Tätigkeit einer gemeinnützigen GmbH zugunsten ihrer Mitglieder
Hintergrund: Medienarbeit für Kirchen
Die A-Kirche und der B-Verein (der die Z-Kirche repräsentiert) gründeten 1998 die gemeinnützige X-gGmbH. Die X sollte nach dem Prinzip einer Nachrichtenagentur mit journalistischen Mitteln den Verkündungsauftrag der Kirche erfüllen. Sie belieferte gegen eine geringe "Schutzgebühr" rund 15 Tageszeitungen (Kunden) mit Meldungen aus dem Leben der Kirche. Im Übrigen wurde der Finanzbedarf der X durch Zuwendungen der kirchlichen Gesellschafter gedeckt. Die Zuwendungen gleichen lediglich die Personal- und Sachkosten der X aus. Ein Gewinn entsteht nicht.
Die X ging davon aus, sie erbringe keine steuerbaren Leistungen, für die die Zuwendungen Entgelt seien, an ihre Gesellschafter (A, B) oder an Dritte. Sie behandelte die Zuwendungen als nicht steuerbare Zuschüsse. Sie erklärte daher (neben geringfügigen Vermietungsumsätzen zum Regelsteuersatz) nur die Leistungen an die Tageszeitungen zum ermäßigten Steuersatz ("Schutzgebühren" der Zeitungen als Entgelt). Die auf ihre Eingangsleistungen entfallende Vorsteuer zog sie in voller Höhe ab.
Das FA nahm dagegen an, die Zuwendungen der Gesellschafter seien Entgelte für steuerpflichtige Medienleistungen der X. Auf diese sei der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Es setzte die USt für die Streitjahre (2011 – 2013) entsprechend höher fest.
Dem folgte das FG und wies die Klage ab. Die Kirchen hätten als Leistungsempfänger durch die Medienarbeit einen konkreten Vorteil für ihre Zuwendungen erlangt. Daher liege ein steuerbarer Leistungsaustausch vor.
Entscheidung: Mögliche Steuerbefreiung nach Unionsrecht
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies den Fall an das FG zurück. Das FG hat nicht geprüft, ob die Umsätze der Klägerin steuerfrei sind. Daneben hält aber auch seine bisherige tatsächliche Würdigung zur Steuerbarkeit einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL
Es könnte sich um steuerfreie Dienstleistungen eines selbständigen Personenzusammenschlusses (gGmbH) an seine gemeinnützigen Mitglieder (A, B) gegen genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten ohne Wettbewerbsverzerrung handeln (Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL).
Ein Personenzusammenschluss i.S. des dürfte vorliegen. Auch Kapitalgesellschaften können Personenzusammenschlüsse in diesem Sinne sein. Entscheidend ist nicht die Rechtsform des Zusammenschlusses, sondern der Umstand, dass er selbständiger Unternehmer ist.
Auch erscheint es nach den tatsächlichen Feststellungen des FG als nicht ausgeschlossen, dass die Leistungen der X i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL an ihre Mitglieder erfolgen, die insoweit nicht Steuerpflichtige sind, als sie den Verkündigungsauftrag der Kirchen erfüllen, und die Leistungen auch i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL deren gemeinsamen Interessen dienen.
Soweit X vorträgt, die Leistung sei i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL nur gegen genaue Erstattung der Kosten erfolgt, erscheint dies nach den Feststellungen des FG zur Finanzierung der X zwar naheliegend, aber nicht völlig zweifelsfrei. Möglich erscheint außerdem, dass eine Steuerbefreiung nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt.
Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL
Möglicherweise handelt es sich um steuerfreie Leistungen einer Einrichtung ohne Gewinnstreben an ihre Mitglieder zu religiösen Zwecken gegen einen satzungsgemäß festgelegten Beitrag. Das FG hat dazu allerdings nicht festgestellt, ob und welche gesonderte Vereinbarung die Gesellschafter – wie im Gesellschaftsvertrag vorgesehen – von den Gesellschaftern getroffen wurde.
Frage der Steuerbarkeit der Leistungen
Ungeklärt ist auch die steuersystematisch vorrangige Frage, ob X tatsächlich steuerbare Leistungen erbracht hat. Nach der Auffassung des EuGH sind die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder durch eine Vereinigung keine der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeiten, da sie nicht in der entgeltlichen Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen bestehen (EuGH "VNLTO" v. 12.02.2009, C-515/07, EU:C:2009:88, Rz 34). Dementsprechend hat der EuGH entschieden, dass Tätigkeiten der Außenwerbung (der Unterorganisation) einer politischen Partei, die die Verbreitung ihrer Anschauungen als politische Organisation bezweckt, nicht als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen sind (EuGH "SPÖ Landesorganisation Kärnten" v. 6.10.2009, C-267/08, EU:C:2009:619). Der BFH hat sich dem angeschlossen (BFH v. 13.12.2018, V R 45/17, BStBl II 2019, 460, Rz 14). Ob diese neuere Rechtsprechung im Streitfall zu einer anderen Beurteilung führt, weil das "allgemeine Interesse der Mitglieder" in der Verbreitung christlicher Wertvorstellungen und ethischer Positionen (als "Branchenerzeugnis") bestehen könnte, hat das FG nicht erörtert und den Streitfall nicht anhand dieser Grundsätze geprüft. Das Urteil ist auch deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen, damit es dies nachholen kann.
Hinweis: Steuerbarer Umsatz bei identifizierbarem Verbraucher
Für den zweiten Rechtsgang vor dem FG gibt der BFH u.a. den Hinweis:
Bei der Prüfung der Frage, ob die Gesellschafter der X einen Vorteil erhalten haben, der zu einem Verbrauch im Sinne des Mehrwertsteuersystems führt, sind die Grundsätze des EuGH-Urteils "Apple and Pear Development Council" v. 8.3.1988, C-102/86 (EU:C:1988:120) zu beachten. Der EuGH verneinte das Vorliegen einer Dienstleistung gegen Entgelt. Er führte dazu aus, die Vorteile, die sich aus den Dienstleistungen ergäben, kämen dem gesamten betroffenen Wirtschaftszweig zugute. Falls einzelne Erzeuger Vorteile hätten, leiteten sie sie (nur) mittelbar aus den Vorteilen ab, die allgemein dem gesamten Wirtschaftszweig erwachsen. Außerdem bestehe keine Beziehung zwischen dem Umfang der Vorteile und der Höhe der Beiträge.
Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL wurde mit Wirkung ab 2020 in das nationale Recht umgesetzt (§ 4 Nr. 29 UStG).
BFH Urteil vom 23.09.2020 - XI R 35/18 (veröffentlicht am 11.03.2021)
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