Zulässigkeit und Umfang einer Bilanzänderung
Des Weiteren hat der BFH entscheiden, dass § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG (i.d.F. seit StBereinG 1999) formell verfassungsgemäß ist und dass ein Anspruch auf Investitionszulage auch vor einer förmlichen Antragstellung im Wirtschaftsjahr der Anschaffung/Herstellung der betreffenden Wirtschaftsgüter auszuweisen ist, wenn die Anspruchsvoraussetzungen mit der Anschaffung/Herstellung erfüllt sind und die (spätere) Antragstellung bereits ernstlich beabsichtigt ist; der Ertrag ist nicht über einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten auf den gesetzlichen Verbleibenszeitraum periodisch abzugrenzen.
Hintergrund: Zulässigkeit einer Bilanzänderung
Der Streit geht um die Zulässigkeit einer Bilanzänderung einer AG nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Rechtsstreit befindet sich im zweiten Rechtsgang.
In einer tatsächlichen Verständigung einigten sich die Beteiligten, Teilwertabschreibungen in einer bestimmten Höhe anzusetzen. Auf dieser Grundlage wollte die AG die Bilanzen der Streitjahre (1995, 1996) ändern, um die verbleibenden Gewinnerhöhungen zu kompensieren. Dazu sollten Sonderabschreibungen nach dem FöGbG in Anspruch genommen werden. Das FA hielt insoweit den Rahmen für eine Bilanzänderung für überschritten. Die Zuführung zu Rückstellungen wegen drohender Rückforderungen von InvZul mindere den für die Bestimmung des Änderungsrahmens maßgeblichen Steuerbilanzgewinn. Darüber hinaus war die Aktivierung eines Anspruchs auf InvZul streitig. Die AG meinte, die Forderung hätte nicht aktiviert werden dürfen, weil die InvZul vor der Bilanzerstellung noch nicht beantragt worden sei.
Entscheidung: Änderungsrahmen für eine Bilanzänderung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache (nunmehr zum zweiten Mal) an das FG zurück.
Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG
Die Bedenken, das Bilanzänderungsverbot sei nicht Gegenstand des gesetzgeberischen Vermittlungsverfahrens zum StBereinG 1999 gewesen und sei deshalb formell verfassungswidrig, weist der BFH zurück. Zum einen kann nicht angenommen werden, dass die Möglichkeit einer Bilanzänderung nicht Gegenstand der Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat war. Zum anderen wird die Vorschrift nunmehr rund 20 Jahre in ständiger Rechtsprechung ohne Fragen zu ihrer parlamentarischen Entstehung angewandt und löst keine unmittelbare Steuerbelastung aus.
Gewinn i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG ist der Bilanzgewinn
Die durch die Berichtigung der Bilanzen ausgelösten (unstreitigen) Gewinnerhöhungen können nicht vollumfänglich durch bisher unberücksichtigte (unstreitige) Sonderabschreibungen nach dem FöGbG im Wege der Bilanzänderung kompensiert werden. Denn außerbilanzielle Korrekturen einer Bilanzberichtigung müssen bei der Bemessung des Bilanzänderungsrahmens des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG unberücksichtigt bleiben. Im Streitfall wird der Bilanzänderungsrahmen daher nicht dadurch erweitert, dass die gewinnmindernde Erhöhung der Rückstellungen für die Rückforderung von InvZul außerbilanziell gewinnerhöhend zu korrigieren ist, da die InvZul nach § 10 Satz 1 InvZulG a.F. nicht zu den Einkünften i.S. des EStG gehört. Diese außerbilanzielle Korrektur betrifft nicht die Ebene der steuerbilanziellen Gewinnermittlung. Unter "Gewinn" i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG ist der Bilanzgewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG, nicht der "steuerliche" Gewinn zu verstehen. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG erlaubt daher eine Bilanzänderung lediglich in Höhe der sich aus der Steuerbilanz infolge der Bilanzänderung des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG ergebenden Gewinnänderung und nicht in Höhe der sich aus einer Bilanzänderung ergebenden steuerlichen Gewinnänderung, die auf einer Hinzurechnung außerhalb der Steuerbilanz (hier: § 10 Satz 1 InvZulG a.F.) beruht.
Aktivierung eines Anspruchs auf Investitionszulage
Der Zeitpunkt für die Aktivierung von Forderungen bestimmt sich nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Maßgeblich ist nicht, ob eine Forderung fällig oder realisierbar ist, sondern ob der Vermögensvorteil einen durchsetzbaren gegenwärtigen Vermögenswert darstellt. Ist eine Forderung noch nicht rechtsförmlich entstanden, genügt es für die Aktivierung, wenn die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann (BFH v. 3.08.2017, IV R 12/14, BStBl II 2018, 20, Rz 23). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Anspruch auf InvZul entstand mit Ablauf des Wirtschaftsjahres, in dem die Investitionen vorgenommen worden sind. Infolge der zeitgerechten Investitionen und deren Zuordnung zu einer Betriebsstätte im Fördergebiet waren unabhängig von einer Antragstellung jeweils bereits mit Ablauf des 31.12. die wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen für den Anspruch auf InvZul gesetzt (BFH v. 3.8.2017, IV R 12/14, BStBl II 2018, 20, Rz 24). Der Anspruch ist allerdings nur zu aktivieren, soweit die AG – was nicht festgestellt ist – tatsächlich eine Antragstellung beabsichtigt hatte.
Hinweis: Keine Erweiterung des Bilanzänderungsrahmens durch außerbilanzielle Hinzurechnung
Wenn eine isolierte außerbilanzielle Gewinnerhöhung nicht zu einer Bilanzänderung berechtigt, kann auch eine außerbilanzielle Hinzurechnung, die durch eine Bilanzberichtigung ausgelöst wird, den Bilanzänderungsrahmen nicht erweitern. Es gibt jedenfalls keine Begründung dafür, bei der Ermittlung des Bilanzänderungsrahmens i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG danach zu differenzieren, ob eine isolierte außerbilanzielle Gewinnerhöhung oder eine außerbilanzielle Hinzurechnung vorliegt.
BFH Urteil vom 27.05.2020 - XI R 8/18 (veröffentlicht am 08.10.2020)
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