Zuordnungswahlrecht für Pflege- und Betreuungsleistungen optimal geltend machen
Beispiel: A hat in seinem Schwerbehindertenausweis einen Grad von 95 v. H. und das Merkmal G eingetragen. Im Kalenderjahr 2013 fielen neben selbst zu tragenden allgemeinen Krankheitskosten i. H. von 1.000 EUR für die Pflegeleistungen eines ambulanten Dienstes Kosten i. H. v. 2.000 EUR an. Seine zumutbare Belastung liegt bei 1.500 EUR.
Nach § 35a Abs. 2 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer um 20 %, höchstens 4.000 EUR, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen, soweit darin Kosten für Dienstleistungen enthalten sind, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind.
Eine Steuerermäßigung kann aber nur in Anspruch genommen werden, soweit die Aufwendungen nicht als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden sind (§ 35a Abs. 5 Satz 1 EStG). Mit dieser Regelung soll eine doppelte Berücksichtigung derselben Aufwendungen nach § 35a und als außergewöhnliche Belastung vermieden werden. Da die Kosten für den ambulanten Pflegedienst hier sowohl unter den Bereich der außergewöhnlichen Belastungen als auch der haushaltsnahen Dienstleistungen fallen, bestehen für A im Rahmen seines Zuordnungswahlrechts und unter Berücksichtigung seines individuellen Steuersatzes folgende Möglichkeiten:
1. Vollständige Berücksichtigung bei den haushaltsnahen Dienstleistungen
Werden die Pflegeaufwendungen dem Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen zugeordnet, kann in vollem Umfang die Steuerermäßigung nach § 35a EStG (hier 20 % von 2.000 = 400 EUR) in Anspruch genommen werden. Wirkt sich dabei ein Teil der Aufwendungen (z. B. wegen Überschreitung des Höchstbetrages) nicht aus, ist ein weiterer Abzug im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen ausgeschlossen.
2. Vollständige Berücksichtigung bei den außergewöhnlichen Belastungen
Bei einer Geltendmachung im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen ergibt sich aus § 35a Abs. 5 Satz 1 EStG, dass der Teil der Aufwendungen, der durch den Ansatz der zumutbaren Eigenbelastung nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wird, zusätzlich als Steuerermäßigung nach § 35a EStG in Anspruch genommen werden kann. Dies hat der BFH in einer aktuellen Entscheidung (Urteil v. 5.6.2014, VI R 12/12) bestätigt, weil die Aufwendungen insoweit nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden sind.
Auch die Finanzverwaltung folgt dieser Auffassung (BMF v. 10.01.2014, BStBl 2014 I S. 75 Tz 32) und lässt es sogar zu, dass aufgrund der Begünstigung der zumutbaren Eigenbelastung beim § 35a EStG, die Aufwendungen, die dem Grunde nach sowohl bei § 33 als auch bei § 35a EStG berücksichtigt werden können, vorrangig der zumutbaren Eigenbelastung (und nicht etwa im Verhältnis zu den übrigen außergewöhnlichen Belastungen, hier 2/3 zu 1/3) zuzurechnen sind. Dies hätte bei A zur Folge, dass 1.500 EUR als außergewöhnliche Belastung (3.000 Gesamtkosten abzgl 1.500 zumutbare Belastung) berücksichtigt würden und zusätzlich in Höhe der zumutbaren Belastung (1.500 EUR, anstatt nur 2/3 1.000 EUR) eine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen (20 % von 1.500= 300 EUR) beansprucht werden kann.
3. Inanspruchnahme des Behindertenpauschbetrages von 1.420 EUR
Behinderte Menschen können für die Aufwendungen die für Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf anfallen, anstelle einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG einen Pauschbetrag nach § 33 b Abs. 1 i. V. m Abs. 3 EStG – der ohne Anrechnung der zumutbaren Belastung berücksichtigt wird – geltend machen (ab einem Grad der Behinderung von 70 können aber neben dem Pauschbetrag zusätzlich pauschale private Fahrtkosten im Bereich des § 33 EStG berücksichtigt werden). Wird dieser in Anspruch genommen, ist eine (zusätzliche) Berücksichtigung der Pflegeaufwendungen im Bereich des § 35a EStG ausgeschlossen.
Nach Auffassung des BFH (Urteil v. 5.6.2014, VI R 12/12) werden nämlich von der Abgeltungswirkung des Behindertenpauschbetrages typische, unmittelbar mit der Behinderung zusammenhängende Kosten des Steuerpflichtigen, insbesondere sämtliche behinderungsbedingten Aufwendungen für das Vorhalten von Pflegeleistungen umfasst. Aufgrund dieser Abgeltungswirkung sind Aufwendungen nicht nur in dem Umfang, in dem sie sich steuerlich ausgewirkt haben, und damit in Höhe des Behindertenpauschbetrages, sondern soweit die Abgeltungswirkung des § 33b EStG reicht und damit vollumfänglich i. S. des § 35a Abs. 5 Satz 1 EStG berücksichtigt.
Hinweis: Wird einem Kind zustehender Behinderten-Pauschbetrag übertragen, können Aufwendungen für Pflege- und Betreuungsleistungen für das behinderte Kind zusätzlich als außergewöhnliche Belastung oder im Rahmen der haushaltsnahen Dienstleistungen geltend gemacht werden, weil der Pauschbetrag nur Aufwendungen des Kindes abgilt (BFH, Urteil v. 11.2.2010, VI R 61/08).
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