Teilwertabschreibung auf zum Umlaufvermögen gehörenden Anteilen an offenen Immobilienfonds
Hintergrund: Anteilsrücknahme war am Bilanzstichtag endgültig ausgesetzt
Zu entscheiden war, ob die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung auf zum Umlaufvermögen gehörende Anteile an in Liquidation befindlichen offenen Immobilienfonds vorliegen, bei denen am Bilanzstichtag 31.12.2012 die Anteilsrücknahme endgültig ausgesetzt war.
Abschreibung vom bisher angesetzten Rücknahmepreis auf den sog. Zweitmarktwert
Die Klägerin, eine eingetragene Genossenschaft, ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer Bank. Die Bank hielt in ihrem Betriebsvermögen am Bilanzstichtag 31.12. 2012 Anteile an offenen Immobilienfonds, die sich zum Bilanzstichtag in Liquidation befanden und bei denen die Ausgabe und Rückgabe von Anteilen endgültig ausgesetzt war.
Die Klägerin nahm dies zum Anlass, die Anteile zum 31.12.2012 vom bisher angesetzten Rücknahmepreis auf den sog. Zweitmarktwert abzuschreiben. Der Zweitmarktwert ist der Börsenkurs im Handel mit den Anteilen im Freiverkehr (insbesondere der Hamburger Börse). Da die Ausgabe und Rücknahme der Anteile endgültig ausgesetzt war, war der Handel am Zweitmarkt an der Börse die einzige Möglichkeit, Anteile der betroffenen Fonds zu veräußern oder zu erwerben.
Finanzamt erkennt die Teilwertabschreibung nicht an
Nach Durchführung einer Außenprüfung erkannte das Finanzamt im Körperschaftsteuer-Änderungsbescheid für 2012 die Teilwertabschreibungen auf den Zweitmarktwert in Höhe von 1.001.857,70 EUR nicht an.
Klage vor dem FG hatte keinen Erfolg
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG Münster (Urteil vom 28.10.2016, Az. 9 K 2393/14 K, Haufe-Index 10395991) nahm an, die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung ließen sich nicht feststellen.
BFH gibt der Revision statt
Der BFH hält die Revision der Klägerin für begründet. Entgegen der Auffassung des FG liegen die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung vor.
Bei voraussichtlich dauernder Wertminderung kann der niedrigere Teilwert angesetzt werden
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG sind die nicht in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter - u.a. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens - grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Jedoch kann an Stelle jener Werte der Teilwert angesetzt werden, wenn er aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Das Gesetz sieht insoweit für die Bewertung von Umlaufvermögen keine abweichenden Regelungen vor.
Teilwert von Anteilen im Anlagevermögen ist der Wiederbeschaffungspreis
Da bei der Teilwertermittlung die Sicht eines gedachten Erwerbers des Betriebs einzunehmen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Nr. 1 Satz 3 EStG), ist bei der Ermittlung des Teilwerts von Anteilen an Investmentfonds im Anlagevermögen auf den Ausgabepreis, d.h. auf den Preis, zu dem die Anteilsscheine erworben werden können, abzustellen; denn der Wiederbeschaffungspreis entspricht im allgemeinen dem Börsen- oder Marktpreis am Bilanzstichtag.
Teilwert von Anteilen im Umlaufvermögen ist grundsätzlich der Rücknahmepreis
Der Teilwert von im Umlaufvermögen gehaltenen Anteilen an offenen Immobilienfonds ist jedoch grundsätzlich der Rücknahmepreis. Dies ist Ausprägung des Grundsatzes, dass der Teilwert von zum Absatz bestimmten Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens nicht nur von ihren Wiederbeschaffungskosten, sondern auch von ihrem voraussichtlichen Veräußerungserlös abhängt. Der Einzelveräußerungspreis entspricht dem Preis, den der Steuerpflichtige hätte erzielen können, wenn er das Wirtschaftsgut am Stichtag einzeln ohne Rücksicht auf die Betriebszugehörigkeit veräußert hätte; er wird in der Regel mit dem Verkehrswert gleichgesetzt.
Dieser Betrachtung liegt die Annahme zugrunde, dass Fondsanteile zum Ausgabepreis (als Wiederbeschaffungskosten) von der Fondsgesellschaft erworben bzw. zum Rücknahmepreis (als Einzelveräußerungspreis) an die Fondsgesellschaft zurückgegeben (veräußert) werden können. Diese Möglichkeit kann und wird ein gedachter Erwerber des Betriebs nutzen.
Hinweis: Bei Aussetzung des Anteilserwerbs bzw. der Anteilsrücknahme gelten Besonderheiten
Ist hingegen - wie hier - die Ausgabe von Anteilen durch die Fondsgesellschaft endgültig ausgesetzt, ist für jedermann ein Erwerb von der und eine Rückgabe an die Fondsgesellschaft ausgeschlossen. Ein gedachter Erwerber des Betriebs muss daher für gedachte Erwerbe bzw. Veräußerungen andere Möglichkeiten nutzen. Entsprechend müssen die Wiederbeschaffungskosten bzw. Einzelveräußerungspreise anhand der objektiv zur Verfügung stehenden Erwerbs- bzw. Veräußerungsmöglichkeiten bestimmt werden. Vorliegend sind dies der Erwerb und die Veräußerung an der Börse (Zweitmarkt). Der Veräußerungserlös, den der gedachte Erwerber hätte erzielen können, wenn er das Wirtschaftsgut am Stichtag einzeln ohne Rücksicht auf die Betriebszugehörigkeit veräußert hätte, ist daher der Börsenkurs an einer Börse, an der die Fondsanteile gehandelt werden.
Zurückverweisung an das FG
Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen. Dieses muss noch prüfen, ob die Klägerin die Höhe der Teilwertabschreibungen zutreffend ermittelt hat. Außerdem kann aufgrund der fehlenden tatsächlichen Feststellungen des FG nicht beurteilt werden, ob sich aufgrund von § 8 InvStG a.F. Auswirkungen auf die Höhe der Teilwertabschreibungen ergeben. Auch dies ist nachzuholen.
BFH Urteil vom 13.02.2019 - XI R 41/17 (veröffentlicht am 17.04.2019)
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