Hotelzimmer unterliegen nicht der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung
Hintergrund: Anmietung von Hotelzimmern durch Reiseveranstalter
Die Entscheidung betrifft die Frage, ob die Entgelte, die ein Reiseveranstalter an Hoteliers für die Überlassung von Hotelzimmern und Zimmereinrichtungen zahlt, der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG unterliegen.
Die R-GmbH (Reiseveranstalter) organisiert Pauschalreisen. Dazu schloss sie mit Hoteliers Verträge ab, durch die ihr Hotelleistungen bezüglich ganzer Hotels oder bestimmte Hotelzimmer bzw. Hotelzimmerkontingente für vereinbarte Zeiträume zur Verfügung gestellt wurden. R bezog die an die Hoteliers gezahlten Entgelte für 2008 nicht in die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung ein. Das FA vertrat demgegenüber die Auffassung, R habe nicht eine Hotelleistung "eingekauft", sondern ein Teil des Entgelts entfalle auf die "Anmietung" von Hotelzimmern. Die in den Hotelkosten enthaltenen Miet- und Pachtzinsen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter seien bei der Hinzurechnung zu berücksichtigen. Die Entgelte an die Hoteliers seien daher aufzuteilen in hinzuzurechnende Mietanteile für Hotelzimmer einerseits und für bewegliche Wirtschaftsgüter (Swimmingpools usw.) andererseits sowie in nicht hinzuzurechnende sonstige Kosten. Die Nebenkosten seien anteilig den Mieten für die unbeweglichen und beweglichen Wirtschaftsgüter hinzuzurechnen. Auszunehmen seien lediglich die Kosten für Halbpension.
Die dagegen gerichtete Klage der R hatte teilweise Erfolg. Das FG bestätigte – in einem Zwischenurteil - grundsätzlich die vom FA angewandte Aufteilung der Hotelkosten. Allerdings seien reine Betriebskosten (Wasser, Strom, Heizung) und eigenständig zu beurteilende Nebenleistungen (Verpflegung, Beförderung, Unterhaltungsveranstaltungen, Zimmerreinigung) nicht hinzuzurechnen, auch wenn für sie in den Verträgen kein gesondertes Entgelt ausgewiesen sei.
Entscheidung: Keine Hinzurechnung der Hotelkosten
Der BFH widerspricht dem FG. Die Entgelte für die Hotelzimmer und die damit verbundenen Wirtschaftsgüter fallen nicht unter die Hinzurechnung. Nach § 8 Nr. 1 Buchst. d, e GewStG sind Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (mit dem gesetzlichen Anteil) hinzuzurechnen. Die Regelung ist dahin zu verstehen, dass die Wirtschaftsgüter, wenn sie im Eigentum des Nutzers stehen würden, dessen Anlagevermögen zuzurechnen wären ("fiktives Anlagevermögen"; BFH v. 4.6.2014, I R 70/12, BStBl II 2015, 289).
Dauerhafte Widmung für den Betrieb
Die Frage, ob das fiktiv im Eigentum des Unternehmers stehende Wirtschaftsgut zu dessen Anlagevermögen gehören würde, orientiert sich an der Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts, die subjektiv vom Willen des Unternehmers abhängt und sich an objektiven Merkmalen nachvollziehen lassen muss. Bei dem Wirtschaftsgut muss es sich der Art nach um Anlagevermögen handeln, wobei es ausreicht, wenn es dazu gewidmet ist, auf Dauer eine Nutzung im Geschäftsbetrieb zu ermöglichen.
Kein Anlagevermögen bei kurzfristiger anlassbezogener Anmietung
Die Prüfung muss sich am Geschäftsgegenstand des Unternehmens und den tatsächlichen betrieblichen Verhältnissen orientieren. Entscheidend ist, ob die Tätigkeit – das Eigentum unterstellt – wirtschaftlich sinnvoll nur ausgeübt werden kann, wenn das Eigentum langfristig erworben wird. Ein Gegenstand kann zwar auch dem Anlagevermögen zuzuordnen sein, wenn er nur kurzfristig (für Tage oder Stunden) gemietet oder gepachtet wird. Das setzt dann aber voraus, dass der Gegenstand ständig für den Gebrauch benötigt und deshalb vorgehalten wird (BFH v. 30.3.1994, I R 123/93, BStBl II 1994, 810, zur Anmietung von Bestuhlungen durch einen Konzertveranstalter). Deshalb reicht eine kurzfristige anlass- oder auftragsbezogene Anmietung für die Annahme von Anlagevermögen nicht aus.
Der Reiseveranstalter agiert ähnlich einem Händler
Hiervon ausgehend sind die Hotelzimmer, Sportanlagen, Swimmingpools usw.) nicht dem fiktiven Anlagevermögen zuzuordnen. Denn das zeitlich begrenzte fiktive Eigentum an den Zimmern und Einrichtungen dient nicht der dauerhaften Herstellung neuer Produkte. Vielmehr fließt es als Teilprodukt in das Produktbündel "Pauschalreise" ein und verbraucht sich mit deren Durchführung.
Das Geschäft des Reiseveranstalters erfordert nicht den langfristigen Erwerb des Eigentums. Vielmehr versucht der Reiseveranstalter - ähnlich einem Händler - das Vorprodukt "Hotelzimmer und Einrichtungen" möglichst nur in dem Umfang zu erwerben, in dem er einen Absatzmarkt für sein Produkt "Pauschalreise" sieht. Der Reiseveranstalter orientiert sich nicht an der Auslastung des Hotels, sondern am geschätzten Bedarf seiner Kunden. Für den Veranstalter wäre ein langfristiger Erwerb des Eigentums wirtschaftlich nicht sinnvoll, da er auf sich ändernde Kundenwünsche schnell reagieren muss. Deshalb beschränkt er sein Angebot in zeitlicher Hinsicht möglichst genau auf die jeweilige Saison (z.B. Ski-, Tauch-, Wander-, Fahrradreise). Insofern stellt sich auch der wiederholte kurzfristige Erwerb ähnlicher Wirtschaftsgüter nicht als Surrogat einer Entscheidung zur langfristigen Nutzung dar.
Hinweis: Langerwartete Entscheidung zugunsten der Reisebranche
Der BFH lehnt die Auffassung des FG ab, mit der Fiktion des Eigentums sei zugleich die Annahme eines längerfristigen Erwerbs verbunden. Ebenso widerspricht er der Auffassung des dem Verfahren beigetretenen BMF, ein nur für wenige Tage im fiktiven Eigentum stehendes Wirtschaftsgut "schlummere" ganzjährig im Anlagevermögen. Der BFH stellt den Unterschied zum Hotelier heraus. Dieser hält dauerhaft Hotelzimmer bereit. Anders ist es beim Reiseveranstalter, der dem Hotelier das Entgelt nicht für das dauerhafte Bereitstellen der Zimmer bezahlt, sondern dafür, dass sie ihm kurzfristig für die Reisekunden zur Verfügung gestellt werden.
Das FG hat über die Streitfrage in einem Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 FGO entschieden. Mit der Aufhebung dieses Zwischenurteils befindet sich das Verfahren wieder im Stadium vor Erlass des Zwischenverfahrens. Das FG hat - ausgehend davon, dass die Wirtschaftsgüter nicht unter § 8 Nr. 1 Buchst. d, e GewStG fallen - erneut zu entscheiden.
Das Verfahren wurde von der Frosch Sportreisen GmbH, Münster, als Musterverfahren durchgeführt. Das ablehnende Urteil der Vorinstanz (FG Münster v. 4.2.2016, 9 K 1472/13 G, EFG 2016, 925) wurde von der Reisebranche mit Enttäuschung aufgenommen. Das nunmehr ergangene Revisionsurteil bringt die erhoffte Erleichterung. Sie betrifft allerdings nur den Fall, dass der Reiseveranstalter nicht selbst als Hotelier einsteigt und damit das Auslastungsrisiko übernimmt.
BFH Urteil vom 25.07.2019 - III R 22 16 (veröffentlicht am 07.11.2019)
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