Bei Arbeitnehmern, die nur bei einem Entleiher eingesetzt werden, ist der Werbungskostenabzug für Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte nicht auf die Entfernungspauschale begrenzt. Vielmehr sind Werbungskosten in Höhe der tatsächlichen Fahrtkosten zu berücksichtigen.

Hintergrund:

Im zugrunde liegenden Fall war ein Angestellter als Leiharbeiter tätig. Sein Arbeitsverhältnis war zeitlich befristet. Während der gesamten Zeit war er im Betrieb eines Entleihers eingesetzt. Das Finanzamt berücksichtigte für die Fahrten dorthin lediglich einen Werbungskostenabzug in Höhe von 0,30 EUR pro Entfernungskilometer. Der Leiharbeitnehmer hatte hingegen Fahrtkosten in Höhe von 0,30 EUR pro tatsächlich gefahrenen Kilometer geltend gemacht.

Entscheidung:

Das FG Münster gab dem Leiharbeitnehmer jetzt Recht. Es gewährte ihm einen Werbungskostenabzug in Höhe von 0,30 EUR pro tatsächlich zurückgelegten Kilometer, da die niedrigere Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht gelte. Der Leiharbeitnehmer habe nämlich keine regelmäßige Arbeitsstätte gehabt, so die Richter des 13. Senats. Die Klage basiert vor dem Hintergrund, dass Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte Werbungskosten sind und hierfür gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG lediglich ein begrenzter Abzug in Form der Entfernungspauschale gewährt wird (0,30 EUR pro Entfernungskilometer).

Regelmäßige Arbeitsstätte ist jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d. h. fortdauernd und immer wieder aufsucht. Dies ist in der Praxis der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb, nicht aber eine betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers. Regelmäßige Arbeitsstätten sind dadurch gekennzeichnet, dass sich der Arbeitnehmer auf einen immer gleichen Weg einstellen und so die Fahrtkosten mindern kann – etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Wahl seines Wohnsitzes.

Ein Leiharbeitnehmer hat keine regelmäßige Arbeitsstätte, sondern ist in einer Einrichtung eines Kunden seines Arbeitgebers tätig, wenn er nach seinem Arbeitsvertrag keinem Entleiher fest zugeordnet, und damit ein bundesweiter Einsatz möglich gewesen ist (FG Münster, Urteil vom 11.10.2011, 13 K 456/10). Er kann sich daher nicht auf einen immer gleichen Weg einstellen und so Fahrtkosten reduzieren. Nur wenn dies der Fall gewesen wäre, kann die Anwendung der den Werbungskostenabzug begrenzenden Entfernungspauschale gerechtfertigt sein. Dass der Arbeitnehmer im Nachhinein betrachtet tatsächlich ständig nur bei einem Entleiher eingesetzt wurde, ändert an dem Ergebnis nichts. Denn maßgeblich ist die zukünftige (ex ante) Betrachtung: Nur wer sich von vornherein auf einen immer gleichen Weg einstellen kann, hat auch die Möglichkeit, Fahrtkosten zu sparen.

(FG Münster, Urteil v. 11.10.2011, 13 K 456/10)

Hinweis:

Das FG widerspricht damit ausdrücklich der in der Finanzverwaltung vertretenen Ansicht, wonach immer dann eine regelmäßige Arbeitsstätte entsteht, wenn ein Arbeitnehmer von einem Verleiher für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses dem Entleiher überlassen oder mit dem Ziel der späteren Anstellung beim Entleiher eingestellt wird (BMF, Schreiben v. 21.12.2009, IV C 5 - S 2353/08/10010, BStBl 2010 I S. 21). Die Finanzverwaltung nimmt jedoch in zwei Fällen ebenfalls von der Entfernungspauschale Abstand, indem die betriebliche Einrichtungen von Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßigen Arbeitsstätten seiner Arbeitnehmer sind, unabhängig von der Dauer der dortigen Tätigkeit.

Praxisbeispiele

Beispiel 1:

Ein bei einer Zeitarbeitsfirma (Arbeitgeber) unbefristet beschäftigter Hochbauingenieur wird in regelmäßigem Wechsel verschiedenen Entleihfirmen (Kunden) überlassen und auf deren Baustellen eingesetzt. Er wird befristet für einen Zeitraum von zwei Jahren an eine Baufirma überlassen und von dieser während des gesamten Zeitraums auf ein- und derselben Großbaustelle eingesetzt.

Die Großbaustelle wird bereits deshalb nicht zur regelmäßigen Arbeitsstätte, weil die dortige Tätigkeit vorübergehend, d. h. auf eine von vornherein bestimmte Dauer angelegt ist; diese kann auch projektbezogen sein – etwa die Überlassung des Leiharbeitnehmers bis zur Vollendung eines konkreten Bauvorhabens).

 

Beispiel 2:

Ein unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer wird von einer Zeitarbeitsfirma einem Kunden als kaufmännischer Mitarbeiter überlassen. Der Überlassungsvertrag enthält keine zeitliche Befristung (“bis auf Weiteres”).

Auch in diesem Fall liegt beim Kunden keine regelmäßige Arbeitsstätte in der außerbetrieblichen Einrichtung vor.

Etwas anderes gilt aber, wenn ein Arbeitnehmer von einem Arbeitnehmerverleiher (Arbeitgeber) für die gesamte Dauer seines Arbeitsverhältnisses zum Verleiher

  • dem Entleiher (zur Tätigkeit in dessen betrieblicher Einrichtung) überlassen oder
  • mit dem Ziel der späteren Anstellung beim Entleiher (Kunden) eingestellt wird.

 

Beispiel 3:

Der Arbeitnehmer (technischer Zeichner) ist von der Zeitarbeitsfirma ausschließlich für die Überlassung an die Baufirma eingestellt worden; das Arbeitsverhältnis endet vertragsgemäßnach Abschluss des Bauvorhabens.

In diesem Fall liegt ab dem ersten Tag der Tätigkeit bei der Baufirma eine regelmäßige Arbeitsstätte in einer außerbetrieblichen Einrichtung vor, denn die Tätigkeit dort ist nicht vorübergehend, sondern auf Dauer angelegt. Da der Arbeitnehmer ausschließlich nur für die Überlassung bei der bestimmten Baufirma eingestellt worden ist, wird er nicht anders behandelt wie ein entsprechender Arbeitnehmer, der unmittelbar bei der Baufirma angestellt wäre.

 

Hinweis:

Da die Streitfrage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, hat das Gericht die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Ein Az. ist derzeit noch nicht bekannt.