Teil 4 - Organisationsanpassung: Umbau der Kanzlei bei laufendem Geschäft


Organisationsanpassung: Umbau der Steuerkanzlei

Geradezu zwangsläufig ergibt sich aus einer neuen, für die Zukunft angestrebten strategischen Positionierung, dass die Strukturen und Prozesse der Kanzlei angepasst werden müssen. Je nachdem, auf welchem Niveau von Organisiertheit sich Ihre Kanzlei vor einem Strategieprozess befindet, ergeben sich aus Ihrer Strategie unterschiedliche Teilprojekte der organisationalen Anpassung.

Unabhängig von der Zukunftsentwicklung der Kanzlei sieht die Initiative Steuerberatung 2020 der Bundessteuerberaterkammer (BStBK, Steuerberatung 2020, S. 76) die möglichst positive Beantwortung der folgenden Fragen als Grundvoraussetzungen dafür an, wesentliche strategische Veränderung vorzunehmen:

  • Erfüllt die Kanzlei die Kernkompetenzen der Steuerberatung?/Nehmen Steuerberaterinnen und -berater regelmäßig an Fortbildungen teil?
  • Hat die Kanzlei ein klares Dienstleistungsportfolio mit den erforderlichen Kernkompetenzen? 
  • Gibt es darauf aufbauend standardisierte und optimierte Prozesse? [QM-System]
  • Verfügt die Kanzlei über ein professionelles Erscheinungsbild? [Corporate Design]
  • Erwartet das Personal eine verantwortungsvolle Führung durch Vorgesetzte? Sind die Arbeitsbedingungen attraktiv? Hat das Personal optimale Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten?

Darüber hinaus haben sich in der Praxis für die Organisation von Kanzleien folgende Fragestellungen als besonders relevant herausgestellt – ganz unabhängig von der strategischen Richtung der Kanzlei:

  • Sind im Team klare Ziele bzgl. Jahresabschlusserstellung vereinbart?
  • Gibt es eine Auftragsplanung (inkl. Controlling) auf Basis Mitarbeiterkapazität, Umsatz- und Deckungsbeitrag je Mandantenauftrag/Mitarbeiterin oder Mitarbeiter/Team/Zeiterfassung? Wird diese klar und regelmäßig im Team kommuniziert?
  • Werden Honorare und genauer Arbeitsumfang mit Mandantinnen und Mandanten immer im Vorhinein geklärt? Kennen die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer rechtzeitig diese Vereinbarungen mit den Mandantinnen und Mandanten?
  • Gibt es einen regelmäßigen Prozess, bei unrentablen Mandaten die Honorare anzupassen bzw. sich professionell von solchen Mandaten zu trennen?
  • Es werden jährlich mindestens ein Mal mit jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter Zielgespräche/Entwicklungsgespräche durchgeführt.
  • Finden Team-/Projektteam-/Teamleiter-/Partnerkreissitzungen regelmäßig statt?
  • Wird jährlich eine ein- bis dreitätige Kanzleiklausurtagung zur Jahresplanung mit dem gesamten Kanzleiteam durchgeführt?

Für Kanzleien geht es häufig um nachhaltige Entwicklung immer neuer Kompetenzen und um die Adressierung des Dauerproblems der "Unterdelegation", auf die strukturelle Antworten gefunden werden müssen, die sich aus einer neuen strategischen Positionierung ergeben.

Aufgrund der Vielfalt, Komplexität, und sich dynamisch ändernden Gegebenheiten, die in Ihrer Strategie eine Rolle spielen, liegt es in der Natur der Sache, auch generell die Herangehensweise an Kanzleiorganisation im Sinne der Definition von Strukturen und Prozessen zu überdenken und öfter als früher zu hinterfragen. Als Stichworte seien hier auch "New Work" und agiles Projektmanagement sowie andere agile Arbeitsmethoden genannt.

Relevante Strategie-Tools für diese Phase:

  • QM-System: Prozesslandkarte, Prozessbeschreibungen, Software für QM und Kanzleistandards
  • Kanzleihandbuch
  • Funktionsbeschreibungen/Funktionsmatrix
  • Kompetenzmatrix
  • Organigramm
  • Ggf. Softwareumsetzung (Kanzlei-Social-Intranet, Signavio, Datev ProCheck, …)
  • Persönlicher Erfolgsplan Mitarbeiterin/Mitarbeiter
  • Projektplan
  • Standard für Kanzleimeetings und Besprechungen (Kanzlei- oder Teamsitzung) im Kanzlei-Social-Intranet

Strategisches Controlling und Implementierung

Es ist ersichtlich, dass bei der Vielzahl der Themen – von Visionsentwicklung über Dienstleistungsentwicklung, strategische Positionierung, Qualitätsmanagement, Personalentwicklung und Marketingplanung – die Umsetzung der Strategie einige Zeit in Anspruch nehmen wird; realistischerweise einige Jahre.

Der Sinn der Steuerung durch das strategische Controlling des Strategieprozesses Ihrer Kanzlei ist es deshalb, gleichzeitig den Status und die Zielerreichung der initial aufgestellten Pläne zu verfolgen wie auch möglichst praktikabel und mit wenig Administrationsaufwand über den Zeitverlauf Anpassungen an dem Plan vornehmen zu können. Letzteres wird im Detail permanent nötig sein, da sich die Gegebenheiten innerhalb und außerhalb der Kanzlei erwartungsgemäß nicht an Ihre ausgeschriebenen Pläne halten werden.

Selbstredend ist auch die Umsetzung Ihrer Strategie derjenige Teil der strategischen Entwicklung und Strategiearbeit Ihrer Kanzlei, der den größten Aufwand und die größte Zeit in Anspruch nimmt. Umso wichtiger ist es deshalb, von Anfang an für alle Beteiligten – im Zweifelsfall das gesamte Kanzleiteam – leicht verständliche, leicht handhabbare und vor allem transparente Methoden und Tools zur Projektplanung, Steuerung und Umsetzung sowie Kommunikation darüber mit zu bedenken. Ein entscheidender Knackpunkt dabei ist, die strategischen Themen in die alltägliche operative Kommunikation der Kanzlei zu integrieren, mehr dazu weiter unten. Als verhältnismäßig einfaches Tool zur strategischen Steuerung der Kanzleientwicklung wird im nächsten Teil dieser Serie das persönliche Erfolgstagebuch vorgestellt.

Welche Controllingmethoden und Tools Sie am Ende einsetzen, hängt natürlich in erster Linie von Ihren Wünschen und Bedürfnissen ab. Entscheidend in der Umsetzung bleibt, dass die strategischen Themen permanent – d.h. beispielsweise mindestens im Wochentakt – aktiv vorangetrieben werden und mindestens monatlich in einem Strategie-Umsetzungssteuerungskreis über den aktuellen Status intern kommuniziert wird.

Um die interne Motivation aufrecht zu halten, ist dabei auch besonders wichtig, Umsetzungserfolge – auch wenn sie noch so klein sind – möglichst im gesamten Team zu feiern, damit trotz Belastung durch das Tagesgeschäft auch erkennbar bleibt, dass es strategisch vorangeht. Zu leicht wird in der Praxis der Fehler gemacht, erledigte Aufgaben einfach "abzuhaken", und zur nächsten Aufgabe überzugehen. Dieses ganz natürliche Herangehen kann dazu führen, dass sich das Gefühl ausbreitet, der Arbeitsberg nehme nicht ab und man erreiche gar nichts. Sich Erfolge zu vergegenwärtigen, zu visualisieren und darüber zu kommunizieren, genauso wie sich über Umsetzungsschwierigkeiten auszutauschen und dafür Lösungen zu finden, sind deshalb in der Umsetzungsphase und für das strategische Controlling entscheidend.

In den folgenden beiden Abschnitten dieses Beitrages werden dafür pragmatische, auf Kanzleien zugeschnittene Methoden vorgestellt. Sie sollten auch die Leitfragen von R. Nagel auf sich wirken lassen, um für Sie und Ihre Kanzlei passende Methoden zu finden bzw. zu adaptieren:

  • Welches Controllingsystem ist für Ihre Kanzlei am besten geeignet, um die Wirksamkeit der Strategien konsequent im Blick zu behalten?
  • Durch welche Maßnahmen werden die wichtigsten wirtschaftlichen Eckdaten intern transparent gemacht?
  • Mit welchen Maßnahmen tragen Sie dazu bei, Ihre bestehende Kanzleikultur weiterzuentwickeln?
  • Wie überprüfen Sie die gemeinsamen Grundüberzeugungen und wie können Sie über die sogenannten "weichen" Faktoren sprechen?
  • Welche Folgeprobleme, die durch die Veränderung entstanden sind, müssen künftig besonders beachtet werden? Wer wird sich darum kümmern?
  • Wie werden die wichtigsten Lernerfahrungen aus dem Strategieprozess dokumentiert? Gibt es ausreichend Gelegenheiten für Zwischenauswertungen?
  • Sind alle relevanten Entscheidungsträgerinnen und -träger in den Strategieprozess eingebunden?
  • Durch welche Formen konstruktiver Diskussion wird die strategische Intelligenz der Kanzlei mobilisiert?
  • Ist der Strategieprozess mit vorhandenen Steuerungssystemen in der Kanzlei (etwa der operativen Planung, einer Balanced Scorecard, Zielvereinbarungen, Mitarbeitergesprächen und Ähnlichem mehr) konzeptionell abgestimmt?
  • Gibt es einen verbindlichen Projektplan, in dem auch die Implementierungsphase berücksichtigt wurde?
  • Welche begleitenden Maßnahmen zur Unterstützung des Prozesses sind vorgesehen (etwa Weiterbildung, begleitende Informations- und Kommunikationspolitik und Ähnliches mehr)?

Integration strategischer Themen in die Regelkommunikation der Kanzlei

Betrachtet man die Strategieschleife mit etwas Abstand, so stellt man fest, dass die ganzheitliche strategische Entwicklung der Kanzlei eine durchaus komplexe Angelegenheit ist. Üblicherweise sind Kanzleien dauerhaft und im Zeitverlauf mit den einzelnen Themen die es zu entwickeln gilt – Qualitätsmanagement, Dienstleistungsentwicklung, Marketing, Personalentwicklung beispielsweise –, zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich intensiv beschäftigt.

Bei der strategischen Entwicklung gilt es dabei dann immer, folgende Eckplanken nicht aus den Augen zu verlieren:

  1. Die Fokussierung der strategischen und operativen Aktivitäten und Maßnahmen auf wenige, maximal 3 bis 4 langfristige Ziele der strategischen Kanzleientwicklung, die es zu erreichen gilt.
  2. Regelmäßige, mindestens monatliche Reflexion darüber, wie die aktuelle operative Entwicklung der Kanzlei auf die strategischen Ziele einzahlt.
  3. Kurzfristiges Feiern von Erfolgen, um die Motivation aufrecht zu erhalten.
  4. Permanente Anpassung der Strategie/Projektpläne/Einzelmaßnahmenpakete auf neue interne und externe Gegebenheiten (Risiken und Chancen, die sich erst im Zeitverlauf neu auftun).
  5. Vermeidung der vier Stolperfallen bei der Umsetzung (S.R. Covey) durch professionelle tägliche Führungskommunikation (mehr zum Thema Stolperfallen bei der Umsetzung).

Üblicherweise sollte hier von zwei Seiten angesetzt werden, um die nötige Koordination und somit die Überführung des strategischen Entwicklungsprozesses in den Kanzleialltag zu gewährleisten: 

  1. Es muss ein durchdachtes, pragmatisches und möglichst einfach handhabbares Kanzleimanagementsystem geben. Neben Softwarelösungen (z.B. Apps zur internen mobilen Kommunikation, Bridge, Signavio, Intergator, Social Intranet, etc.) reichen hier häufig bei kleineren Kanzleien Word- und Excel-Dateien. Im nächsten Beitrag der Serie wird mit dem persönlichen Erfolgstagebuch eine besonders pragmatische Lösung für Kanzleien vorgestellt.
  2. Die persönliche Kommunikation in der Kanzlei über die Verteilung von Verantwortung zur Zielerreichung und Umsetzung von Maßnahmen auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollte durch eine strukturierte, durchdachte und effektive rege Kommunikation gewährleistet werden.

Grundlegende und idealtypische Aspekte einer Kanzlei, rege Kommunikation und wie sie individuell für die Kanzlei entwickelt wird, finden Sie im Folgenden. Die Beobachtungen in der Praxis zeigen, dass hier jede Kanzlei ganz individuelle Lösungen ausprobieren und für sich und die eigene Arbeit finden muss; gerade in kleineren Kanzleien ist zu beachten, was (vermeintlich) effektive Zwischen-Tür-und-Angelkommunikation leisten kann und wo es einen eher klar strukturierten Rahmen braucht, um die strategischen Ziele, Aufgaben sowie den Status der Umsetzung bei einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Blick zu behalten.

Zu bedenken ist dabei immer auch, über welchen Umsetzungsstatus, welche Erfolge und Fragen bzw. Schwierigkeiten, die sich aus der Umsetzung ergeben, das gesamte Kanzleiteam zu informieren oder zu befragen ist. Der Fokus sollte auch in der Motivation liegen – es sollte nicht vergessen werden, bei erreichten Zielen und umgesetzten Maßnahmen sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, bevor man sich der nächsten Herausforderung zuwendet.

In der Praxis von gut organisierten Kanzleien haben sich folgende Elemente einer strukturierten Regelkommunikation etabliert:

  • Mitarbeiter-Einzel-Gespräch (MEG) & Zielgespräche
  • Partner-Klausurtagung (zwei- bis viermal jährlich)
  • Partner-Sitzungen (wöchentlich bis 14tägig)/"Stille Stunde Strategie und Planung" (für Einzelkanzlei)
  • jährliche Kanzlei-Klausurtagung (alle)
  • wöchentl. Team- und Teamleitersitzungen (bei Teamstruktur)
  • Projektteammeeting/Prozessteammeeting/fachliche Arbeitsgruppen in der Kanzlei
  • Kanzlei-Standup-Meeting (ein- bis viermal pro Monat
  • Stimmungsbarometer/MA-Wochenreport
  • Kanzlei-Social-Intranet
  • Webconference-Tools
  • Projektplanung/Protokolle/Statusberichte

Art und Umfang, Teilnehmerzusammensetzung sowie Länge der einzelnen Meetings oder auch Tagungen sind je nach den Gegebenheiten in der Kanzlei nahezu völlig variabel. Hier sollte sich gemeinsam im Kanzleiteam ein Bild verschafft werden – inklusive eines jährlichen Reviews der Effektivität der internen Kommunikation. So wird sichergestellt, dass die Regelkommunikation den jeweiligen Kommunikationserfordernissen in der Kanzlei anpasst.

Teil 5 - Das persönliche Erfolgstagebuch