Umsatzsteuerbefreiung bei Verwaltungsleistungen von Immobilienfonds
Der EuGH hat entschieden, dass unter den Begriff der "Verwaltung" von Sondervermögen gemäß der umsatzsteuerrechtlichen EU-Gesetzgebung nicht die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien fällt.
Hintergrund
Hintergrund der Entscheidung war die Rechtsfrage, ob eine Gesellschaft, bei der durch mehr als einen Anleger Kapital für den Ankauf, den Besitz, die Verwaltung und den Verkauf von Immobilien angesammelt wird, als "Kapitalanlagegesellschaft" nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) anzusehen ist. Hiernach wird die "Verwaltung von Sondervermögen" von der Umsatzsteuer befreit. Mit dieser Regelung wird bezweckt, den Anlegern die Anlage in Wertpapiere über Organisationsformen für Anlagen dadurch zu erleichtern, dass die Steuerkosten wegfallen und somit die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems hinsichtlich der Wahl zwischen unmittelbarer Anlage in Wertpapiere und derjenigen, die durch Einschaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen (OGAW) erfolgt, gewährleistet bleibt.
Der EuGH hatte über folgenden Fall zu entscheiden: "Fiscale Eenheid X" ist ein Immobilienfonds für institutionelle Investoren in der Rechtsform einer AG niederländischen Rechts ("Fonds"). Der Fonds ist als offenes Vehikel konzipiert und ermöglicht es, während der Laufzeit des Fonds Anteile zu zeichnen. Die Verwaltung des Fonds erfolgt durch das Management der Gesellschaft im Sinne einer externen Verwaltung und entspricht aus deutscher Sicht in etwa einer extern verwaltenden Investmentaktiengesellschaft. Die Dienstleistungen der externen Verwaltung gegenüber dem Fonds wurden von der niederländischen Finanzverwaltung im Bereich des An- und Verkaufs der Immobilien sowie der Suche nach neuen Investoren an dem Fonds als steuerfrei, und u. a. im Bereich des Corporate Housekeeping, der Verwaltung des Vermögens (inkl. des Asset- und Property Managements) sowie der Buchhaltung als steuerpflichtig qualifiziert. Der EuGH wurde angerufen um auszulegen, wann eine Gesellschaft die Voraussetzungen einer Kapitalanlagegesellschaft erfüllt und ob die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien unter den Begriff der Verwaltung fällt.
Entscheidung
Der EuGH ist der Auffassung, dass steuerbefreite Verwaltungsleistungen zum einen Tätigkeiten in Bezug auf die Wahl sowie den An- und Verkauf der Immobilien (Portfoliomanagement) und zum anderen aber auch Tätigkeiten der Verwaltung und des Rechnungswesens (z. B. der Buchhaltung) sind. Dagegen sei die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien für die Verwaltung eines Sondervermögens insoweit nicht spezifisch, als sie über die verschiedenen Tätigkeiten hinausgehen, die mit der Anlage der beschafften Gelder auf gemeinsame Rechnung verbunden seien. Soweit die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien die Erhaltung und Vermehrung des angelegten Vermögens bezwecke, sei ihr Zweck nicht spezifisch für die Tätigkeit eines Fonds, mit dem Sondervermögen verwaltet wird, sondern gelte für jede Anlageart.
Hinweise
Die EuGH-Entscheidung hat auch indirekt Auswirkungen auf die nationale deutsche Regelung in § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG. Nach dieser Vorschrift ist die Verwaltung von Investmentfonds gemäß des InvStG von der Umsatzsteuer befreit. Das deutsche Umsatzsteuerrecht knüpft die in Rede stehende Befreiung an den Begriff des "Sondervermögens nach deutschem Investmentsteuergesetz".
Soweit es durch diese Regelung, die sich bis dato im UStG widerspiegelt, zu einer Einschränkung der Steuerbefreiung auf nationaler Ebene kommt, wird anzunehmen sein, dass nach dem obig Gesagten von einer Europarechtswidrigkeit der bis dato geltenden deutschen Rechtslage auszugehen ist.
Auswirkungen hat dies insbesondere auf die Nichtbegünstigung von geschlossenen Fonds; Hintergrund ist, dass diese Fonds regelmäßig nicht das Erfordernis einer mindestens einmal im Jahr bestehenden Rückgabemöglichkeit des Anlegers nach § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 2 InvStG erfüllen. (vgl. UStAE 4.8.13 Abs. 9). Soweit das deutsche Recht für die Befreiung auf die jährliche Rückgabe oder Kündigung der Anteile abstellt (§ 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 2 InvStG) und diese gerade bei geschlossenen Fonds in der Regel nicht in Betracht kommt, dürfte dies mit der Rechtsprechung des EuGH nicht vereinbar sein. Basierend auf dem EuGH-Urteil bedarf es der Erweiterung der Definition eines Sondervermögens. Als Sondervermögen gemäß der MwStSystRL sind jedoch nach dem Verständnis und der Entscheidung des EuGH weit mehr Vehikel anzusehen als nur Investmentfonds im Sinne des InvStG.
Der deutsche Gesetzgeber ist nach diesem EuGH-Urteil aufgerufen, die Vorgaben der besagten EuGH-Entscheidung rasch umzusetzen, um weitere Nachteile gerade für Alternative Investmentfonds zu vermeiden. D. h. die derzeit nur für die Verwaltung von Investmentfonds vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung ist zeitnah auf weitere Investmentvehikel, vor allem Alternative Investmentfonds nach § 2 Abs. 4 bis 5 KAGB zu erstrecken.
Die aus dem EuGH-Urteil resultierenden Korrekturen auf eine Erstreckung auf weitere Investmentvehikel könnten allerdings z. B. noch im Rahmen des Regierungsentwurfs/Referentenentwurfs zum Investmentsteuerreformgesetz (InvStRefG) ermöglicht werden.
Als Praxishinweis wäre anzuraten, die Umsatzsteuerbescheide von betroffenen Fonds/Investmentvehikel nicht bestandskräftig werden zu lassen und sich dabei unmittelbar auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL und das EuGH-Urteil vom 9.12.2015 zu berufen.
EuGH Urteil vom 09.12.2015 - C-595/13, Rs. "Fiscale Eenheid X"
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