Diese Auslegung stößt auf weit verbreitete Kritik in der Literatur (z. B. Heger in Blümlich, EStG, § 33a Rn. 115), weil sie keine Stütze im Gesetz findet. Eine Korrektur habe dann insoweit stattzufinden, als Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person nach wirtschaftlichen Kriterien zuzuordnen sind und die Zahlungen dann nicht abgezogen werden können, wenn der Unterhaltsempfänger im Unterhaltszeitraum im folgenden Kalenderjahr über höhere Einkünfte verfüge.
Bereits der vom BFH anerkannte Ausnahmefall, wonach eine Verwendung der Unterhaltszahlung zur Tilgung bereits aufgelaufener Verbindlichkeiten verwendet werden dürften, zeige, dass die Prinzipien der Abschnittsbesteuerung und der Verausgabung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht uneingeschränkt gälten.
Praxis-Tipp: Der Literatur zustimmende Urteile des FG Nürnberg
Das FG Nürnberg folgt der herrschenden Auffassung in der Literatur (Urteil v. 13.7.2016, 5 K 19/16), wonach das Prinzip der Abschnittsbesteuerung einer Berücksichtigung der für das nächste Kalenderjahr geleisteten Unterhaltszahlung im Jahr der Zahlung nicht entgegensteht.
Zeitliche Begrenzung auf das Kalenderjahr
Eine zeitliche Begrenzung auf das Kalenderjahr sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. § 33a Abs. 3 Satz 1 EStG führe lediglich zu einer Kürzung für volle Kalendermonate, in denen die Voraussetzungen des Abs. 1 dieser Vorschrift nicht vorgelegen haben. Denn die Leistungsfähigkeit nach dem Einkommen durch die Unterhaltszahlung am Ende des Jahres sei in vollem Umfang und nicht nur zu einem 1/12 Anteil (Urteilsfall: Zahlung im Dezember für 5 Monate) gemindert, so dass die Berücksichtigung der Unterhaltszahlung als Steuerermäßigungstatbestand nach dem Verausgabungsprinzip des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG nur im Zahlungsjahr erfolgen könne.
Vergleich mit Spenden
Es wäre auch widersprüchlich, wenn bei einer Überweisung im Dezember eine Steuerermäßigung nur für 1/12, hingegen bei der Überweisung im Januar die Steuerermäßigung für das ganze folgende Kalenderjahr in Anspruch genommen werden könnte. Letztlich verhalte es sich bei einer Unterhaltszahlung am Jahresende nicht anders als bei einer Spende, die ebenfalls noch im zu Ende gehenden Veranlagungszeitraum berücksichtigt wird, auch wenn sie der Spendenempfänger aufgrund des zeitlichen Ablaufs im selben Jahr nicht mehr zweckentsprechend verwenden kann.
Gewandelte Lebensverhältnisse
Zu berücksichtigen sei auch die gewandelten Lebensverhältnisse. Wie inzwischen bekannt ist, verlassen Steuerpflichtige mit unterhaltsberechtigten Familienangehörigen Deutschland nicht regelmäßig nach kurzer Zeit, wie der BFH im Jahr 1974 noch annehmen durfte. Es handele sich eher um ein praktisches Problem bei der Veranlagung, da in Fällen bei einer Zahlung auch für Monate im folgenden Kalenderjahr für die Prüfung der Voraussetzungen des § 33a Abs. 3 Satz 1 EStG bereits die Unterhaltserklärung für den folgenden Veranlagungszeitraum abgewartet werden muss. Hierfür ständen aber entsprechende Instrumente der Abgabenordnung zur Verfügung, beispielsweise die Anordnung einer Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung gem.§ 165 Abs. 1 Satz 1 AO.
Übertragung auf den Beispiel-Fall
Daher wäre nach Auffassung des FG im Beispiel-Fall wie folgt zu rechnen:
Höchstbetrag Algerien nach der Ländergruppeneinteilung 8.472 x 2/4 | 4.236 | ||
zeitanteilig für 6/12 | 2.118 | ||
Rente des Vaters i. H. v. 250 x 12 | 3.000 | ||
./. Werbungskostenpauschbetrag | 102 | ||
./. Kostenpauschale für Bezüge | 180 | ||
= Einkünfte und Bezüge als wären sie im Inland bezogen worden | 2.718 | ||
davon anrechnungsfrei 624 x 2/4 | 312 | ||
Verbleiben | 2.406 | ||
geteilt durch 12 x 6 Monate | 1.203 | ||
Abzugsfähig | 915 |
Revisionsverfahren anhängig
Wie zu erwarten war, läuft gegen die Entscheidung des FG Nürnberg ein Revisionsverfahren vor dem BFH (VI R 35/16). Hier hat der BFH die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu überdenken. Da die Rechtsfrage wieder offen ist, sollte in vergleichbaren Fällen Einspruch eingelegt werden, bis der BFH entschieden hat. Einsprüche ruhen kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.
Das FG Nürnberg hatte bereits mit Urteil v. 12.02.2014 (5 K 487/11) entgegen der Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung entschieden. Da aber im Urteilsfall die Unterhaltsbescheinigung unvollständig war, hat sich der BFH mangels Rechtserheblichkeit zu der Kritik des FG an der bisherigen Rechtsprechung des BFH nicht mehr geäußert.
Weiteres FG-Urteil folgt der herrschenden Auffassung in der Literatur
Aktuell hat auch das FG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 18.2.2016, 5 K 4220/12 Rev. eingelegt, Az beim BFH VI R 33/16) die Auffassung des FG Nürnberg bestätigt. Für die Praxis empfiehlt es sich aber, die (erste) Zahlung - wenn möglich - in den Januar zu verlagern, weil dann der Höchstbetrag für das ganze Jahr angenommen wird. Dies gilt selbst dann, wenn keine weiteren Zahlungen im Jahr erfolgen.