Vor vielen Jahren saßen Steffen Schwartz-Höfler und ich gemeinsam auf einem Panel bei einer Veranstaltung des Rats für nachhaltige Entwicklung in Frankfurt am Main. Ab diesem Zeitpunkt war ich beeindruckt von Steffen. Damals noch im Nachhaltigkeitsteam bei einem Stahlhersteller erlaubte er mir als Nachhaltigkeitsmanager im Mittelstand Einblicke in seine Arbeit im Konzern. Bei der Produktion der zweiten Podcast-Staffel von „Shifting Minds“ war die Anfrage an ihn ein Zittermoment, ich wollte ihn unbedingt zum Thema Reporting im Konzern interviewen. Er ist mittlerweile Head of Sustainability bei Continental und hat die damalige Erfahrung um ein Vielfaches vertieft. Steffen sagte zu und nach einigen technischen Herausforderungen klappte es mit dem Gespräch.
Wir tauchen tief in die komplexe Welt der Nachhaltigkeitsregulatorik ein – und Steffen nutzt einen treffenden Vergleich. Er vergleicht die Herausforderungen, vor denen Unternehmen heute stehen, mit einer Safari. Diesen Vergleich finde ich so treffend, dass ich schon jetzt Steffens Bildsprache mit euch teilen will. Der Podcast dazu erscheint nächste Woche, aber dieser metaphorische Blick auf die Nachhaltigkeitswelt ist einfach zu gut, um ihn nicht schon jetzt zu diskutieren.
Die „Big Five“ der Regelwerke
Steffen beschreibt die regulatorische Landschaft als eine Dornbuschsavanne, die schwierig zu durchdringen ist und ständig neue Überraschungen bereithält. Einige Herausforderungen begegnen den Unternehmen direkt auf dem Weg. „Manchmal weißt du nicht, was sich hinter dem nächsten Busch verbirgt. Ob es eine harmlose Situation ist oder ob du plötzlich einem mächtigen Tier gegenüberstehst“, erklärt er. Diese „Tiere“ repräsentieren die wichtigsten Regelwerke und Vorschriften, die Unternehmen heute im Bereich der Nachhaltigkeit beachten müssen. Schauen wir uns also die „Big Five“ an:
Eines der größten Tiere in dieser metaphorischen Savanne ist der „CSRD-Elefant“. Er steht für die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die für Unternehmen in der EU eine immer größere Rolle spielt. „Dieser Elefant verändert das gesamte Ökosystem“, sagt Steffen. Die CSRD bringt nicht nur umfassende Berichterstattungspflichten mit sich, sondern beeinflusst auch die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsstrategien gestalten. Unternehmen, die in Europa tätig sind, werden zwangsläufig von diesem Dickhäuter betroffen sein. „Aber der Elefant kommt nicht allein“, fügt er hinzu. „Er wird von einer ganzen Herde begleitet, etwa den European Sustainability Reporting Standards (ESRS).“
Der CSRD-Elefant besitz nicht nur eine einschüchternde Macht und Größe. Die Herde ist darüber hinaus ständig in Bewegung und lässt Unternehmen nicht zur Ruhe kommen, so Steffen. Manchmal, so sagt er, machen einige Elefanten „Scheinangriffe“, während andere friedlich vor sich hin grasen. Doch selbst wenn sie gerade nicht aktiv scheinen, darf man sie nie aus den Augen lassen.
Ein weiteres Bild ist die „Büffelherde“ der EU-Taxonomie. „Die Büffel stehen für die grüne Taxonomie“, erklärt Steffen, „und diese Herde wächst ständig weiter.“ Die EU-Taxonomie soll definieren, welche Geschäftsaktivitäten als nachhaltig gelten, doch das Bild bleibt oft unklar. „Die Ranger“, sagt Steffen, und meint damit die Nachhaltigkeitsmanager:innen der Unternehmen, „haben schon viele Fotos von dieser Herde gemacht, aber sie verändert sich ständig. Jedes Jahr sehen die Bilder der Büffelherde anders aus.“ Es gibt immer wieder neue Ergänzungen, delegierte Rechtsakte und FAQs, die das Bild der Taxonomie prägen. Da ist es eine Herausforderung, den Überblick zu behalten.
Besonders spannend finde ich die Beschreibung des Nashorns. Dieses verwendet Steffen als Metapher für das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). „Das LkSG-Nashorn ist meist friedlich, solange man es in Ruhe lässt“, erklärt er. „Aber wenn man nicht aufpasst oder die Regeln missachtet, kann es gefährlich werden.“ Das Lieferkettengesetz, das Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte und Umweltstandards entlang ihrer gesamten Lieferkette zu wahren, kann schnell zur Stolperfalle werden, wenn die Prozesse nicht sauber implementiert sind. Das Nashorn im Griff zu haben scheitert häufig daran, dass viele Unternehmen noch nicht genau wissen, wie sie mit den Anforderungen umgehen sollen.
Und dann gibt es noch den König der Tiere: den Löwen. „Der Löwe symbolisiert die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)“, erklärt Steffen weiter. Diese Richtlinie wird in den kommenden Jahren eine zentrale Rolle dabei spielen, Menschenrechte und Umweltrechte in der Unternehmenspraxis zu verankern. „Dieser Löwe hat sich 2024 durchgekämpft und wird die Savanne betreten – und zwar mit einem ganzen Rudel.“ Steffen spricht davon, dass dieser Löwe in den kommenden Jahren eine ungeheure Kraft entfalten wird, um ambitionierte Klimaschutzziele und Menschenrechtsstandards verbindlich zu machen. „Es kann jedoch noch bis 2026 oder 2027 dauern, bis das Rudel vollständig aktiv wird.“
Schließlich führt uns Steffen zum „Leoparden des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)“. „Der Leopard ist ein Einzelgänger und schwer zu fassen“, sagt er. „Aber er lauert immer im Hintergrund.“ Der Deutsche Corporate Governance Kodex hat in den letzten Jahren zunehmend Nachhaltigkeitsaspekte in die Arbeit von Vorständen und Aufsichtsräten eingebracht, und dieser Einfluss wird weiterwachsen. „Einige erfahrene Ranger wissen genau, wie sie den Leoparden aufspüren und aus sicherer Entfernung gute Aufnahmen von ihm machen können“, erklärt Steffen. „Aber wehe dem Guide, der unvorbereitet ist.“
Natürlich wäre ein Cluburlaub einfacher – aber eine Safari vergisst man das ganze Leben nicht mehr
Was mich an Steffens Metaphern so begeistert, ist nicht nur die bildhafte Sprache, sondern auch die Klarheit, die sie in dieses komplexe Thema bringt. Die Big Five der Nachhaltigkeitsregulatorik – der Elefant, die Büffelherde, das Nashorn, der Löwe und der Leopard – stehen für die großen Herausforderungen, denen Unternehmen heute gegenüberstehen. Aber Steffen betont auch, dass eine erfolgreiche Safari nicht ohne einen Plan funktioniert. „Man sollte keine Safari allein bestreiten“, sagt er. Unternehmen müssen sich gut vorbereiten, eine klare Route festlegen und sich mit erfahrenen Rangern zusammenschließen, um den Überblick nicht zu verlieren. In der Savanne gibt es außerdem natürlich nicht nur die Big Five. Es gilt, viele weitere kleinere, aber ebenso wichtige Regelungen, wie beispielsweise die Entwaldungsverordnung oder die Modern Slavery Acts verschiedener Staaten, im Blick zu behalten, so Steffen.
In unserem Gespräch, das ihr nächste Woche im Podcast hören könnt, gibt Steffen noch viele weitere wertvolle Einblicke. Vor allem aber bleibt die Botschaft hängen, dass Unternehmen nicht nur flexibel und anpassungsfähig sein müssen, sondern auch den Spaß an der Sache nicht verlieren dürfen. „Sicherlich ist ein Cluburlaub auf Mallorca weniger komplex und aufwändig als eine Safari zu den Big Five“, sagt er schmunzelnd, „aber eine Safari vergisst man das ganze Leben nicht mehr. Auch wenn es hier eine Nachhaltigkeitssafari ist.“
Ich hoffe, ihr versteht jetzt, warum ich ein Steffen-Fanboy bin.
Euer
Alex Kraemer
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