Rückstellung für Entsorgung nach dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz
Hintergrund: Entsorgungsverpflichtung für veräußerte Elektrogeräte
Die X-GmbH stellt Leuchtmittel (Energiesparlampen) her, die unter die Entsorgungspflicht nach dem ElektroG fallen (Elektro- und Elektronikgerätegesetz v. 16.3.2005, BGBl I 2005, 762). Für ab dem 13.8.2005 und für zu entsorgende früher in Verkehr gebrachte Elektro- und Elektronikgeräte sind die Hersteller zur Abholung der gesammelten Altgeräte und ihrer Entsorgung verpflichtet. Die "Gemeinsame Stelle" (die Stiftung E) ist vom Umweltbundesamt mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben i.S. des ElektroG betraut. Sie registriert die Hersteller und koordiniert die Bereitstellung von Sammelbehältern sowie die Abholung der Altgeräte. E erlässt in Ausübung ihrer hoheitlichen Aufgaben u.a. Abholanordnungen und Bereitstellungsanordnungen und stellt den Herstellern entsprechende Gebühren in Rechnung.
X bildete für 2007 bis 2009 Rückstellungen für die Entsorgungskosten für Energiesparlampen, und zwar sowohl für nach dem 13.8.2005 in Verkehr gebrachte und E gemeldete als auch für nicht gemeldete Mengen und zusätzlich für 2007 für vor dem Stichtag veräußerte und für 2009 für erst 2010 gemeldete Lampen. Das FA anerkannte die Rückstellungen nicht. Das FG gab der Klage hinsichtlich der nach dem Stichtag in Verkehr gebrachten und an E gemeldeten Lampen statt und wies im Übrigen die Klage ab. Dagegen haben sowohl das FA als auch X Revision (Anschlussrevision) eingelegt.
Entscheidung: Konkretisierung durch die Abholanordnung
Der BFH verneint für alle diese Sachverhalte die Möglichkeit einer Rückstellungsbildung.
Das gilt zunächst für die von X in der Zeit ab 13.8.2005 in Verkehr gebrachten und der E gemeldeten Lampen. Die Entsorgungsverpflichtungen der X waren in den Streitjahren nicht hinreichend konkretisiert. Die Abhol- und Entsorgungsverpflichtung entsteht zwar als abstrakte Rechtspflicht bereits mit dem Inverkehrbringen. Sie wird aber erst mit der Abholanordnung und nicht schon durch die Herstellermeldung an E über die in Verkehr gebrachten Mengen hinreichend konkretisiert. Der Hersteller ist nur verpflichtet, die Behältnisse entsprechend der Zuweisung durch die Behörde bzw. E unverzüglich abzuholen. E kann aber die Anordnung zur unverzüglichen Abholung erst dann treffen, wenn sie selbst den Umfang der Abholpflicht ermittelt hat. Dazu sind nicht nur die Mitteilungen der Hersteller, sondern die entsprechenden Berechnungen (Anteil des Herstellers an der gesamten im Kalenderjahr in Verkehr gebrachten Menge pro Geräteart) erforderlich. Der konkrete Umfang der den einzelnen Hersteller treffenden Abhol- und Entsorgungspflicht steht somit nicht bereits mit dem Eingang der Meldung bei E, sondern erst mit dem Ergehen der Abholanordnung fest.
Auch für die vor dem 13.8.2005 in Verkehr gebrachten Lampen war keine Rückstellung zu bilden. Denn die Verpflichtung trifft nicht den Hersteller im Umfang der seinerzeitigen Verkäufe, sondern die nach dem Stichtag am Markt tätigen Hersteller. Der Umfang der Entsorgungspflicht bestimmt sich nach dem Anteil ihrer derzeitigen Marktteilnahme. Nach diesem Anteil hat der Hersteller Altgeräte auch dann zu entsorgen, wenn er vor dem Stichtag entsprechende Geräte gar nicht in den Verkehr gebracht hat. Die Verpflichtung ergibt sich demnach nicht aus einem in der Vergangenheit realisierten Tatbestand, sondern knüpft an die aktuelle Marktteilnahme an. Eine Rückstellung scheidet mangels Vergangenheitsbezugs und periodengerechter Zuordnung aus.
Für die vom Stichtag an veräußerten, aber nicht gemeldeten Lampen scheitert die Rückstellungsbildung daran, dass – mangels einer Meldung – insoweit keine konkretisierende Abholverfügung vorliegen bzw. ergehen kann. Entsprechendes gilt für die erst 2010 gemeldeten Lampen, da in 2009 insoweit nicht mit einer Inanspruchnahme zu rechnen war.
Auf die Revision des FA wurde daher das teilweise stattgebende FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Anschlussrevision der X wurde zurückgewiesen.
Hinweis: Kein konkreter Gesetzesbefehl
Die Passivierungsflicht setzt eine Konkretisierung in dem Sinne voraus, dass die Verpflichtung inhaltlich hinreichend bestimmt, in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag zu erfüllen und sanktionsbewehrt ist. Eine öffentlich-rechtliche Pflicht wird regelmäßig erst durch einen Rechtsakt (Verwaltungsakt, Verfügung, Abschluss einer verwaltungsrechtlichen Vereinbarung) konkretisiert. Ausnahmsweise kann auch eine sich allein aus gesetzlichen Bestimmungen ergebende Pflicht eine Rückstellung rechtfertigen. Das setzt jedoch einen entsprechend konkreten Gesetzesbefehl voraus. Für den Streitfall verneint der BFH eine hinreichende Konkretisierung der Entsorgungsverpflichtung bereits aufgrund des ElektroG mit dem Hinweis auf die von der "Gemeinsamen Stelle" (hier E) durchzuführenden Berechnungen. Allein das Inverkehrbringen und die Herstellungsmeldung an E genügen nicht. Die bloße gesetzliche Verpflichtung ist wegen der zusätzlich erforderlichen Berechnungen nicht hinreichend konkret.
BFH, Urteil v. 25.1.2017, I R 70/15; veröffentlicht am 24.5.2017.
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