Vom Erben nachgezahlte KiSt des Erblassers sind Sonderausgaben
Hintergrund
M ist zusammen mit ihren beiden Geschwistern Miterbin nach ihrem verstorbenen Vater V. Dieser hatte im Jahr 2007 sein Steuerberaterbüro veräußert und sollte dafür monatlich 4.000 EUR für die Dauer von 10 Jahren erhalten. Falls V vor Ablauf der Vertragsdauer versterben sollte, war ein Kaufpreis von 480.000 EUR vereinbart, den die Erben - abzüglich der bereits geleisteten Monatsvergütungen - erhalten sollten. V verstarb im Februar 2009.
Im Hinblick auf den von den Erben erklärten Veräußerungsgewinn änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzungen des V, was eine hohe Nachforderung von KiSt für 2007 sowie gerinfügige Erstattungen von KiSt für 2008 und 2009 zur Folge hatte. Den Differenzbetrag an KiSt zahlten die Erben im Jahr 2011. Ein Drittel des Betrages machte M im Rahmen ihrer Veranlagung zur ESt 2011 als Sonderausgabe geltend.
Das Finanzamt versagte den Sonderausgabenabzug. Das Finanzgericht gab der Klage der M statt.
Entscheidung
Der BFH sah die Revision des Finanzamts als unbegründet an und entschied, dass der M als Miterbin der beantragte Sonderausgabenabzug zu gewähren sei.
Mit dem Tod des V ist dessen Vermögen als Ganzes auf die M und ihre Geschwister übergegangen (§ 1922 Abs. 1 BGB). Nach § 1967 Abs. 1 BGB haften die Erben auch für die Nachlassverbindlichkeiten des Erblassers. M ist deshalb als Erbin mit dem Erbfall in die steuerschuldrechtliche Position des V eingetreten (§ 45 Abs. 1 AO). Sie ist damit selbst Steuerschuldnerin der von V hinterlassenen Steuerrückstände geworden. Da hier eine Berücksichtigung der von M gezahlten KiSt als Betriebsausgabe bzw. Werbungskosten nicht in Betracht kommt, kann M diese nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Sonderausgabe abziehen.
Hinweis
Das Finanzamt hat im Revisionsverfahren vorbracht, dass nach dem Prinzip der Individualbesteuerung die KiSt nur dann als Sonderausgabe abziehbar sei, wenn sie der Steuerpflichtige aufgrund seiner individuellen Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft selbst schulde. Eine solche teleologische Reduktion des Gesetzeswortlauts des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG kommt nach Auffassung des BFH jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil sie angesichts der wirtschaftlichen Belastung der M durch die Zahlung der KiSt als unangemessen erscheint. Zudem weist der BFH darauf hin, dass im Gegenzug auch Erstattungen überzahlter KiSt des Erblassers auf eigene Zahlungen des Erben anzurechnen seien und dessen eigenen Sonderausgabenabzug schmälern würden.
Der BFH knüpft mit dieser Entscheidung an seine bisherige Rechtsprechung an. Bereits im Jahr 1960 hatte er entschieden, dass KiSt, die ein Steuerpflichtiger in seiner Eigenschaft als Erbe entrichtet, als Sonderausgabe abziehbar ist (BFH, Urteil v. 5.2.1960, VI 204/59 U, BStBl 1960 II S. 140). Dieses Urteil hat der BFH später bestätigt und dabei ausgeführt, dass Besteuerungsmerkmale, die (nur) in der Person des Erblassers begründet sind, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anweisung bei der Besteuerung des Erben zu berücksichtigen sind (BFH, Urteil v. 16.5.2001, I R 76/99, BStBl 2002 II S. 487). Schließlich hat auch der Große Senat des BFH nach der Änderung der Rechtsprechung zum Eintritt des Erben in den Verlustabzug nach § 10d EStG ausdrücklich an der o.g. Rechtsprechung aus dem Jahr 1960 festgehalten (BFH, Beschluss v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl 2008 II S. 608, Rz 77).
BFH, Urteil v. 21.7.2016, X R 43/13, veröffentlicht am 16.11.2016
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