Umsätze aus einem Stundenhotel sind nicht umsatzsteuerpflichtig
Hintergrund
Der Streit ging um die umsatzsteuerrechtliche Behandlung eines Stundenhotels, wobei folgende Lösungen diskutiert wurden:
- dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegende sonstige Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 9 UStG)
- mit 7 % ermäßigt besteuerte Wohn-/Schlafräume zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG) oder
- umsatzsteuerfreie Grundstücksvermietung (§ 4 Nr. 12 Buchst a UStG)
X betrieb ein Hotel in einem Sperrbezirk von Hamburg. Sie war der Auffassung, dass sie zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (kurzfristige Beherbergung) berechtigt sei. Dem widersprach das FA und wandte den Regelsteuersatz an. Es ging davon aus, fast sämtliche Umsätze (99 %) resultierten aus dem Betrieb als Stundenhotel. Damit liege zum einen keine steuerfreie Vermietung von Grundstücken vor, da nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit sexueller Dienstleistungen im Vordergrund stehe. Zum anderen handele es sich wegen der fehlenden Nutzung zur Übernachtung auch nicht um eine ermäßigt zu besteuernde kurzfristige Beherbergung von Fremden. Es handele sich vielmehr um eine mit 19 % zu besteuernde sonstige Leistung.
So sah es auch das FG und wies die Klage im Streitpunkt ab. Es gab X lediglich zu einem kleinen Teil insoweit Recht, als es den Anteil der nicht ermäßigt zu besteuernden Stundenumsätze mit lediglich 90 % der Gesamtumsätze annahm.
Entscheidung
Der BFH geht - entgegen der Auffassung des FA und des FG - davon aus, dass steuerfreie Vermietungsleistungen i. S. von § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG vorliegen. Wesentliches Merkmal der steuerfreien Vermietung ist, dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit das Recht einzuräumen, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Das trifft auf die Überlassung von Hotelräumen unabhängig von der Nutzungsdauer zu. Von einer andersartigen Leistung geht der BFH lediglich bei der Vermietung in einem "Bordell" aus, wenn bei der Überlassung möblierter Zimmer an Prostituierte zusätzliche Leistungen der Gesamtleistung ein anderes Gepräge als einer Vermietung geben (BFH v. 17.12.2014, XI R 16/11, BStBl II 2015, 427).
Bei den halbstündig oder stundenweise vermieteten Hotelzimmern handelte es sich auch nicht um Wohn- oder Schlafräume, die zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereitgehalten wurden. Es fehlt es an einer Beherbergung. Denn der Vermieter gewährt nicht Unterkunft (Beherbergung), sondern stellt Räume zur Verfügung, um dem Mieter zu ermöglichen, darin sexuelle Handlungen vorzunehmen. Dafür, dass das hier so ist, spricht die halbstündliche oder stündliche Vermietung und die Umgebung in unmittelbarer Nähe zahlreicher Betriebe der Erotikbranche. Ein anderer Nutzungszweck als die Erbringung oder der Empfang sexueller Dienstleistungen ist nicht vorstellbar.
Die Revision war somit erfolgreich. Es liegen weder dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistungen noch ermäßigt zu besteuernde Beherbergungen vor, sondern insgesamt steuerfreie Vermietungsleistungen. Wegen des sich hieraus ergebenden Ausschlusses vom Vorsteuerabzug wurde die Sache zur weiteren Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
Der BFH ergänzt, dass X den Vorsteuerabzug nicht durch eine Option zur Regelbesteuerung erhalten kann. Denn die Mieter haben die stundenweise überlassenen Hotelzimmer nicht für ihr Unternehmen und auch nicht für Zwecke verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (§ 9 Abs. 2 UStG).
Anders ist es nur, wenn "Erotikzimmer" an Prostituierte zur Ausübung gewerblicher Tätigkeiten überlassen und die Vermietungselemente durch weitere Dienstleistungselemente überlagert werden, sodass aus der Sicht des Leistungsempfängers nicht die Grundstücksnutzung, sondern die Möglichkeit der Prostitution im Vordergrund steht. Solche sonstige Dienstleistungen können in der Bereitstellung einer Organisation, die der Prostitution dient, bestehen, z. B. Sicherheitseinrichtungen, Verpflegung, Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit Freiern usw. (BFH v. 17.12.2014, XI R 16/11, BStBl II 2014, 427). Der BFH zieht eine Parallele zur kurzfristigen Überlassung eines Golfplatzes, wenn zusätzliche Aktivitäten wie Aufsicht, Verwaltung, Unterhaltung und Zurverfügungstellung anderer Anlagen hinzutreten, die der Grundstücksüberlassung ein anderes Gepräge geben.
Die Entscheidung eröffnet für die Praxis unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten, die insbesondere auch hinsichtlich des Vorsteuerabzugs abgewogen werden müssen.
BFH, Urteil v. 24.9.2015, V R 30/14, veröffentlicht am 11.11.2015
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