Überentnahmen bei einem Altbetrieb
Hintergrund: Entnahmeverlust bei einem "Altbetrieb"
Streitig war, ob eine im Wege vorweggenommener Erbfolge erfolgte Grundstücksübertragung und damit der Übergang vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen eine Überentnahme ausgelöst hat und sich im Rahmen der periodenübergreifenden Ermittlung der Über- und Unterentnahmen auswirkt. Die L-GbR betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb. An der GbR sind L und seine Angehörigen (Ehefrau und 3 Kinder) beteiligt. Zum 1.1.2007 brachte L den Betrieb zum Buchwert in die GbR ein. Im Dezember 2002, also noch zu Zeiten des Einzelunternehmens, übertrug L landwirtschaftliche Flächen des Betriebsvermögens unentgeltlich auf seine Kinder. Die Anschaffungs-/Herstellungskosten der Grundstücke waren mit dem Buchwert von 767.000 EUR (Einlagewert nach § 55 Abs. 5 EStG = beantragter höherer Teilwert) ausgewiesen. Der Verkehrswert betrug im Zeitpunkt der Übertragung 609.000 EUR. Somit ergab sich ein Entnahmeverlust von 158.000 EUR.
Das FA ermittelte bei dem Einzelunternehmen für die Vorjahre (2002/2003 bis 2005/2006, Rumpfwirtschaftsjahr 1.7 bis 31.12.2006) nicht abzugsfähige Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG. Bei der Ermittlung der Überentnahmen für 2002/2003 wertete es die unentgeltlichen Grundstücksübertragungen an die Kinder als Entnahme und berücksichtigte diese mit dem Teilwert. Bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen für das Rumpfwirtschaftsjahr 1.1. bis 30.6.2007 und für die Wirtschaftsjahre 2007/2008 und 2008/2009 ging das FA davon aus, die im Einzelunternehmen ermittelten Überentnahmen zum 31.12.2006 seien aufgrund der Einbringung des Betriebs von L fortzuführen und bei diesem im Rahmen der gesellschafterbezogenen Ermittlung der Überentnahmen zu berücksichtigen. Den Hinzurechnungsbetrag rechnete das FA dem L zu. Das FG gab der gegen die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide 2007, 2008 gerichteten Klage mit der Begründung statt, die unentgeltliche Übertragung sei zwar eine Entnahme. Diese sei jedoch bei der Ermittlung der Überentnahmen nicht zu berücksichtigen. Die Entnahme eines vor 1999 eingelegten Wirtschaftsguts sei nur insoweit anzusetzen, als dadurch stille Reserven aufgedeckt würden.
Entscheidung: Allgemeiner Entnahmebegriff
Der BFH widerspricht dem FG. Da § 4 Abs. 4a EStG keine besondere Definition enthält, bestimmt sich der Begriff der Entnahme nach § 4 Abs. 1 EStG. Danach stellt grundsätzlich jede Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem betrieblichen Bereich in den privaten Bereich eine Entnahme dar. Eine Einschränkung dahingehend, dass nur die Entnahme von Liquidität gemeint sei, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Grundstücksübertragung an die Kinder stellt sich damit als Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 4a EStG dar. Denn sie sind aus dem Betriebsvermögen des früheren Einzelunternehmens des L zunächst in dessen Privatvermögen und sodann in das Privat- oder Betriebsvermögen der Kinder überführt worden. Der Entnahmewert war in Höhe des Teilwerts anzusetzen. Eine Beschränkung der Entnahme i.S. v. § 4 Abs. 4a EStG auf den "Entnahmegewinn" im Wege einer teleologischen Auslegung ist angesichts der Anknüpfung an die Legaldefinition der Entnahme in § 4 Abs. 1 EStG und des eindeutigen Wortlauts ausgeschlossen.
Keine Ungleichbehandlung
Aus der Anwendungsvorschrift (§ 52 Abs. 6 Sätze 5 - 7 EStG; vorher: Abs. 11 Sätze 1 - 3) ergibt sich kein anderes Ergebnis. Diese Vorschrift enthält für Betriebe, die vor dem 1.1.1999 eröffnet wurden (sog. Altbetriebe), eine Sonderregelung. Bei Betriebsaufgabe sind bei der Überführung aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen die Buchwerte nicht als Entnahme anzusetzen. Bei Betriebsveräußerung ist nur der Veräußerungsgewinn zu berücksichtigen. Die Regelung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass die Überführung von Wirtschaftsgütern, die vor dem 1.1.1999 in den bereits vor diesem Zeitpunkt bestehenden Betrieb eingelegt wurden, nur in Höhe eines entstandenen Entnahmegewinns in die Berechnung der Überentnahmen einzubeziehen sei. Der BFH lehnt eine erweiternde Auslegung der Anwendungsvorschrift im Wege einer Analogie ab. Der BFH sieht darin auch keinen Gleichheitsverstoß. Eine Ungleichbehandlung liegt nicht darin, dass laufende Betriebe gegenüber beendeten Betrieben benachteiligt werden, weil Entnahmen der vor dem 1.1.1999 eingelegten Wirtschaftsgüter bei einem laufenden Betrieb nicht in die Ausnahmeregelung einbezogen werden. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Gesetz eine Entnahmebegünstigung nur für den aufgegebenen bzw. veräußerten Betrieb vorsieht. Denn dem Gesetzgeber steht bei der Auswahl des Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes ein weitreichender Entscheidungsspielraum zu.
Hinweis: Keine analoge Gesetzesanwendung
Es hätte durchaus nahegelegen, die Ausnahmeregelung (§ 52 Abs. 11 EStG; jetzt Abs. 6) auch auf die Entnahmen von Wirtschaftsgütern zu erstrecken, die bereits vor dem 1.1.1999 in den Betrieb eingelegt wurden. Gleichwohl ist eine über den Wortlaut hinausgehende Ausdehnung im Wege der Analogie ausgeschlossen. Es ist zwar Aufgabe der Gerichte, ungewollte Unvollständigkeiten des Gesetzes durch Schließung der Lücken zu beheben. Voraussetzung ist aber das Vorliegen einer "planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes". Das läge hier nur dann vor, wenn festgestellt werden könnte, dass die Erstreckung der Ausnahmeregelung auf Entnahmen der vor dem 1.1.1999 eingelegten Wirtschaftsgüter bei einem Altbetrieb versehentlich unterblieben ist. Dafür sieht der BFH keine Anhaltspunkte. Denn aus der Gesetzesbegründung folgt unmissverständlich, dass der Gesetzgeber die Benachteiligung der Altbetriebe nur in den Fällen der Betriebsaufgabe und der Betriebsveräußerung beseitigen wollte (
BT-Drucks. 14/6877, S. 28).
BFH, Urteil v. 24.11.2016, IV R 46/13, veröffentlicht am 25.1.2017
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