. Hierfür wird G zunächst für 3 Jahre nach Nürnberg abgeordnet. Dieser Einsatz wird nach Ablauf der 3-jährigen Tätigkeit in Nürnberg um weitere 3 Jahre verlängert.
Die Art und Dauer des Einsatzes indiziert eine von vornherein auf Dauer angelegte Tätigkeit. Anhand der Gesamtumstände - vereinbart war nicht nur die Umstellung auf das neue Softwareprogramm, sondern auch die weitere Betreuung - kann im Beispielsfall davon ausgegangen werden, dass von Beginn der Tätigkeitsaufnahme in Nürnberg an eine nicht nur vorübergehende Tätigkeit geplant war. Der qualitative Mittelpunkt der Tätigkeit und damit die regelmäßige Arbeitsstätte des G liegen daher in der Zweigniederlassung in Nürnberg.
Arbeitsstätte bei einem Dritten (Kunde, Leiharbeitsverhältnis)?
Wird der Arbeitnehmer nicht in einer Einrichtung des Arbeitgebers tätig, sondern in einer Einrichtung eines Dritten (z.B. Leiharbeitnehmer beim Entleiher), wird diese nicht zur regelmäßigen Arbeitsstätte, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses mit wechselnden Tätigkeitsstätten rechnen muss.
Merke: Regelmäßige Arbeitsstätten gibt es nur in Einrichtungen des eigenen Arbeitgebers.
Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer bei einem Kunden des Arbeitgebers längerfristig eingesetzt ist (BFH, Urteile v. 10.7.2008, BStBl 2009 II S. 818 und v. 9.7.2009, BStBl 2009 II S. 822). Diese Auffassung hat die Finanzverwaltung übernommen (BMF, Schreiben v. 21.12.2009, IV C 5 – S2353/08/10010).
Aktuell hat der BFH eine regelmäßige Arbeitsstätte für einen städtischen Feuerwehrmann, der auch Bereitschaftsdienste in einem nichtstädtischen (kirchlichen) Krankenhauses zu leisten und dort ein Dienstzimmer hatte, verneint (BFH, Urteil v. 19.1.2012, VI R 23/11).
Die Betriebsstätte eines Konzernunternehmens behandelt die Finanzverwaltung ebenfalls nicht als arbeitgebereigene Einrichtung.
Zweifelsfall Leiharbeiter ohne zeitliche Befristung:
Ein Arbeitnehmer wird von einer Zeitarbeitsfirma einem Kunden als kaufmännischer Mitarbeiter überlassen. Der Überlassungsvertrag enthält keine zeitliche Befristung ("bis auf Weiteres").
In diesem Fall liegt beim Kunden keine regelmäßige Arbeitsstätte in der außerbetrieblichen Einrichtung vor.
Achtung: Die Finanzverwaltung geht aber bisher ausnahmsweise dann von einer regelmäßige Arbeitsstätte aus, wenn ein Arbeitnehmer von einem Verleiher für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses dem Entleiher überlassen oder mit dem Ziel der späteren Anstellung beim Entleiher eingestellt wird (BMF, Schreiben v. 21.12.2009, IV C 5 - S 2353/08/10010). Dieser Auffassung hat zuletzt das FG Münster mit Urteil vom 11.10.2011 (13 K 456/10) ausdrücklich widersprochen und generell eine regelmäßige Arbeitsstätte bei Leiharbeitnehmern verneint. Gegen das Urteil ist Revision eingelegt (Az. BFH: VI R 63/11).
Aus-/Fortbildung des Arbeitnehmers
Die Grundsätze für Auswärtstätigkeiten sind auch maßgebend, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seines Ausbildungsdienstverhältnisses oder als Ausfluss seines Dienstverhältnisses zu Fortbildungszwecken vorübergehend eine Ausbildungs- oder Fortbildungsstätte außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitsstätte im Betrieb des Arbeitgebers aufsucht.
Eine Bildungseinrichtung wird daher auch dann nicht zu einer regelmäßigen Arbeitsstätte, wenn ein vollbeschäftigter Arbeitnehmer eine längerfristige, jedoch vorübergehende berufliche Fortbildungsmaßnahme durchführt und die Bildungseinrichtung längerfristig über 4 Jahre aufsucht (BFH, Urteil v. 10.4.2008, BStBl 2008 II S. 825).
An dieser steuerlichen Beurteilung ändert sich auch nichts, wenn der Arbeitnehmer in Teilzeit beschäftigt ist oder das Dienstverhältnis im Zeitraum der Fortbildung ruht.
Aktuell: Eine Bildungseinrichtung ist selbst dann nicht als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen, wenn diese häufig über einen längeren Zeitraum hinweg zum Zwecke eines Vollzeitunterrichts aufgesucht wird (BFH, Urteil vom 9.2.2012, VI R 42/11).