Es ist zweifelhaft, ob sich die Beteiligungsgrenze nach der im Veräußerungsjahr geltenden Grenze richtet - und damit zurückwirkt - oder ob sie nach der in jedem abgeschlossenen Veranlagungszeitraum geltenden Schwelle zu bestimmen ist.

Hintergrund

Der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft wird erfasst, wenn der Veräußerer innerhalb der letzen fünf Jahre qualifiziert beteiligt war (§ 17 EStG). Die zunächst geltende Beteiligungsgrenze von 25 % wurde ab 1999 auf 10 % abgesenkt und beträgt heute 1 %. Zu entscheiden war, sich die Grenze nach der im Veräußerungsjahr oder nach der für jeden Veranlagungszeitraum geltenden Schwelle bestimmt. 

A war an der B-AG wie folgt beteiligt: bis 28.12.1997 mit 13,52 %; ab 29.12.1997 mit 9,98 % und seit 27.12.1998 mit 9,22 %. Am 1.12. des Streitjahrs 1999 veräußerte er Aktien und erzielte einen Veräußerungsgewinn, den das FA der Besteuerung unterwarf. Nachdem das BVerfG im Juli 2010 § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG a.F. teilweise als nichtig erkannt hatte, hob das FA die Vollziehung des ESt-Bescheids teilweise auf. Der an das FG gerichtete Antrag auf weitergehende Aussetzung blieb ohne Erfolg. Dagegen wandte sich A mit der Beschwerde an den BFH.

Entscheidung

Der BFH bejaht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der teilweisen Nichtaussetzung und gab daher der Beschwerde statt.

Die 10-%-Grenze gilt erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999. Veräußert somit jemand in 1999 eine Beteiligung von 10 %, ist dieser Vorgang steuerbar. Veräußert er eine Beteiligung von - wie im Streitfall - lediglich 9,22 %, liegt ein steuerbares Geschäft nur vor, wenn er innerhalb der letzten 5 Jahre wesentlich beteiligt war. Da die Grenze von 10 % erstmals für 1999 gilt, folgt daraus, dass sie für frühere Veranlagungszeiträume nicht anwendbar ist. Es ist deshalb unerheblich, ob derjenige, der in 1999 eine Beteiligung unter 10 % veräußert, innerhalb der letzten 5 Jahre über 10 %, aber bis einschließlich 25 % beteiligt war. Denn vor 1999 war die Grenze nur bei einer Beteiligung zu mehr als einem Viertel überschritten.

Dieser sog. veranlagungszeitraumbezogene Beteiligungsbegriff ergibt sich - so der BFH - zwanglos aus dem Gesetzeswortlaut, entspricht aber nicht der früheren Auffassung des BFH (Urteil v. 1.3.2005, BStBl II 2005, 436). Danach richtet sich die Beteiligungsgrenze nach der im Veräußerungsjahr geltenden Wesentlichkeitsgrenze und wirkt damit zurück.

Hinweis

Im Hauptverfahren (Klageverfahren) hat sich das FG der (bisherigen) Auffassung des BFH angeschlossen und der Klage stattgegeben. Denn A war zwar in 1999 nicht mehr zu mindestens 10 % an der B-AG beteiligt, aber innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Veräußerung. Dagegen ist die Revision anhängig (Az. IX R 7/12). Im dem aktuellen Aussetzungsverfahren bezieht sich der BFH auf das BVerfG. Danach besteht der Gesetzeszweck darin, einen über den vorangegangenen Zeitraum akkumulierten Zuwachs an Leistungsfähigkeit nachholend der Besteuerung zu unterwerfen. Dieser Wertzuwachs muss der ESt unterlegen haben. Das ist aber nur dann der Fall, wenn der Veräußerer qualifiziert beteiligt war. Jedenfalls in dem vorliegenden Eilverfahren lässt der BFH somit erkennen, dass er die veranlagungszeitraumbezogenen Beurteilung bevorzugt.

Beschluss v. 24.2.2012, IX B 146/11, veröffentlicht am 21.3.2012