Steuerberatungskosten und Räumungskosten als Nachlassregelungskosten
Hintergrund: ESt-Erklärungen und Wohnungsräumung durch die Erbin
Die Tochter T ist Alleinerbin ihres in 2013 verstorbenen Vaters V. In ihrer ErbSt-Erklärung machte T u.a. Steuerberatungskosten für die Erstellung berichtigter ESt-Erklärungen (Nacherklärungen in der Schweiz erzielter Kapitalerträge) geltend. Die entsprechenden ESt-Bescheide ergingen in 2013. Daneben erklärte T Kosten für die teilweise in Eigenregie vorgenommene Räumung und Haushaltsauflösung der von V genutzten Eigentumswohnung.
Das FA berücksichtigte bei der ErbSt-Festsetzung weder die Steuerberatungskosten noch die Räumungskosten als Nachlassverbindlichkeiten. Die ESt-Schulden zuzüglich Hinterziehungszinsen wurden angesetzt.
Das FG gab der Klage hinsichtlich der Steuerberatungskosten statt, wies sie jedoch hinsichtlich der Räumungskosten ab. Die Steuerberatungskosten seien Nachlassverbindlichkeiten i.S.v. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG, da die steuerrechtliche Erklärungspflicht des Erblassers auf den Erben übergehe. Die Räumungskosten seien als Kosten der Verwaltung des Nachlasses nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig.
Entscheidung: Die Steuerberatungs- und Räumungskosten betreffen die Regelung des Nachlasses
Sowohl die Steuerberatungs- als auch die Räumungskosten sind als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar. Es handelt sich in beiden Fällen um Nachlassregelungskosten i.S.v. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG.
Weiter Begriff der Nachlassregelung
Der Begriff "Kosten der Regelung des Nachlasses" ist weit auszulegen. Er umfasst die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses einschließlich von Bewertungskosten, aber auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen (BFH v. 6.11.2019, II R 29/16, BStBl II 2020, 505, Rz 17). Wie der in § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG verwendete Begriff "unmittelbar" zeigt, müssen die Kosten in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen (Erwerbsaufwand) und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung (Verwendungsaufwand) des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfallen (BFH v. 6.11.2019, II R 6/17, BStBl II 2020, 509, Rz 22).
Abgrenzung zwischen Nachlassregelungs- und Nachlassverwaltungskosten
Die Abgrenzung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Entscheidend ist, ob der unmittelbare Zusammenhang mit den Abzugstatbeständen des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG besteht. Das Merkmal der Unmittelbarkeit markiert eine inhaltliche Grenze ("Zäsur") zwischen den nachlassspezifischen Kosten auf der einen Seite und denjenigen Kosten auf der anderen Seite, die ihrer Art nach ebenso anfallen können, wenn die Gegenstände sich nicht (oder nicht mehr) in einem Nachlass befinden. In diesem Fall ist der durch das Tatbestandsmerkmal "unmittelbar" gekennzeichnete Veranlassungszusammenhang unterbrochen.
Abgrenzung bei Verfahrenskosten
Bei Verfahrenskosten ist entscheidend, ob Ungewissheit über den Umfang des Nachlasses besteht. Nachlassregelungskosten liegen vor, wenn die Klage eines Erben dazu dient, das Bestehen nachlasszugehöriger Ansprüche des Erblassers und damit den Umfang des Nachlasses zu klären oder die Herausgabe von Nachlassgegenständen durch Dritte zu erwirken. Herrscht dagegen Gewissheit über Umfang und Zusammensetzung des Nachlasses und hat der Erbe die Nachlassgegenstände in Besitz genommen, endet der sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb. Kosten, die dem Erben in der Folgezeit zwecks Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermögens entstehen, sind keine Nachlassverbindlichkeiten (BFH v..11.2019, II R 29/16, BStBl II 2020, 505, Rz 19, sowie BFH v. 6.11.2019, II R 6/17, BStBl II 2020, 509, Rz 23).
Die Steuerberatungskosten sind Nachlassregelungskosten
Hiervon ausgehend sind die Steuerberatungskosten zumindest als Nachlassregelungskosten abziehbar. Diese Kosten dienen dazu, den Umfang der Nachlassverbindlichkeiten (Steuerschulden) zu klären. Der Steuerberater wurde beauftragt, um Steuererklärungen für Steuerverbindlichkeiten abzugeben, die vom Erblasser herrühren und damit dem Grunde nach Nachlassverbindlichkeiten darstellten (BFH v. 4.7.2012, II R 15/11, BStBl II 2012, 790). Der enge zeitliche und sachliche Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen ist gegeben. Es ist unschädlich, dass die Kosten durch einen eigenen Entschluss der T ausgelöst wurden. Der BFH folgt damit nicht den Ländererlassen v. 11.12.2015 (BStBl I 2015, 1028), nach denen Steuerberatungskosten, die im Rahmen der Einkommensteuerpflicht des Erblassers anfallen, insbesondere für die Erstellung der ESt-Erklärung des Erblassers, keine Nachlassregelungskosten oder Kosten zur Erlangung des Erwerbs i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind.
Auch die Räumungskosten sind abziehbar
Es liegen Nachlassregelungskosten vor. Die Auflösung des Haushalts des Erblassers ist darauf gerichtet, mit der persönlichen Habe des Erblassers zweckentsprechend zu verfahren. Es gehört zur tatsächlichen Feststellung des Nachlasses, Gewissheit über die Eigentumsverhältnisse und eventuelle Herausgabeansprüche Dritter zu erlangen sowie für die Einzelteile des Hausrats zu entscheiden, wie damit zu verfahren ist. Die Durchsicht des Hausrats begründet nachlassspezifischen Aufwand. Die Grenze zwischen der Nachlassregelung und der Nachlassverwaltung ist noch nicht überschritten.
Hinweis: Wohnung als Nachlassgegenstand
Die Durchsicht des Nachlasses betrifft noch die Nachlassregelung. Die anschließende Verwertung einzelner Gegenstände fällt unter die Nachlassverwaltung. Anders ist es, wenn Nachlassgegenstand nur die Wohnung (ohne Einrichtung und Hausrat) ist. Dann sind Eigentum und Besitz des Erben geklärt. Die Räumung und das Herrichten der Wohnung zur Nutzung gehören dann zur Verwaltung des Nachlasses. Die Zäsur zwischen Erwerbserlangungskosten und Nachlassverwaltungskosten ist dann überschritten.
BFH Urteil vom 14.10.2020 - II R 30/19 (veröffentlicht am 25.03.2021)
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