Rückstellungen für nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten?
Hintergrund:
Die Klägerin, ein regionaler Verkehrsdienstleister des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), war Mitglied des Verkehrsverbundes A (A). Im Rahmen von Umstrukturierungen veräußerte die B-GmbH (B) sämtliche Geschäftsanteile an der Regionalverkehr D-GmbH (D) an ein Käuferkonsortium, an der u.a. die Klägerin beteiligt war.
Nach Vollzug des Anteilsverkaufs erwirtschaftete die D einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 26,4 Mio. DM. Ursächlich für diesen erhöhten Fehlbetrag war eine abgeschlossene Betriebsprüfung für die Jahre 1994 bis 1998. Daraus ergaben sich Steuernachforderungen in Höhe von 6,8 Mio. DM.
Um eine drohende Insolvenz der D zu vermeiden, erklärten sich die Gesellschafter bereit, für die Steuernachzahlungen der früheren Jahre die Verlustbeträge anteilig auszugleichen und beschlossen darüber.
Nach Beschlussfassung wies die Klägerin in ihrem Jahresabschluss 2002 den auf sie entfallenden Verlustanteil zuzüglich Zinsen in Höhe von insgesamt 742.600 EUR als Rückstellung aus. Die Rückstellung wurde in der Handels- und Steuerbilanz aufwandswirksam verbucht. Eine außerbilanzielle Korrektur bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens erfolgte nicht. Die Steuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum 2002 war bestandskräftig und verfahrensrechtlich nicht mehr änderbar.
Die Rückstellung hatte sich bis zum Jahre 2006 durch Verzinsung und durch weitere Verluste der D fortentwickelt und belief sich zum 31.12.2006 auf insgesamt 1.074.887 EUR. 2008 hatte die Klägerin als Verlustausgleich für den dargestellten Sachverhalt eine Zahlung von 838.727 EUR geleistet.
Das Finanzamt führte bei der Klägerin für die Jahre 2003 bis 2006 eine Betriebsprüfung durch. Dabei erkannte der Betriebsprüfer die Rückstellung steuerlich nicht an, da es sich bei den von der Klägerin zu leistenden Beträgen um nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der D handele.
Entscheidung:
Das Finanzgericht entschied, dass das Finanzamt zu Recht die Rückstellung für Nachschussverpflichtungen erfolgswirksam aufgelöst habe. Nach § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG dürfen Rückstellungen für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, nicht gebildet werden. Die Vorschrift wird ergänzt von § 52 Abs. 14 EStG. Diese Vorschrift besagt, dass, soweit Rückstellungen für Aufwendungen, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut sind, in der Vergangenheit gebildet worden sind, diese im ersten Veranlagungszeitraum, dessen Veranlagung noch nicht bestandskräftig ist, in vollem Umfang aufzulösen sind. Aus dem Zusammenspiel beider Vorschriften ergebe sich, so die Richter, dass Rückstellungen für Aufwendungen, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut sind, generell nicht gebildet werden dürfen. Soweit sie in der Vergangenheit gebildet worden waren, seien sie nach § 52 Abs. 14 EStG aufzulösen. Die künftige Bildung schließe § 5 Abs. 4b Satz 1 EStG aus.
(FG Köln, Urteil v. 30.3.2012, 10 K 2477/11)
Praxishinweis:
§ 5 Abs. 4b Satz 1 EStG bezieht sich nicht nur auf in künftigen Wirtschaftsjahren zu aktivierende Wirtschaftsgüter, sondern nach seinem eindeutigen Wortlaut auch auf Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind. Dabei differenziert die Vorschrift nicht zwischen erstmaligen oder nachträglichen Anschaffungskosten. Sie gilt deshalb auch für Aufwendungen auf bereits vorhandene Wirtschaftsgüter, die in künftigen Jahren als nachträgliche Anschaffungskosten zu aktivieren sind (BFH, Urteil v. 8.9.2011, IV R 5/09, BStBl 2012 II S. 122, Rz. 42; a.A. Buciek in Blümich, § 5 EStG, Rz. 887). Das Wort „künftig” bezieht sich nur auf „Wirtschaftsjahre”. Die Vorschrift ist nicht zu lesen „künftig zu aktivierende Wirtschaftsgüter”.
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