Vorsteuerabzug bei gemischter Nutzung eines Marktplatzes

Verwendet eine Stadt ihren Marktplatz sowohl für wirtschaftliche als auch für hoheitliche Zwecke, kann sie diesen nicht in vollem Umfang ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zuordnen und ist deshalb nur anteilig zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Hintergrund: Wirtschaftliche und hoheitliche Betätigung der Gemeinde

Die Stadt errichtete in 2009/2010 einen "Marktplatz", bestehend aus Bühnenanlage, Ruhebänken, Brunnen usw. Der Platz wurde in 2010 für ein Weinfest, Übertragung der Fußballweltmeisterschaft und Open-Air-Konzerte bei freiem Eintritt genutzt.

Das FA ging davon aus, der Platz werde nicht für die wirtschaftliche Tätigkeit (Kurbetrieb) der Stadt verwendet und lehnte den geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den Umbaukosten (2009: 120.000 EUR, 2010: 10.000 EUR) ab. Die dagegen erhobene Klage wurde vom FG mit der Begründung abgewiesen, der Platz werde von den Kurgästen (gegen Kurbeitrag) und von Nicht-Kurgästen (unentgeltlich) und damit gemischt genutzt. Das Tätigwerden als Straßenbaulastträger (Errichtung von Straßen und Plätzen zur allgemeinen Nutzung) vollziehe sich im nichtunternehmerischen (hoheitlichen) Bereich. Der Vorsteuerabzug scheide mangels rechtzeitiger Dokumentation der Zuordnungsentscheidung aus. Die Stadt habe es unterlassen, bei Bezug der Eingangsleistungen rechtzeitig in den USt-Erklärungen eine Zuordnungsentscheidung zu treffen. Die Steuererklärungen seien zwei Jahre verspätet eingereicht worden.

Entscheidung: Das Zuordnungswahlrecht besteht bei Privatentnahmen ...

Entgegen der Auffassung des FG erfordert der Vorsteuerabzug im Streitfall keine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung. Eine zeitnahe Zuordnung ist nur dann erforderlich und zu dokumentieren, wenn ein Zuordnungswahlrecht besteht. Das Wahlrecht gilt allerdings nur für die gemischte Zuordnung im Rahmen des Sonderfalls einer Privatentnahme, bei der der Unternehmer den gemischt wirtschaftlich und privat verwendeten Gegenstand voll dem Unternehmen zuordnen und dann aufgrund dieser Zuordnung zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sein kann.

Kein Wahlrecht bei bei gemischt wirtschaftlicher/hoheitlicher Nutzung

In dem vom FG angenommenen Fall der unternehmerischen Nutzung (Kurbetrieb) und der nichtunternehmerischen Nutzung (Straßenbaulast) besteht nicht die Möglichkeit der Zuordnung insgesamt zur wirtschaftlichen Tätigkeit. Hier kann der Vorsteuerabzug nur anteilig geltend gemacht werden (BFH v. 3.3.2011, V R 23/10, BStBl II 2012, 74, und v. 10.11.2011, V R 41/10, BStBl II 2017, 689). Anders ist es nur bei einer gemischten Verwendung für wirtschaftliche und private Zwecke. Private Zwecke in diesem Sinne sind nur Entnahmen für den privaten Bedarf des Unternehmers als natürliche Person und – unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens – für den privaten Bedarf seines Personals, nicht dagegen eine Verwendung für den Hoheitsbereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Im Streitfall betrifft die weitere Verwendung des Marktplatzes den Hoheitsbereich der Stadt und nicht deren private Zwecke, sodass ihr kein Wahlrecht zugunsten einer Zuordnung des gesamten Gegenstands zu ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zusteht und damit auch kein Zuordnungserfordernis besteht. Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies den Fall an das FG zurück. Für das weitere Verfahren weist der BFH auf Folgendes hin:

Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und wirtschaftlichen Tätigkeit

Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, die sich innerhalb der Gesamtbetätigung heraushebt. Handelt sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage, kommt es auf die weiteren Voraussetzungen nicht an. Handelt sie dagegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, ist sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Kommt das FG zu dem Ergebnis, dass die Stadt im Rahmen ihres Kurbetriebs unternehmerisch tätig wurde, hat es weiter zu prüfen, ob der Vorsteuerabzug am fehlenden Zusammenhang zwischen den Kosten für die Errichtung/Gestaltung des Marktplatzes und ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit (Kurbetrieb) scheitert. Gegen einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Stadt würde sprechen, wenn die Kurgäste den Platz lediglich als Teil der Allgemeinheit (Betreten und Besichtigung) nutzen.

Kommt das FG dagegen zu der Auffassung, dass die Stadt mit ihrem Kurbetrieb unternehmerisch tätig ist und die Aufwendungen für den Marktplatz in einem unmittelbaren und direkten Zusammenhang mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit stehen, liegt eine gemischte Tätigkeit vor, die zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt (§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG), der im Wege der Schätzung zu ermitteln ist.

Hinweis: Anteiliger Vorsteuerabzug bei wirtschaftlicher und hoheitlicher Betätigung

Das befristete Zuordnungswahlrecht und die Möglichkeit, den gemischt genutzten Gegenstand in vollem Umfang dem Unternehmen zuzuordnen mit der Folge des vollen Vorsteuerabzugs gilt nur für den Fall der Verwendung für die wirtschaftliche Tätigkeit und daneben für private Zwecke. Keine Zuordnungsmöglichkeit und damit auch kein Zuordnungswahlrecht besteht dagegen bei der Verwendung im wirtschaftlichen und hoheitlichen Bereich. Hier sind die Vorsteuerbeträge – ggf. im Schätzwege – nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen.

10 %-Grenze gilt für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten erst ab 2016

Der BFH weist ergänzend auf den Ausschluss des anteiligen Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG hin. Die unternehmerische Mindestnutzung (10 %-Grenze) war bis 2015 unionsrechtlich nur hinsichtlich der Nutzung für private Zwecke gedeckt, nicht jedoch für nichtwirtschaftliche, nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende Tätigkeiten. Erst seit 2016 gilt die erweiterte unionsrechtliche Ermächtigung auch für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten (BFH v. 16.11.2016, XI R 15/13, BFH/NV 2017, 421).

BFH, Urteil v. 3.8.2017, V R 62/16, veröffentlicht am 6.12.2017.

Alle am 6.12.2017 veröffentlichten Entscheidungen des BFH​​​​​​​​​​​​​​


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