Bei börsennotierten Aktien ist eine Teilwertabschreibung grundsätzlich zulässig, wenn der Kursverlust zum Bilanzstichtag 5 % der Notierung im Erwerbszeitpunkt überschreitet. Die Kursentwicklung nach dem Bilanzstichtag ist unerheblich.

Hintergrund

Voraussetzung für die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert ist eine voraussichtlich dauernde Wertminderung. Der BFH hat in einem Grundsatzurteil seine bisherige Rechtsprechung präzisiert und - in Abweichung von der Verwaltungspraxis - Teilwertabschreibungen auf Aktien und Investmentanteile wesentlich erleichtert.

Eine Gesellschaft (A) erwarb 2001 Aktien dreier börsennotierter Aktiengesellschaften. Deren Kurswerte waren zum 31.12.2001 gesunken. Auf der Grundlage dieser Kurswerte nahm A zum 31.12.2001 Teilwertabschreibungen vor, die vom Finanzamt nicht anerkannt wurden. Das Finanzamt bezog sich auf eine Verwaltungsanweisung, nach der eine voraussichtlich dauernde Wertminderung nur dann vorliegt, wenn der Börsenkurs um mehr als 40 %  oder an zwei aufeinander folgenden Bilanzstichtagen um jeweils mehr als 25 % unter die Anschaffungskosten gesunken ist. Das Finanzgericht gab der Klage zum Teil statt. Es ließ für eine Teilwertabschreibung eine Kursdifferenz von mehr als 20 % genügen.

Entscheidung

Der BFH vertritt eine erfreulich großzügigere Auffassung. Bei an der Börse gehandelten Aktien ist typisierend von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung bereits dann auszugehen, wenn der Kurs am Bilanzstichtag unter den Kurs im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gefallen ist und die Kursdifferenz eine Bagatellgrenze von 5 % überschreitet. Nur die Orientierung am Börsenkurs entspricht der objektiven Bewertung und gewährleistet den gleichmäßigen Gesetzesvollzug. Denn der Börsenkurs beruht auf der informationsgestützten Einschätzung der Marktteilnehmer und drückt deren Erwartung aus, dass der Kurs voraussichtlich dauerhaft sein wird. Zur Verfahrensvereinfachung ist es sachgerecht, minimale Wertschwankungen außer Ansatz zu lassen. Der BFH begrenzt die Schwelle geringfügiger Kursverluste - Bagatellgrenze - auf 5 % der Notierung im Erwerbszeitpunkt.

Die neue Faustformel des BFH geht davon aus, dass eine einzelfallbezogene Prüfung der voraussichtlichen Dauer von Kursdifferenzen sowohl die Finanzämter als auch die Steuerpflichtigen überfordern würde. Im Interesse eines möglichst einfachen und gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs ist deshalb von dem grundsätzlich maßgeblichen Börsenkurs zum Bilanzstichtag nur ausnahmsweise abzurücken, z.B. wenn in Fällen eines Insiderhandels oder aufgrund äußerst geringer Handelsumsätze konkrete und objektiv nachprüfbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Börsenkurs aufgrund wesentlicher Störungen im Preisbildungsprozess nicht den tatsächlichen Anteilswert widerspiegelt.

Wichtig ist auch die Klarstellung des BFH, dass Kursänderungen in der Zeit bis zur Bilanzaufstellung nicht als sog. werterhellende Umstände bei der Entscheidung über die Teilwertminderung am Bilanzstichtag berücksichtigt werden dürfen. Denn die Beurteilung der dauernden Wertminderung geht davon aus, dass der jeweilige Börsenkurs die auf Informationen gestützte Einschätzung der Marktteilnehmer wiedergibt (These eines informationseffizienten Kapitalmarkts).

Anmerkung

Die Typisierung entspricht dem Interesse der Steuerpflichtigen und der Verwaltung nach einem raschen und praktikablen Verfahren. Marktanomalien, die den Börsenkurs verfälschen, können berücksichtigt werden. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, hat das Finanzgericht, an das der BFH die Sache im aktuellen Fall zurückverwiesen hat, zu prüfen.

Im gleichen Sinne hat der BFH für die Teilwertabschreibung auf Anteile an einem Investmentfonds entschieden, wenn das Vermögen des Fonds überwiegend aus an der Börse gehandelten Aktien besteht (sog. Aktienfonds; Urteil v. 21.09.2011, I R 7/11).

Urteil v. 21.9.2011, I R 89/10, veröffentlicht am 28.12.2011