USt-Befreiung für die Verwaltung von Sondervermögen setzt Ähnlichkeit mit OGAW voraus
Ähnlich sind Fonds, die gleiche Merkmale aufweisen wie OGAW und vergleichbare Umsätze tätigen oder diesen zumindest soweit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen. Das setzt zumindest voraussetzt, dass das nationale Recht eine besondere staatliche Aufsicht vorsieht.
Hintergrund: Verwaltung von Fondsgesellschaften
Streitig war, ob die von einer Vermögen verwaltenden AG ausgeführten Verwaltungsumsätze nach der 6. EG-Richtlinie (RL 77/388/EWG) umsatzsteuerbefreit sind. Die AG initiierte in 1996 die Gründung von Fondsgesellschaften in der Rechtsform der GbR und übernahm deren Verwaltung (An- und Verkäufe von Wertpapieren und Optionen, Konvertierung und Umtausch von Wertpapieren, Ausübung von Bezugsrechten usw.). Das FA unterwarf die Verwaltungsumsätze der AG für 1998 bis 2004 der Regelbesteuerung.
Das FG gab der Klage statt. Zwar seien die Voraussetzungen der USt-Befreiung nach nationalem Recht (§ 4 Nr. 8 Buchst. h UStG a.F.) nicht gegeben. Die innerstaatliche Steuerbefreiung erfasse lediglich Kapitalanlagegesellschaften, bei denen die Einlagen und die damit erworbenen Vermögensgegenstände ein Sondervermögen bildeten. Unternehmensgegenstand der AG sei indes zwar die Verwaltung eigenen und fremden Vermögens, jedoch nicht durch die Bildung eines Sondervermögens (i.S. des KAGG bzw. InvStG), in dem das bei der AG angelegte Geld von ihrem Gesellschaftsvermögen getrennt in Wertpapiere angelegt wird.
Allerdings könne sich die AG unmittelbar auf die weiter gefasste Regelung in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-Richtlinie berufen. Die an die Fondsgesellschaften erbrachten Leistungen seien eine "Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften" i.S. der 6. EG-Richtlinie.
Entscheidung: Keine USt-Befreiung nach Unionsrecht
Der BFH widerspricht der Anwendung der 6. EG-Richtlinie durch das FG. Der unionsrechtliche Begriff des Sondervermögens ist nicht erfüllt. Die Revision des FA war damit begründet und die Klage wurde abgewiesen.
Sondervermögen sind OGAW oder OGAW-ähnliche Fonds
"Sondervermögen" i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-Richtlinie sind Fonds, die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Sinne der OGAW-Richtlinie (RL 85/611 EWG, geändert in 2002 durch die Richtlinie 2001/108/EG) darstellen. Außerdem sind als Sondervermögen i.S. der 6. EG-Richtlinie auch Fonds anzusehen, die zwar keine OGAW im Sinne der OGAW-Richtlinie sind, jedoch gleiche Merkmale wie diese aufweisen und vergleichbare Umsätze tätigen oder diesen zumindest so weit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen (EuGH-Urteil Fiscale Eenheid X v. 9.12.2015, EU:C:2015:001, BB 2016, 31).
Die AG ist kein OGAW
Nach diesen Grundsätzen sind die AG oder die GbR-Fonds keine OGAW. Die AG ist schon deshalb kein OGAW, weil ihr ausschließlicher Zweck nicht auf die Anlage beim Publikum beschaffter Gelder gerichtet ist. Ihr Unternehmensgegenstand ist vielmehr "u.a. die Verwaltung eigenen und fremden Vermögens".
Auch die GbR-Fonds sind keine OGAW
Allerdings können auch Leistungen bei der administrativen und buchhalterischen Verwaltung der Vermögen durch einen außenstehenden Verwalter als Verwaltung von Sondervermögen steuerfrei sein, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften spezifisch und wesentlich sind. Das würde aber voraussetzen, dass die GbR als OGAW anzusehen sind. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn die GbR haben für die Ausübung ihrer Tätigkeit weder einer Zulassung bedurft (Art. 4 Abs. 1 OGAW-Richtlinie) noch haben die zuständigen Stellen der Verwaltungsgesellschaft die Zulassung erteilt, die Vertragsbedingungen genehmigt oder der Wahl der Verwahrstelle zugestimmt (Art. 4 Abs. 2 OGAW-Richtlinie). Das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sieht dies nicht vor. Darüber hinaus scheidet die Annahme von OGAW auch aus, weil die Gesellschafter ihr gemeinsames Konto und Depot bei einem Broker in den USA statt in einem Mitgliedstaat unterhalten haben (Art. 7 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 OGAW-Richtlinie).
Keine OGAW-Ähnlichkeit mangels staatlicher Aufsicht
Die AG und die GbR sind auch keine OGAW-ähnlichen Fonds. Das würde voraussetzen, dass sie gleiche Merkmale aufweisen wie diese und vergleichbare Umsätze tätigen oder diesen zumindest soweit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen. Das setzt aber zumindest voraus, dass das nationale Recht eine besondere staatliche Aufsicht für ein solches Vermögen vorsieht (EuGH-Urteil Fiscale Eenheid X v. 9.12.2015, EU:C:2015:001, BB 2016, 31). Die GbR unterliegen zwar der allgemeinen Aufsicht durch das Bundesamt für Wertpapierhandel (BAWe, bis 30.04.2002) bzw. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin, ab 01.05.2002). Das reicht für die besondere Aufsicht i.S. des EuGH-Urteils Fiscale Eenheid X (EU:C:2015:801) aber nicht aus.
Hinweis: Neufassung ab 2018
Die Entscheidung ist zur Gesetzesfassung vor 2018 ergangen. Durch das Investmentsteuerreformgesetz (InvStRefG) v. 19.7.2016 (BGBl I 2016, 1730) wurde § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG mit Wirkung ab 2018 neu gefasst. Die USt-Befreiung wurde punktuell erweitert auf bestimmte nach dem KAGB regulierte Fonds unter Umsetzung des EuGH-Urteils Fiscale Eenheid X v. 9.12.2015, EU:C:2015:001 (BB 2016, 31). Außerdem handelt es sich bei der Neufassung um eine Folgeänderung aufgrund der Neufassung des InvStG. Wegen der Ausweitung des Anwendungsbereichs des InvStG konnte nicht mehr – wie bisher – auf das gesamte InvStG verwiesen werden. Steuerbefreit ist nach dem geänderten Wortlaut ab 2018 die Verwaltung von OGAW i.S. des § 1 Abs. 2 KAGB und die Verwaltung von Alternativen Investmentfonds (AIF) i.S. des § 1 Abs. 2 KAGB, die mit den OGAW vergleichbar sind. Zur Vergleichbarkeit sind in dem BMF-Schreiben v. 13.12.2017, BStBl I 2018, 72, bzw. Abschn. 4.8.13 Abs. 8 UStAE Kriterien aufgeführt. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-Richtlinie wurde ab 2007 durch Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL abgelöst.
BFH Urteil vom 05.09.2019 - V R 2/16 (veröffentlicht am 21.11.2019)
-
Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nach § 268 AO ist unwiderruflich
6765
-
Vermietung an den Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
675
-
Abschreibung für eine Produktionshalle
674
-
Abzug von Fahrtkosten zur Kinderbetreuung
512
-
Berechnung der Zehn-Jahres-Frist bei sanierungsrechtlicher Genehmigung
472
-
Vorsteuerabzug bei Betriebsveranstaltungen
454
-
Sonderausgabenabzug für einbehaltene Kirchensteuer auf Kapitalerträge aus anderen Einkunftsarten
444
-
Anschrift in Rechnungen
429
-
Neue Grundsteuer B in Baden-Württemberg ist verfassungsmäßig
421
-
Teil 1 - Grundsätze
412
-
Verfassungsmäßigkeit des grundsteuerlichen Bewertungsrechts im Bundesmodell
20.12.2024
-
Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Werbeaufwendungen
19.12.2024
-
Alle am 18.12.2024 veröffentlichten Entscheidungen
19.12.2024
-
Zuordnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen
18.12.2024
-
Verluste im Rahmen eines Steuerstundungsmodells nach § 15b EStG
18.12.2024
-
Verurteilung zweier Angeklagter wegen Steuerhinterziehung durch Cum-Ex-Geschäfte
18.12.2024
-
Innerorganschaftliche Zinsaufwendungen für den Erwerb einer Beteiligung
18.12.2024
-
Minderung der Miete durch Zeichnung von Genossenschaftsanteilen
16.12.2024
-
Kosten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft
16.12.2024
-
Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Personengesellschaft
16.12.2024