Praxisreport: B-Corp Zertifizierung als Wegweiser


Praxisreport: B-Corp Zertifizierung als Wegweiser

Die B-Corp-Zertifizierung gewinnt zunehmend an Bedeutung als Maßstab für Unternehmen, die sich sozialen und ökologischen Zielen verpflichtet fühlen. In diesem Praxisbericht beleuchten wir die Erfahrungen von drei Unternehmen, die den Zertifizierungsprozess durchlaufen haben. Was war ihre Motivation für die Zertifizierung, welche Stolpersteine gab es und welche Tipps können andere nutzen?

Die B-Corp-Zertifizierung ist ein international anerkanntes Gütesiegel für Unternehmen, die höchste Standards in Bezug auf soziale und ökologische Leistung, Transparenz und rechtliche Verantwortung erfüllen. Unternehmen, die sich als B Corp zertifizieren lassen, verpflichten sich, nicht nur den finanziellen Gewinn zu maximieren, sondern auch positive Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt zu erzielen. Dieser Praxisbericht beleuchtet die Erfahrungen der Unternehmen Wildling Shoes, Codecentric und Schumacher – Brand + Interaction Design, die den Zertifizierungsprozess durchlaufen haben, und gibt Einblicke in ihre Motivation, die Vorteile des Netzwerks, den Prozess, Stolpersteine, Tipps, Kritik und Weiterentwicklungsmöglichkeiten.

Motivation für eine B-Corp-Zertifizierung

Die Motivation, sich als B Corp zertifizieren zu lassen, ist unterschiedlich, aber bei allen Unternehmen steht der Wunsch, über den reinen Geschäftserfolg hinauszugehen und sich für eine bessere Welt einzusetzen, im Vordergrund. Anna Yona, Gründerin und Geschäftsführerin von Wildling Shoes, beschreibt: "Wir dachten, dass wir schon viel tun, aber wie sieht das von außen aus und was davon kann uns bestätigt werden? Für Wildling Shoes war es zudem wichtig, Vertrauen auf dem US-amerikanischen Markt aufzubauen, wo die B-Corp-Zertifizierung deutlich bekannter ist als in Deutschland.

Auch Lars Rückemann, Vorstand der Codecentric AG, betont, dass das Engagement für Corporate Social Responsibility (CSR) aus intrinsischer Motivation heraus entstanden ist. „Wir haben die B-Corp-Zertifizierung vor allem angestrebt, um unseren verschiedenen CSR-Projekten einen gemeinsamen Rahmen und eine klare Richtung zu geben“, erklärt Rückemann. Für Codecentric sei es weniger um das Siegel gegangen, sondern vielmehr um den logischen nächsten Schritt, um die CSR-Aktivitäten voranzutreiben.

Verena Schumacher, Gründerin der Designagentur Schumacher, sieht in der Zertifizierung eine Möglichkeit, Nachhaltigkeitsaspekte im Unternehmen systematisch zu erfassen und kontinuierlich zu optimieren. „Wir möchten Teil einer globalen Bewegung sein, deren Unternehmensziele über den reinen Geschäftserfolg hinausgehen und die sich für eine bessere Welt einsetzt“, so Schumacher.

Vorteile des B Corp-Netzwerks

Das B-Corp-Netzwerk bietet zahlreiche Vorteile, die weit über die eigentliche Zertifizierung und deren Marketingeffekt hinausgehen. Lars Rückemann betont, dass die Zertifizierung einen Rahmen schafft, der es ermöglicht, das eigene Engagement für nachhaltiges Wirtschaften langfristig zu gestalten und kontinuierlich zu intensivieren. „Besonders wertvoll ist die Möglichkeit, sich mit anderen Unternehmen auszutauschen und von deren Erfahrungen zu lernen“, betont Rückemann. Oft stehen Unternehmen branchenübergreifend vor ähnlichen Herausforderungen und der Austausch im Netzwerk kann wertvolle Erkenntnisse liefern. Diesen Aspekt der Vernetzung mit gleichgesinnten Unternehmen im Rahmen verschiedener Formate - wie Vernetzungsplattformen und monatlichen Community Calls - empfindet auch Verena Schumacher als sehr wertvoll.

Ein weiterer Vorteil des Netzwerks sei die Möglichkeit, die Erfahrungen aus dem Zertifizierungsprozess mit den eigenen Kunden zu teilen, so Rückemann. Er sagt: „Viele unserer Kunden wollen sich nachhaltig aufstellen: Als Teil der B-Corp-Bewegung können wir ihnen als Sparringspartner auf Augenhöhe begegnen, da wir selbst einen aufwendigen Nachhaltigkeitsprozess durchlaufen haben – und weiterhin durchlaufen.“

B-Corp-Zertifizierungsprozess: Ein anspruchsvoller Weg

Der Weg zur B-Corp-Zertifizierung ist anspruchsvoll und mit einigem Aufwand verbunden. Je nach Unternehmen kann der Zertifizierungsprozess bis zu zwei Jahre dauern. Lars Rückemann berichtet: „Wir mussten unseren gesamten CSR-Prozess genau unter die Lupe nehmen und uns die Frage stellen, ob unser Ansatz tatsächlich zielführend ist.“ Dies kann manchmal unbequem sein, aber es hilft, die CSR zielgerichtet aufzubauen und Verbesserungspotenziale zu identifizieren.

Das B Corp Assessment bietet einen Rahmen, an dem sich Unternehmen orientieren können, um ihren Status quo zu erfassen. Anna Yona gibt zu: „Das Assessment ist schwierig zu navigieren, bestimmte Felder schalten sich erst frei, wenn andere ausgewählt wurden.“ Das Ausfüllen des Assessments nimmt einige Zeit in Anspruch. Vor allem in einer späteren Phase, wenn die Aussagen mit Dokumenten belegt werden müssen, ist der Aufwand hoch. Viele Unternehmen haben zwar bereits zahlreiche Nachhaltigkeitsaspekte in ihren Alltag integriert, diese jedoch noch nicht dokumentiert. Doch die Dokumentation macht vieles erst greifbar und ist Voraussetzung für den Optimierungsprozess.

Ein sehr positiver Nebeneffekt des Assessments ist das Aufzeigen der Entwicklungsmöglichkeiten. Unternehmen erhalten neue Erkenntnisse darüber, welche weiteren Möglichkeiten es gibt, ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit zu leben. Diese Erkenntnisse können dann in die weitere Nachhaltigkeitsstrategie und -kommunikation einfließen, wovon sowohl berichtspflichtige als auch nicht berichtspflichtige Unternehmen profitieren können. So hat zum Beispiel Schumacher einige Aspekte des B Corp Assessments in die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung integriert.

B Corp: Diese Fallstricke und Tipps sollten Sie kennen

Der Zertifizierungsprozess ist nicht frei von Fallstricken. Ein häufiger Fehler ist es, den Aufwand und den Zeitraum für die Zertifizierung zu unterschätzen. Verena Schumacher gibt zu: „Wir haben den zeitlichen Aufwand und die Dokumentation weniger intensiv eingeschätzt.“ Es ist wichtig, sich frühzeitig mit Unternehmen auszutauschen, die diesen Weg bereits gegangen sind, und ausreichend Zeit für den Prozess und die Dokumentation einzuplanen.

Nicht empfehlenswert ist es, das Zertifikat als alleiniges Ziel zu betrachten. Lars Rückemann warnt: „Es besteht das Risiko, am Ende mit leeren Händen dazustehen, wenn man die hohen Anforderungen nicht erfüllt.“ Vielmehr sollte der Zertifizierungsprozess als Chance begriffen werden, die Nachhaltigkeitsbemühungen umfassend zu reflektieren und Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Auch wenn man am Ende die hohen Anforderungen nicht erfüllt, ist der Prozess dennoch sehr wertvoll, da er die Möglichkeit bietet, die laufenden Aktivitäten nüchtern zu betrachten und sich einzugestehen, dass in manchen Fällen der messbare Erfolg gering oder der Aufwand zu hoch ist.

Anna Yona empfiehlt anderen Unternehmen, die Zertifizierung mit einer Beratung zu verbinden. Bei der Erstzertifizierung habe ihr Unternehmen „viele Punkte liegen gelassen, weil wir nicht wussten, wo wir in der Bewertung noch Angaben machen können, die sich positiv auswirken“. Bei der Rezertifizierung, die alle drei Jahre stattfinden muss, habe man sich dann für die Unterstützung durch eine Beraterin entschieden.

Kritik und Weiterentwicklung von B Corp

Trotz der vielen Vorteile gibt es auch Kritik an der B-Corp-Zertifizierung. Die Financial Times beschreibt die B Corp Zertifizierung als den „Goldstandard für ESG-Unternehmen“. Für kleinere Unternehmen im Dienstleistungsbereich und ohne eigene Produktion sei es sehr anspruchsvoll, diesen zu erreichen, so Schumacher, da sich viele Fragen auf die Lieferkette beziehen. Gleichzeitig seien Konzerne mit zum Teil umstrittenen Geschäftsmodellen Teil der B Corp Community und erfüllten die Kriterien. „Das sehen wir sehr kritisch. Um die hohe Glaubwürdigkeit des Siegels zu erhalten, sollte B Corp hier sehr genau hinschauen und die Kriterien gegebenenfalls anpassen“, betont Schumacher.

Lars Rückemann findet Kritik an B Corp wichtig, um die hohen Qualitätsstandards zu halten und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig betont er, dass die B Corp-Zertifizierung ohnehin keinen Endpunkt darstellt, da das Konzept darauf ausgelegt ist, die Anforderungen kontinuierlich zu erhöhen: „Als einmalige Maßnahme für Greenwashing eignet sich B Corp also gerade nicht.“ Vielmehr bietet B Corp einen Rahmen, der dabei hilft, bestimmte Standards zu setzen und einen strukturierten Ansatz für das eigene Nachhaltigkeitsengagement zu entwickeln.

Anna Yona wünscht sich, dass das B Assessment weiterentwickelt wird: „Es fragt viel nach bereits bestehenden Standards, aber weniger nach unkonventionellen Ansätzen.“ So seien einige für Wildling wichtige Themen wie regenerative Landwirtschaft und positiver Impact, im Assessment nicht ausreichend abgebildet. Dennoch sei das Online Assessment für die Selbstreflexion sehr wertvoll, so Yona. Unternehmen können es kostenlos nutzen und sich so auch ohne Zertifizierung einen Überblick über ihre Nachhaltigkeitsleistung verschaffen und in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess einsteigen.

B-Corp-Zertifizierung – ein anspruchsvoller, aber lohnender Prozess

Die B-Corp-Zertifizierung ist ein anspruchsvoller, aber lohnender Prozess, der Unternehmen hilft, ihre sozialen und ökologischen Ziele systematisch zu verfolgen und kontinuierlich zu verbessern. Die Erfahrungen von Wildling Shoes, Codecentric und Schumacher zeigen, dass die Zertifizierung nicht nur eine Bestätigung des Engagements ist, sondern auch neue Wege und Möglichkeiten eröffnet, Nachhaltigkeit im Unternehmen zu leben. Die Vorteile des Netzwerks, die Erkenntnisse aus dem Zertifizierungsprozess und der Ansatz der kontinuierlichen Weiterentwicklung machen B Corp zu einem wertvollen Instrument für Unternehmen, die sich für eine bessere Welt einsetzen wollen.