Umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Pkw-Lieferungen an "Scheinunternehmer"
An einer eindeutigen und leichten Nachprüfbarkeit im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 2 UStDV fehlt es, wenn mit den vorgelegten Belegen der Anschein einer Abhollieferung erzeugt wird, tatsächlich aber eine Versendungslieferung durchgeführt wurde und insoweit aber z.B. ein CMR-Frachtbrief nicht vorliegt.
Innergemeinschaftliche Lieferung von Pkw
Nach einer multilateralen Prüfung versagte das Finanzamt der Klägerin die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung von drei Pkw nach § 6a UStG an Abnehmer mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.). Nach Auffassung des Finanzamts liegen die Voraussetzungen des Buch- und Belegnachweises nicht vor. Auch sei eine Berufung auf den Gutglaubensschutz nicht möglich, da die Klägerin nicht gutgläubig gehandelt habe.
Kein ausreichender Nachweis
Bei Prüfungsbeginn habe weder eine Empfangsbestätigung des Abnehmers, eine Versicherung des Abnehmers den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern noch eine Vollmacht zur Abholung vorgelegen. Die nachgereichten Unterlagen seien nachträglich erstellt worden. Auch fehle die Angabe des jeweiligen Monats des Erhalts der drei Pkw. Des Weiteren handele es sich bei dem Abnehmer Firma N s.r.o. um eine Scheinfirm, die nicht der tatsächliche Abnehmer der betreffenden Fahrzeuge gewesen sei; der Buchnachweis sei insoweit falsch.
Pkw-Lieferungen waren nicht steuerfrei
Nach Auffassung des FG hat das Finanzamt die drei Pkw-Lieferungen zu Recht als nicht steuerfrei angesehen, da ein ordnungsgemäßer Belegnachweis fehlt. Die Klägerin belegte zuerst durch eine – im Streitjahr 2010 noch zulässige – sog. "Verbringensbestätigung" eine sog. Abhollieferung. Im FG-Verfahren belegte die Klägerin jedoch eine sog. Versendungslieferung in die Slowakei durch die "Spedition K". Somit liegt keine Abhollieferung, sondern eine Versendungslieferung vor. Jedoch fehlt der im Versendungsfall erforderliche Gelangensnachweis durch einen Beleg (Frachtbrief) entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV. Die vorliegenden "Verbringensbestätigungen" sind nicht als „Ersatzbelege” heranziehbar, weil ihr Aussagegehalt – die Bestätigung der Verbringung der Fahrzeuge in einen anderen Mitgliedstaat – ein ganz anderer ist. Im Streitfall hat die Klägerin auch nicht vorgetragen, dass es nicht zumutbar war, den oben genannten Nachweis zu führen. Üblicherweise erstellen Spedition ein CMR-Frachtbrief.
Anforderungen an die Steuerfreiheit nach § 6a UStG
Auch der Person des Abnehmers kommt für die Steuerfreiheit nach § 6a UStG entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb „ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang” sind. Dieser bezweckt, die „Steuereinnahmen auf den Erwerber des Bestimmungsmitgliedstaats“ zu verlagern. Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des Lieferers die Person des Abnehmers (Erwerbers) dieser Lieferung bekannt ist (vgl. BFH, Urteil v. 17.2.2011, V R 28/10, BFH/NV 2011 S. 1448).
Rechnungsabnehmer ist Scheinfirma
Die BFH-Rechtsprechung zur Briefkastenanschrift beim Vorsteuerabzug ist nicht auf den Empfänger einer innergemeinschaftlichen Lieferung übertragbar, wenn es sich bei diesem um ein Scheinunternehmen handelt.
Die Lieferung von PKW ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn der Lieferer sich zwar die Richtigkeit der USt-IdNr. des Abnehmers vom Bundeszentralamt für Steuern hat bestätigen lassen, es sich aber bei dem Abnehmer – wie hier – um eine Scheinfirma handelt. Das Bestätigungsverfahren stellt keinen Nachweis dafür dar, dass es sich bei der Firma N s.r.o. tatsächlich um einen Unternehmer i.S. von § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UStG gehandelt hat.
Vorliegend spricht für das Vorliegen eines Scheinunternehmens, dass es sich unter anderem bei der angegebenen Anschrift lediglich um die Anschrift eines Buchhaltungsbüros handelte, der Abnehmer an seiner Adresse über keinen aktiven Telefon- oder Faxanschluss und über keinen Lagerplatz für Fahrzeuge verfügte, der alleinige Geschäftsführer und Gesellschafter in einem anderen EU-Staat wohnhaft war, aus dem Briefkopf des Abnehmers erkennbar war, dass er an seinem angegebenen Sitz keine Geschäftstätigkeit ausübte, da dort nur eine Telefon- und Faxverbindung in einem anderen EU-Staat angegeben war und dass der Geschäftsführer des Lieferers keinen persönlichen, schriftlichen oder telefonischen Kontakt mit dem Geschäftsführer des Abnehmers hatte.
Im Streitfall hat die Klägerin formal zwar den – entkräfteten – Buchnachweis, nicht aber auch den Belegnachweis in der erforderlichen Art erbracht, da die Belege gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStDV entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV fehlen und auch nicht „eindeutig und leicht nachprüfbar” nachgewiesen wurde, dass die Vorlage dieser Belege für die Klägerin "nicht möglich oder nicht zumutbar war2. Ein Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG kommt nicht in Betracht, da die Klägerin die Unrichtigkeit der Angaben der N s.r.o. bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte erkennen können (insoweit führt das FG verschiedene Gründe an). Die Klägerin hätte hier bei Beachtung dieses Sorgfaltsmaßstabes erkennen können, dass es sich bei der N s.r.o. um eine in der Slowakei wirtschaftlich nicht tätige und deshalb nicht zur Erwerbsbesteuerung verpflichtete Scheinfirma handelt.
Revision beim BFH
Abzuwarten bleibt die Revisionsentscheidung des BFH (Rev. eingelegt, Az. beim BFH V R 26/18). In der Praxis ist stets auf die Vollständigkeit des Gelangensnachweises nach der Art der Warenbewegung (Befördern oder Versenden) zu achten. Auch sollte bezüglich der Person des Abnehmers/Rechnungsempfängers im Zweifelsfall eine Identitätsüberprüfung erfolgen (vor Auslieferung).
FG München, Urteil v. 10.10.2018, 3 K 1983/17, Haufe Index 13014089
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