Verschaffung d. Verfügungsmacht bei Sale and lease back

Ob eine Verschaffung der Verfügungsmacht und damit eine Lieferung (an den Leasinggeber) vorliegt, entscheidet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. Wurde keine Verfügungsmacht verschafft, können Leistungen des Leasinggebers steuerfreie Kreditgewährungen sein.

Sachverhalt:
Die Klägerin war ausschließlich zu dem Zweck gegründet worden, elektronische Informationssysteme von der Firma A anzuschaffen, um diese sofort wieder gewinnbringend an A zurück zu verleasen. Hierzu sollte ein Leasingvertrag im Wege des „Sale-and-lease-back“-Verfahrens mit einer Vertragslaufzeit von 48 Monaten geschlossen werden. Mit Kaufvertrag vom 27.12.2006 kaufte die Klägerin Informationssysteme zu einem Gesamtkaufpreis von 960.000 EUR zzgl. 153.600 EUR Umsatzsteuer, die bereits bei Dritten aufgestellt waren. A gewährte der Klägerin hierzu ein Darlehen i. H. v. 2/3 des Nettokaufpreises. Mit Leasingvertrag vom selben Tag verleaste die Klägerin die Systeme für die Dauer von 48 Monaten. Außerdem wurde mit der A eine Rückkaufvereinbarung geschlossen, nach der A verpflichtet war, die Informationssysteme auf Verlangen der Klägerin nach Ablauf des Leasingvertrages wieder zurückzukaufen. In der Folgezeit wurde über das Vermögen der A das Insolvenzverfahren eröffnet und die Informationssysteme im Jahr 2009 aus der Insolvenzmasse freigegeben. Die Klägerin nahm diese in Besitz und verwertete sie. Weil das Finanzamt von umsatzsteuerfreien Kreditgewährungen der Klägerin an die A ausging, versagte es den gesamten Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen.
Entscheidung:
Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen, weil auch nach Ansicht des Finanzgerichts aufgrund der Vertragsgestaltung einheitliche sonstige Leistungen in Form von steuerfreien Kreditgewährungen vorlagen. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe sie keine steuerpflichtigen Leistungen in Form eines Verleasens von elektronischen Informationssystemen erbracht. Die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums von der A auf die Klägerin hatte nur Sicherungs- und Finanzierungsfunktion. Der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarungen bestand in der Finanzierung der Anschaffung bzw. der Herstellung der elektronischen Informationssysteme und einer Sicherung der Klägerin durch das zivilrechtliche Eigentum an diesen. Nach Ansicht des Gerichts fehlte es schon an der Verschaffung der Verfügungsmacht durch A, ebenso habe die Klägerin nicht die erforderliche tatsächliche Sachherrschaft erhalten.
Praxishinweis:
Die vorliegende Vertragsgestaltung war ganz offenbar nicht identisch mit den verbreitet als „Sale-and-lease-back“-Verfahren bezeichneten Leasinggeschäften. Offenbar hatte die Klägerin als Leasinggeberin zu keiner Zeit Zugriff auf Substanz, Wert und Ertrag der Sache. Das Gericht verwies explizit darauf, dass selbst der Erhalt der Funktionsfähigkeit der Leasingobjekte nicht im Interesse der Klägerin zu stehen brauchte, da nach den AGB des Leasingvertrages die Leasingnehmerin die Gefahr des Untergangs, Verlusts oder Diebstahls, von Beschädigungen sowie des vorzeitigen Verschleißes der Leasingobjekte getroffen hätte, selbst wenn ihr – der Leasingnehmerin – kein Verschulden anzulasten gewesen wäre.

Das fehlende Interesse an der tatsächlichen Sachherrschaft zeigte sich nach Ansicht des Gerichts auch an der vertraglichen Regelung zur Kündigung aus wichtigem Grund, wonach die Klägerin ihrer Pflicht zur bestmöglichen Verwertung genügt, wenn sie Leasingobjekte zum Händlereinkaufspreis verwertet und sie zuvor der A zu denselben Bedingungen zum Erwerb angeboten hatte.

Bereits mit Urteil vom 9.2.2006 (V R 22/03) musste der BFH über einen besonderen Fall des sog. „Sale-and-lease-back“ entscheiden, in dem das „lease-back“ als Mietkauf ausgestaltet war. BFH und Finanzverwaltung haben in diesem Zusammenhang klargestellt, dass eine einheitliche Betrachtung aller Erscheinungsformen des Leasings nicht möglich ist, weil Elemente mehrerer zivilrechtlicher Vertragstypen in unterschiedlicher Gewichtung verbunden sind (vgl. BMF, Schreiben v. 10.10.2006, UR 2006 S. 662). Maßgeblich für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung sind die vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächliche Durchführung. Dies bedeutet für die Praxis, dass grundsätzlich eine Einzelfallprüfung erforderlich bleibt.

FG Münster, Urteil v. 11.12.2014, 5 K 79/14 U, Haufe Index 7700552


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