Werbungskostenabzug setzt nahezu ausschließliche berufliche Veranlassung voraus
Hintergrund
Nach der früheren Rechtsprechung des BFH setzte der Abzug von Reisekosten als Werbungskosten voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das war zum einen zu bejahen, wenn ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt (z.B. Geschäftsfreundebesuch, Fachkongress, Forschungsauftrag) und private Interessen nicht den Schwerpunkt bilden. Zum anderen war dies der Fall, wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt und private Interessen (Erholung, Allgemeinbildung usw.) nur von untergeordneter Bedeutung sind. Waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt, waren die gesamten Reisekosten vom Abzug ausgeschlossen, soweit sich nicht ein eindeutig beruflich veranlasster Teil der Aufwendungen abgrenzen ließ.
Dieses sog. Aufteilungs- und Abzugsverbot hat der BFH zu einem Aufteilungs- und Abzugsgebot fortentwickelt. Die Kosten einer gemischt veranlassten Reise sind danach entsprechend dem unterschiedlichen Gewicht der Veranlassungsbeiträge aufzuteilen und anteilig abziehbar (Beschluss des Großen Senats v. 21.9.2009, GrS 1/06).
Im Streitfall war zu entscheiden, ob - und möglicherweise mit welchem Anteil - die Aufwendungen einer Lehrerin für Studienreisen nach China und Paris abziehbar sind.
Entscheidung
Auch der BFH lehnt - mit dem FA und dem FG - den Werbungskostenabzug ab. Es fehlte jedenfalls ein unmittelbarer beruflicher Anlass für die Reisen. Sodann hebt der BFH hervor, dass sich für die berufliche Veranlassung von Auslandsgruppenreisen (ohne unmittelbaren beruflichen Anlass) an der bisherigen Rechtsprechung nichts geändert hat. Neben einer fachlichen Organisation ist entscheidend, dass das Programm auf die beruflichen Bedürfnisse zugeschnitten und der Teilnehmerkreis homogen ist. Dementsprechend hat das FG die Reisen zutreffend dahin gewürdigt, dass die Gestaltung auf die Befriedigung allgemeiner Bildungsinteressen schließen lässt und es an konkreten Bezügen zur beruflichen Tätigkeit fehlte. Dass bei der Reise auch zwei Dorfschulen besucht wurden, ließ der BFH angesichts des zeitlichen Umfangs und der Bedeutung hinter die privat veranlassten Anteile zurücktreten.
Hinweis
Die Entscheidung bedeutet nicht etwa eine Abkehr von den neuen Grundsätzen zum Aufteilungs- und Abzugsgebot. Der BFH verdeutlicht lediglich, dass es für die Frage, ob eine Reise insgesamt oder auch nur zu einem Anteil als beruflich veranlasst gewertet werden kann, an den bisherigen Abgrenzungskriterien verbleibt.
Allerdings war der Besuch der Schulen in China möglicherweise beruflich veranlasst. Grundsätzlich wären daher insoweit Werbungskosten in Betracht gekommen, z.B. die Fahrtkosten zu den Schulen und etwa Verpflegungsmehraufwand, aber auch - nach den neuen Aufteilungsgrundsätzen - ein Teil der allgemeinen Reisekosten (Flug, Organisation usw.). Der BFH vernachlässigt diesen Kostenanteil mit dem Hinweis auf die geringe Bedeutung gegenüber den privat veranlassten Reiseanteilen. Es ist aber nicht einzusehen, weshalb eindeutig beruflich veranlasste Kostenanteile lediglich wegen Geringfügigkeit nicht berücksichtigt werden sollen.
Urteil v. 19.1.2012, VI R 3/11, veröffentlicht am 4.4.2012
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