Berechnungsmethode zur Überprüfung einer doppelten Besteuerung von Altersrenten
Hintergrund: Nachweis der doppelten Besteuerung einer Rente
Die frühere Angestellte A wurde im April 2018 64 Jahre alt und bezieht seit August 2018 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Das FA besteuerte die Rente für 2019 in der Weise, dass er vom Jahresbetrag (31.944 EUR) den nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG steuerfreien Teil der Rente (7.667 EUR = 24 %) und den Werbungskosten-Pauschbetrag (102 EUR) abzog.
Mit ihrem AdV-Antrag (gegen den ESt-Bescheid 2019 und den Vorauszahlungsbescheid für die Folgejahre) machte A die doppelte Besteuerung ihrer Rente geltend. Die von ihr erdienten Renten-Entgeltpunkte beruhten zu 43,17 % auf versteuerten Beiträgen. Dieser Wert übersteige die gesetzlich angeordnete Steuerfreistellung ihrer Rentenzuflüsse von 24 % um 19,17 %. Das FG wies den Antrag ab.
Entscheidung: Der BFH hält an seiner bisherigen Berechnungsmethode fest
Wie das FG verneint auch der BFH ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Die Beschwerde wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Anerkannte Rechtsprechungsgrundsätze
Nach der BFH-Rechtsprechung liegt eine unzulässige doppelte Besteuerung vor, wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen (zuletzt BFH v. 19.5.2021, X R 33/19, BFH/NV 2021, 992, Rz 22, und X R 20/19, BFH/NV 2021, 980, Rz 48).
Die Summe der steuerunbelastet zufließenden (voraussichtlichen) Rentenbezüge ist so zu berechnen, dass der steuerfreie Teil der Rente (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG) mit der durchschnittlichen statistischen Lebenserwartung des Steuerpflichtigen nach der im Zeitpunkt des Renteneintritts letztverfügbaren Sterbetafel multipliziert wird (BFH in BFH/NV 2021, 992, Rz 22, und in BFH/NV 2021, 980, Rz 48). Dies zugrunde gelegt, greifen die rechtlichen Einwendungen der A nicht durch.
Nominalwertprinzip
Der BFH bekräftigt, dass es nicht zu beanstanden ist, reale oder nominelle Wertsteigerungen der Rentenbeiträge erstmals steuerlich zu erfassen (BFH in BFH/NV 2021, 992, Rz 24 ff. und 29). Das gilt nicht nur für die endgültige Ausgestaltung der nachgelagerten Besteuerung, sondern auch für die Übergangsregelung (BVerfG v. 30.9.2015, 2 BvR 1066/10, HFR 2016, 72, Rz 56).
Keine andere Berechnungsmethode
Die von der A befürwortete alternative Berechnung doppelten Besteuerung anhand eines Vergleichs des relativen Anteils von aus versteuerten Beiträgen erdienten Renten-Entgeltpunkten (§ 63 Abs. 2 SGB VI) und dem gesetzlichen Steuerfreistellungsanteil der Rente überzeugt nicht.
Dagegen spricht schon, dass der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nur an die Beiträge, nicht aber an den Umrechnungswert gemäß § 63 Abs. 2 SGB VI anknüpft. Die Abhängigkeit des Rentenanspruchs von der Höhe der Beitragsleistungen wird durch die Berechnung der Entgeltpunkte (Arbeitsverdienst des Einzelnen im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen) nicht grundsätzlich in Frage gestellt.
Keine rein statische Verhältnisrechnung
Die Berechnung der A geht davon aus, dass jede Rentenzahlung in einen steuerpflichtigen und in einen steuerfreien Anteil zerfällt und daher in dem Umfang doppelt besteuert wird, in dem die steuerfreie Quote unter derjenigen der aus versteuerten Beiträgen erdienten Renten-Entgeltpunkte bleibt (nach den Berechnungen der A in ihrem Fall 24 % : 43,17 %). Dabei wird nicht beachtet, dass das Konzept der nachgelagerten Besteuerung dem Grunde nach sämtliche Rentenzuflüsse in der Auszahlungsphase als steuerbar qualifiziert. Die anteilige Steuerbefreiung in der Übergangsphase berücksichtigt lediglich, dass nur ein betragsmäßig begrenzter Sonderausgabenabzug in Anspruch genommen werden konnte.
Darüber hinaus wäre es verfehlt, eine etwaige doppelte Besteuerung anhand einer rein statischen Verhältnisrechnung zu bestimmen. Diese Berechnung nimmt die statistisch wahrscheinliche Rentenbezugsdauer nicht in den Blick und kann daher keine prognostische Aussage dazu treffen, ob die laufzeitabhängige Höhe der steuerfreien Rentenzuflüsse die steuerbelasteten Beiträge kompensieren kann.
Grenzsteuerbelastung unerheblich
Entgegen der Auffassung der A ist bei der Vergleichs- und Prognoseberechnung die jeweilige "Grenzsteuerbelastung" in der Einzahlungs- und Auszahlungsphase nicht zu berücksichtigen. Dieser Gesichtspunkt ist der bisherigen Rechtsprechung nicht zu entnehmen.
Arbeitgeberbeiträge
Abschließend geklärt ist, dass die Arbeitgeberbeiträge nicht in die Vergleichs- und Prognoseberechnung einzubeziehen sind. Dies folgt bereits daraus, dass diese Beiträge aus Sicht des rentenberechtigten Steuerpflichtigen gemäß § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei geleistet wurden. Eine hierauf beruhende doppelte Besteuerung kann sich somit nicht ergeben (BFH v. 06.04.2016, X R 2/15, BStBl II 2016, 733, Rz 55).
Höhere Lebenserwartung von Frauen
A beanstandet, die statistisch höhere Lebenserwartung von Frauen führe zu einer höheren Steuerlast und begründe eine Ungleichbehandlung. Diese Betrachtung blendet jedoch ein wesentliches Differenzierungskriterium, nämlich die statistisch zu beurteilende Rentenbezugsdauer, aus.
Hinweis: Festhalten an der bisherigen Berechnungsmethode
Der BFH bekräftigt seine in den Grundsatzurteilen v. 19.5.2021, X R 33/19 (BFH/NV 2021, 992, und X R 20/19 (BFH/NV 2021, 980) entwickelte Berechnungsmethode. Ergänzend bemerkt der BFH, im Streitfall könne dahinstehen, ob A das für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Norm erforderliche besondere berechtigte Interesse dargelegt hat (BFH v. 15.6.2016, II B 91/15, BStBl II 2016, 846, Rz 10). Denn es fehlt bereits an ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
BFH Beschluss vom 24.08.2021 - X B 53/21 (AdV) (veröffentlicht am 21.10.2021)
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