Dabei geht es darum, nicht allein aus Sicht der aktuell wahrgenommenen Herausforderungen in die Zukunft zu blicken, sondern darüber hinaus in einem kreativen Akt mögliche und insbesondere wünschenswerte Zukunftsentwürfe von sich als Kanzlei zu entwickeln. Diese sollten sich möglichst deutlich vom Status quo unterscheiden.
Erfolgreich ist diese zweite Phase der Strategieschleife, wenn es gelingt, mehrere realistische strategische Optionen auszuarbeiten, die in dieser Form keinem der Beteiligten bekannt waren.
Um echte Entscheidungsmöglichkeiten für die Strategie aufzubauen hat es sich bewährt, mindestens 3 unterschiedliche Szenarien für die Zukunft der Kanzlei zu entwickeln. Diese sollten Faktoren berücksichtigen, die für die Zukunft relevant sind, aber deren Ausprägung in einer konkreten Zukunft – beispielsweise in 5 oder 10 Jahren – unklar ist. So können konkrete Szenarien entwickelt werden, in denen diese Faktoren eingetreten sind oder nicht. Dabei geht es um Entwicklungen am Markt, Wettbewerb, Kundenbedürfnissen oder technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. Wegfall oder Beibehaltung des Berufsrechts).
Ein vollständiges Zukunftsbild beinhaltet interne wie externe Faktoren. Intern sind die Aufstellung des Teams, Kernkompetenzen, Prozesse und Expertise wichtig, für das Geschäftsmodell der Zukunft sollten Zielgruppen, Kundennutzen und Kundenbedürfnisse in die Betrachtung gezogen werden. Nicht zuletzt sollten Sie auch unterschiedlichen betriebswirtschaftliche Rahmenbedingen bedenken – soll Ihre Kanzlei stark wachsen? Konktinuierlich oder bis zu einer bestimmten Größe?
Relevante Strategie-Tools für diese Phase:
- Zukunftswerkstatt
- Business Model Canvas
- Leitbild, Vision
- Szenarien für Funktionsmatrix, Kompetenzmatrix, Organigramm etc.
Entscheiden zwischen Strategieoptionen
Beim Entscheiden zwischen den verschiedenen erarbeiteten Strategieoptionen gilt es, eine gesunde Mischung aus rationalen Methoden, die auf Zahlen, Daten und Fakten beruhen, und Bauchgefühl einzusetzen. Das Ziel ist es letztlich, dass alle Beteiligten, die die Strategie umsetzen sollen, eine sichere Grundüberzeugung gewonnen haben. Denn nur so kann die nötige Schubkraft für die weitere Kanzleientwicklung gewonnen werden.
Ganz im Sinne der feurigen Beschreibung der Visionen des Leitbildes gilt es, ein stimmiges und vor allem emotional überzeugendes Bild von der künftigen Identität der Kanzlei zu schaffen, das das Team nachhaltig und auf breiter Basis mobilisiert und motiviert.
Genauso relevant ist es, die verschiedenen Zukunftsszenarien einem noch gründlicheren Plausibilitätsscheck, einer betriebswirtschaftlichen Bewertung sowie einer gründlichen Risikoeinschätzung zu unterziehen.
Für die Qualität der Entscheidung ist es relevant, geeignete individuelle Kriterien zur Beurteilung der Szenarien zu entwickeln. In der Strategiearbeit des Autors mit Kanzleien haben sich zur Szenariobeurteilung folgende Kriterien als praxistauglich herausgestellt: Chancen, Risiken, Cashflow jetzt, nötige Investitionen, laufende Kosten, Abhängigkeit von externe Gegebenheiten, Abhängigkeit von externen Partnern, Mandantenperspektive, Mitarbeiterperspektive, Kanzleiinhaber-Perspektive, nächste und offensichtliche Schritte im Szenario.
Relevante Strategie-Tools für diese Phase:
- Strategie-Klausurtagung Partnerebene
- Planrechnungen
- Business Model Canvas
- kritisches Hinterfragen der Zukunftsszenarien
Strategische Positionierung
Nach der Entscheidung für ein Zukunftsszenario geht es nun darum, dieses Zukunftsbild zu verfeinern und weitere Details auszuarbeiten. Es bietet sich an, für verschiedene Themenbereiche auch gesonderte Projektpläne zu erarbeiten, um den Überblick über verschiedene strategische Initiativen zu behalten und Verantwortung für unterschiedliche Themen auf mehrere Schultern zu verteilen.
Im Kern steht zunächst die vertiefte Beschäftigung mit dem Geschäftsmodell und dem Leistungsangebot der Kanzlei. Denn aus dieser eher kundenorientierten Perspektive leiten sich Fragen bezüglich der weiteren internen Gestaltung ab – beispielsweise Personalentwicklung, Strukturen und Prozesse, Digitalisierungsinitiativen usw. An diesen Stellen wird auch die Brücke von Gegenwart zu Zukunft geschlagen: Es muss beispielsweise ersichtlich sein, auf welche Art und Weise auf Basis der aktuell vorhandenen Kompetenzen in der Kanzlei die Kompetenzen des künftigen Kanzleiteams aus dem Zukunftsbild entwickelt werden, mit einem schlüssigen Personalentwicklungs- und -gewinnungsplan für den entsprechenden Zeitverlauf. Ebenso sollten für bestimmte Dienstleistungen, Geschäftsfelder und Mandantengruppen erwartete oder angenommene Umsatzentwicklungen oder Gewinnung von Neukunden im relevanten Segment detailliert geplant werden.
In der Kanzlei wird so deutlich, welche Maßnahmen man schon heute ergreifen muss, um im künftigen Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können.
Relevante Strategie-Tools für diese Phase:
- Leistungsportfolio der Kanzlei
- Leitbild
- Value Proposition Canvas (s. unten)
- Strategische Positionierungen je Geschäftsfeld
- trinfactory Führungsmodell
- Persönliches Erfolgstagebuch
- Softwareumsetzung (z.B. Signavio, Datev ProCheck, Bridge)
- Projektpläne je Maßnahmenpaket / Grundstrategie
Eine stärkere Kundenorientierung und die (Weiter-)Entwicklung von wertvollen Dienstleistungen und Beratungsangeboten stehen häufig im Kern von strategischen Initiativen in Kanzleien. Stellvertretend für Maßnahmenpakete oder Projektpläne für andere Themen wie Personal oder Qualitätsmanagement finden Sie hier einen Muster-Projektplan für die Vorgehensweise der Dienstleistungsentwicklung mit dem Value Proposition Canvas:
Dienstleistungsentwicklung mit "Value Proposition Design"Dienstleistungen verbessern, innovieren oder entwickeln ( "Value Proposition Design" von Osterwalder/Pigneur/Bernardara/Smith) |
Auswahl eines Geschäftsfeldes und einer Mandantengruppe daraus, um mit dem Value Proposition Design…
> Wählen Sie einen oder mehrere Zwecke von 1 bis 6 aus, nachdem Sie Geschäftsfeld und Mandantengruppe festgelegt haben. |
Erarbeitung eines Mandantenprofils
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Erarbeitung eines Wertangebotes
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Abgleich Mandantenprofil mit Wertangebot
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Ableitung von Maßnahmen…
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Mit dem Konzept des Value Proposition Design zur Dienstleistungsentwicklung kann man in unterschiedlichen Intensitäten arbeiten: In mehrtägigen Workshops, oder mit einer Kurzvariante, die in einer Teambesprechung zwischen 45 und 90 Minuten dauert.
Der entscheidende Vorteil des Arbeitens mit dieser Methode ist, dass in Bezug auf die eigenen Dienstleistungen konsequent die Perspektive der Zielgruppen eingenommen wird. Sie stellen sich sozusagen in die Schuhe der Mandantinnen und Mandanten, die Sie beraten wollen. Auf diese Weise kommen Sie auf für Ihre Mandantinnen und Mandanten besonders wertvolle Aspekte, die aus einer rein fachlichen Sicht heraus eine nur untergeordnete Rolle spielen würden und deshalb häufig im Tagesgeschäft übersehen werden. Doch gerade hier liegt viel ungenutztes Honorarpotenzial in Ihrer Kanzlei, sowie die Möglichkeit, dass Sie sich durch besonders zielgruppenorientierte Dienstleistungen und Angebote von ihren Wettbewerberinnen und -bewerbern strategisch abheben.
Teil 4 - Organisationsanpassung: Umbau der Kanzlei bei laufendem Geschäft