Renten der gesetzlichen Rentenversicherung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
Hintergrund:
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hatte der Klägerin im Jahr 2005 die Weiterzahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H. von monatlich 717 EUR bis November 2006 bewilligt. Diese Renteneinkünfte besteuerte das FA mit einem Besteuerungsanteil von 50 %.
Das FA ging dabei von der Neuregelung in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG i.d.F. des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) aus. Nach dieser Regelung werden u.a. die Renten von Rentenversicherungen und berufsständischen Versorgungseinrichtungen innerhalb eines bis zum Jahr 2039 reichenden Übergangszeitraums in die vollständige nachgelagerte Besteuerung überführt (Besteuerung mit dem Besteuerungsanteil). Die übrigen Leibrenten werden dagegen weiterhin mit dem – wesentlich geringeren – Ertragsanteil besteuert (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG ggf. i. Verb. mit § 55 Abs.2 EStDV).
Nach Auffassung der Klägerin liegt in dieser ungleichen Behandlung ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie ein Widerspruch zur Eigentumsgarantie (Art. 14 GG). Außerdem werde der im GG garantierte rechtsstaatliche Vertrauensschutz verletzt. Die Klägerin begehrte deshalb, die Besteuerung ihrer Erwerbsminderungsrente mit einem Ertragsanteil (von 4 %) durchzuführen.
Entscheidung des BFH:
Der BFH hält die gesetzliche Regelung, nach der auch die Renten wegen Erwerbsminderung mit dem - durch das AltEinkG eingeführten - sog. Besteuerungsanteil zu besteuern sind, für verfassungsgemäß.
Er setzt damit seine bisherige Rechtsprechung zur Neuordnung der Rentenbesteuerung durch das AltEinkG v. 5.7.2004 fort. Der BFH hatte bereits in mehreren Entscheidungen die Verfassungsmäßigkeit des AltEinkG insoweit bejaht, als es um die Besteuerung der Altersrenten ging (vgl. insbesondere BFH, Urteil v. 19.1.2010 X R 53/08, BFH/NV 2010, 986). Nunmehr hat er entschieden, dass auch die Besteuerung der Erwerbsminderungsrenten nicht gegen die Verfassung verstößt.
Anmerkung:
Zu den von der steuerlichen Regelung durch das AltEinkG betroffenen Leibrenten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen gehören alle in § 33 SGB VI aufgezählten Rentenarten, die durch die gesetzliche Rentenversicherung gewährt werden, nämlich die Renten wegen Alters (§ 33 Abs. 2, §§ 35 ff. SGB VI), wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 33 Abs. 3, §§ 43 ff. SGB VI) sowie wegen Todes (§ 33 Abs. 4, §§ 46 ff. SGB VI).
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH dürfte für alle Rentenarten nunmehr wohl davon auszugehen sein, dass verfassungsrechtliche Einwendungen gegen die gesetzliche Steuermehrbelastung durch den Systemwechsel der Rentenbesteuerung kaum noch Erfolgsaussichten haben. - Das BVerfG hat eine – gegen das grundlegende BFH-Urteil v. 19.1.2010 X R 53/08 (BFH/NV 2010, 986) gerichtete - Verfassungsbeschwerde (Az. 2 BvR 844/10) ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss v. 8.4.2011). Sonach ist wohl auch eine Überprüfung der Besteuerungsregelung durch das BVerfG nicht mehr zu erwarten.
Urteil v. 13.4.2011, X R 54/09, veröffentlicht am 27.7.2011
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