Rücklage für Ersatzbeschaffung

Die Investitionsfrist beträgt - abweichend von der Verwaltungsanweisung - allgemein vier Jahre, bei Gebäuden sechs Jahre. Es wird vermutet, dass die Investitionsabsicht bis zum Fristablauf fortbesteht.

Hintergrund
A übernahm zum 1.7.1998 den landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters (V). Bereits im August 1996 war eine Scheune abgebrannt. V bilanzierte zum 30.6.1997 eine Forderung gegenüber der Brandversicherung und bildete in gleicher Höhe eine Rücklage für Ersatzbeschaffung. Nach teilweiser Instandsetzung und Teilzahlungen bestand zum 30.6.1998 noch eine Restforderung, die A in die Bilanz 1.7.1998 unter Minderung der Rücklage übernahm. Forderung und Rücklage wies er zum 30.6.2001 unverändert aus. Bei den Veranlagungen 2001/2002 löste das FA die Rücklage auf und erhöhte den Gewinn des Wirtschaftsjahrs 2001/2002. Das FG wies die Klage ab, da A das Fortbestehen der Ersatzbeschaffungsabsicht nicht substanziiert dargelegt habe.

Entscheidung
Die Rücklage war aufzulösen. Offen blieb nur, zu welchem Stichtag.

Die - gewohnheitsrechtlich anerkannte - Rücklage für Ersatzbeschaffung bewirkt, dass der durch die Ersatzleistung realisierte Gewinn neutralisiert wird. Die Bildung setzt aber voraus, dass die Absicht der Ersatzbeschaffung besteht. Diese Absicht ist darzulegen. Für die erstmalige Bildung genügt der ordnungsgemäße Ausweis in der Bilanz. Der Fortbestand der Absicht wird widerleglich vermutet. Die Rücklage muss gewinnerhöhend aufgelöst werden, wenn die Ersatzbeschaffungsabsicht aufgegeben wird. Außerdem ist sie aufzulösen, wenn die Reinvestition nicht innerhalb einer bestimmten Frist durchgeführt wird.

Nach der Verwaltungsmeinung beträgt die angemessene Reinvestitionsfrist allgemein ein Jahr und bei Grundstücken/Gebäuden zwei Jahre - mit Verlängerungsmöglichkeit, wenn besondere Gründe vorliegen (R 6.6 EStR). Diese Auffassung lehnt der BFH als zu eng ab. Er orientiert sich an den - längeren - Reinvestitionsfristen für die Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG ("6b-Rücklage") an. Diese Rücklage dient einem vergleichbaren Zweck. Sie begünstigt die Veräußerung von Anlagegütern und dient der strukturellen Anpassung durch Übertragung der bei Veräußerungen frei werdenden stillen Reserven auf Reinsvestitionsgüter und ermöglicht damit die vorläufige Freistellung des Veräußerungsgewinns. Der BFH sieht es daher als sachgerecht an, die Reinvestitionsfrist für die Ersatzbeschaffungsrücklage nach R 6.6 EStR entsprechend § 6b EStG auf 4 Jahre allgemein und bei Gebäuden auf 6 Jahre - ohne Verlängerungsmöglichkeit - zu bemessen. Anders als bei der 6b-Rücklage kommt es allerdings bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung auf einen bestimmten Herstellungsbeginn nicht an, da die Ersatzbeschaffungsrücklage bereits den Nachweis der Investitionsabsicht erfordert und diese Absicht regelmäßig zu einem frühzeitigen Herstellungsbeginn führen wird.

V hatte zutreffend zum 30.6.1997 die Rücklage gebildet. Sie war daher spätestens zum 30.6.2003 aufzulösen. Das FG muss noch feststellen, ob A - wie vom FG angenommen - die Absicht der Ersatzbeschaffung bereits zum 30.6.2002 aufgegeben hat.

Anmerkung
Die Rücklage für Ersatzbeschaffung war bisher gewohnheitsrechtlich mit der Ausgestaltung in R 6.6 EStR anerkannt. Der BFH sieht sich als befugt an, das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut der Ersatzbeschaffungsrücklage entsprechend der Reinvestitionsrücklage zu konkretisieren.

Urteil v. 12.1.2012, IV R 4/09, veröffentlicht am 9.5.2012
 


Schlagworte zum Thema:  BFH-Urteile, Gewinnermittlung