Veräußerung eines teilweise privat genutzten PKW
Hintergrund: Abgabe eines voll abgeschriebenen PKW
X hatte in 2008 einen PKW angeschafft, den er bis 2013 zu 25% für seine freiberufliche Tätigkeit und zu 75% für private Zwecke nutzte. Das FA anerkannte antragsgemäß AfA bei einer fünfjährigen Nutzungsdauer, so dass der PKW bis zum Abgang aus dem Betriebsvermögen in 2013 vollständig abgeschrieben war. Für die private Verwendung setzte das FA eine Nutzungsentnahme in Höhe von 75% der entstandenen Aufwendungen (einschließlich AfA) an.
In 2013 schaffte X einen neuen PKW an und gab den bis dahin genutzten (abgeschriebenen) PKW in Zahlung. Ausgehend von dem betrieblichen Nutzungsanteil setzte er aber nur ein Viertel des Veräußerungspreises als Betriebseinnahme an. Das FA berücksichtigte dagegen den gesamten Betrag. Dem folgte das FG. Der PKW habe zu 100% zum (gewillkürten) Betriebsvermögen gehört. Folglich stelle der gesamte Veräußerungserlös eine Betriebseinnahme dar.
Entscheidung: Keine Minderung des Veräußerungsgewinns
Der BFH wies die Revision zurück. Der Veräußerungserlös ist trotz der jährlichen Nutzungsentnahme (einschließlich AfA) von 75% weder anteilig zu kürzen noch ist eine Gewinnkorrektur in Höhe der auf die Privatnutzung entfallenden AfA möglich.
Der Veräußerungserlös ist Betriebseinnahme
Der in Zahlung gegebene PKW stellte gewillkürtes Betriebsvermögen des X dar. Er hatte ihn in den Anlageverzeichnissen eindeutig zugeordnet. In der Inzahlunggabe liegt eine steuerbare Veräußerung. Die Betriebseinnahme ist mit dem gemeinen Wert des hingegebenen PKW, der dem vereinbarten Anrechnungsbetrag entsprach, anzusetzen.
Die Nutzungsentnahme berücksichtigt auch die AfA
Die private Nutzung eines Wirtschafsguts führt zu einer Nutzungsentnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG). Dabei wird nicht der Wert der privaten Nutzung, sondern der durch sie verursachte Aufwand als entnommen angesehen (BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl II 1988, 348). Die Nutzungsentnahme ist deshalb mit den tatsächlichen Selbstkosten zu bewerten. Dazu gehören die buchmäßigen Gesamtaufwendungen einschließlich der AfA in tatsächlich in Anspruch genommener Höhe (BFH v. 23.1.2001, VIII R 48/98, BStBl II 2001, 395). Das gilt entsprechend bei der Einnahmenüberschussrechnung und führt zu einer fiktiven Betriebseinnahme.
Keine Gewinnminderung um die auf die Privatnutzung entfallende AfA
Der Grund dafür liegt darin, dass die Besteuerung der Privatnutzung in Form der Nutzungsentnahme einerseits und die spätere Veräußerung des Wirtschaftsguts andererseits unterschiedliche Vorgänge betreffen, die getrennt zu betrachten sind. Die Besteuerung der Nutzungsentnahme unter Berücksichtigung der AfA steht in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Bemessung des Veräußerungsgewinns.
Denn die Besteuerung der Veräußerung unter Aufdeckung der stillen Reserven ist ausschließlich Folge der vollumfänglichen Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen. Die stillen Reserven unterliegen in voller Höhe der Besteuerung (erst), wenn die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen durch Veräußerung aufgehoben wird.
Demgegenüber ist Gegenstand der Nutzungsentnahme die zeitweise private Nutzung eines Wirtschaftsguts während seiner Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen. Die AfA wird in diesem Rahmen lediglich als Berechnungsposten für die Bemessung der an die Privatsphäre erfolgenden Wertabgabe berücksichtigt. Die Nutzungsentnahme berührt folglich weder den Buchwertansatz, noch führt sie zur Aufdeckung oder Überführung stiller Reserven in das Privatvermögen.
Die Gegenmeinung überzeugt nicht
Die gegenteilige Ansicht räumt selbst ein, dass der Veräußerungserlös jedenfalls dann in voller Höhe steuerbar ist, wenn die Besteuerung der Nutzungsentnahme nach der 1%-Methode (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) erfolgt (Stadie, FR 2016, 289, 296). Diese von der Höhe der AfA unabhängige Bewertungsmethode verdeutlicht, dass die Besteuerung der Nutzungsentnahme von der Besteuerung des Veräußerungsvorgangs rechtlich wie wirtschaftlich zu trennen ist. Denn die Höhe des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts kann nicht von der Wahl der Bewertungsmethode der Nutzungsentnahme abhängen.
Kein Verstoß gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit
Die Steuerverstrickung der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens im Bereich der Gewinneinkünfte, die zulasten (Realisierungsgewinne) wie zugunsten (Realisierungsverluste) wirkt, ist verfassungsrechtlich anerkannt (BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvR 748/05, BVerfGE 127, 61, Rz 64). Da durch die Besteuerung der Nutzungsentnahme nicht die stillen Reserven aufgedeckt und versteuert werden, ist es folgerichtig und daher verfassungsrechtlich unbedenklich, den Veräußerungs- bzw. Entnahmegewinn bei Aufhebung der Betriebszugehörigkeit in voller Höhe zu besteuern (BVerfG v. 7.7.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, BVerfGE 127, 1, Rz 70). Anderenfalls bliebe ein Teil der Wertveränderung entgegen der gesetzlichen Grundentscheidung unversteuert.
Hinweis: Keine Einschränkung des Begriffs der Betriebseinnahme
Der BFH schließt sich der ganz überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung an. Dass die Besteuerung der Nutzungsentnahme einschließlich der anteiligen AfA sich nicht auf den Veräußerungsgewinn auswirkt, ist bereits durch das BFH-Urteil v. 25.3.2015, X R 14/12 (BFH/NV 2015, 973) vorgezeichnet. Das Ergebnis entspricht der Gesetzessystematik. Es erscheint konsequent, weil umgekehrt im Falle einer betrieblichen Mitnutzung eines zum Privatvermögen gehörenden Wirtschaftsguts der Aufwand im Umfang des betrieblichen Nutzungsanteils einschließlich der anteiligen AfA im Wege der Aufwandseinlage als Betriebsausgabe anzusehen ist, ein Gewinn aus der Veräußerung dieses Wirtschaftsguts aber grundsätzlich als nicht steuerbar behandelt wird (BFH v. 25.3.2015, X R 14/12, BFH/NV 2015, 973, Rz 21).
BFH Urteil vom 16.06.2020 - VIII R 9/18 (veröffentlicht am 22.10.2020)
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