Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) wird erwachsen
Die Themen heute im Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) sind Senkung der Krankenstände, Erhalt der Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter bis zur Rente, Erhöhung der Unternehmensattraktivität nach innen und außen und Stärkung der Work-Life-Balance.
Betrieblichen Gesundheitsmanagement: Trendthema Digitales BGM
Haufe Online Redaktion: Frau Hunsicker, Anfang 2017 haben Sie und Herr Walle in einem Onlineseminar über die aktuellen Trends im BGM referiert. Aus Ihrer Sicht stehen das Digitale BGM bzw. digitale Lösungen im Moment hoch im Kurs. Ist Ihre Prognose eingetroffen?
Kristin Hunsicker: Bereits die BGM-Bereiche der Personalmessen sowie die Corporate Health Convention im Mai 2017 in Stuttgart standen unter dem Motto „Digitales BGM“, und viele Aussteller dort präsentierten digitale Lösungen und referierten darüber in den Vorträgen. Schaut man sich im Internet zu BGM-Themen um oder betrachtet die Inhalte von Kongressen, so taucht stets parallel zu Arbeiten 4.0 auch Digitales BGM auf und ist demzufolge das Trendthema im BGM.
Digitales Betriebliches Gesundheitsmanagement - Praxis hängt dem Trend noch hinterher
Haufe Online Redaktion: Wie sieht die Umsetzung aus? Setzen Unternehmen bereits digitale Lösungen ein?
Kristin Hunsicker: Die Praxis hängt dem Trend sicherlich noch hinterher. Viele Unternehmen sind interessiert, können jedoch den Nutzen noch nicht einschätzen. Geht es bei einem BGM um die Reduktion von Krankenständen, werden Apps mit Tipps zur gesunden Ernährung und die Teilnahme an Challenges eher weniger hilfreich und zielführend sein. Geht es eher um die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität, insbesondere bei Arbeitnehmern und Bewerbern der Generation Y sowie zukünftig auch Z, gehören digitale Lösungen in einem BGM auf jeden Fall dazu. Nicht zu vergessen ist dabei die Tatsache, dass die Einhaltung des Datenschutzes sowie technische Hürden sowohl für Unternehmen, als auch für Mitarbeiter nach wie vor eine Herausforderung darstellen.
Betrieblichen Gesundheitsmanagement: Zentrales Element ist Umsetzung der psychischen Gefährdungsbeurteilung
Haufe Online Redaktion: Welche Themen sind denn bei Unternehmen von Bedeutung, die auch nutzbringend sind?
Oliver Walle: Dies hängt von der Ausgangslage eines Unternehmen ab. Dominieren Probleme wie zu hohe Krankenstände, zu viele bzw. ungelöste BEM-Fälle und kämpft man mit den Herausforderungen des demografischen Wandels, werden sehr spezifische Analysen und zielgruppenbezogene oder sogar individualisierte Maßnahmen erforderlich sein. Viele Unternehmen sind noch in der Umsetzung der gesetzlich geforderten psychischen Gefährdungsbeurteilung bzw. stehen erst am Anfang. Neben der Frage nach den richtigen Methoden ist auch die Bestimmung von Grenzwerten, also die Frage danach, ab wann eine erfasste psychische Belastungen als gelb oder sogar rot eingestuft werden, essentiell. Letztere erfordert nach der Logik im Arbeitsschutz das sofortige Handeln.
Umsetzung der psychischen Gefährdungsbeurteilung – wie kann man vorgehen
Haufe Online Redaktion: Gibt es dazu eine Lösung?
Oliver Walle: Es gibt gute Leitlinien und Empfehlungen über die Vorgehensweise, wie eine Bewertung psychischer Belastungen bzw. Fehlbelastungen erfolgen kann. Zudem bieten Autoren einiger Instrumente, oftmals Fragebögen, auch eine Hilfestellung zur Auswertung und Bestimmung von Risikobereichen. Daher ist es ratsam, bei der Auswahl von Methoden und Instrumenten immer auch die Auswertungsmöglichkeiten mit zu prüfen.
Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) wird erwachsen – ein Wertewandel ist erkennbar
Haufe Online Redaktion: Arbeitnehmer diskutieren immer mehr über eine unzureichende Work-Life-Balance und wünschen sich von ihrem Arbeitgeber flexiblere Arbeitszeitmodelle. Ist dies auch ein Trendthema?
Kristin Hunsicker: Für bestimmte Mitarbeitergruppen, insbesondere die jüngeren, auf jeden Fall. Hier zeigt sich durchaus ein Wertewandel in der Betrachtung der Arbeit. Während früher der Arbeit und dem damit verbundenen Gehalt deutlich mehr Bedeutung beigemessen wurde, wünschen sich Arbeitnehmer der Generation Y und Z eine Balance zwischen Arbeit und der Freizeit bzw. der Familie. In vielen Betrieben dominieren aber noch die Generationen X und Babyboomer, und der Begriff Work-Life-Balance ist dort oftmals seitens der Unternehmen auch negativ besetzt.
Welche Rolle kann das Betriebliche Gesundheitsmanagement in Zukunft spielen?
Haufe Online Redaktion: Werden diese Unternehmen ihre Einstellung ändern müssen, und welche Rolle kann das BGM dabei spielen?
Oliver Walle : Unternehmen mit Fachkräftemangel stellen sich bereits auf diese veränderten Jobanforderungen der Bewerber ein. Sich im Unternehmen wohlzufühlen, wahrgenommen und einbezogen zu werden, eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen sowie gesundheitsförderliche Arbeitsbedingen vorzufinden sind mittlerweile ebenso Entscheidungskriterien für Bewerber wie Stellenprofil, Gehalt und regionale Lage des Unternehmens. Und genau diese Benefits sind auch Teilbereiche des BGM. Insofern lohnt sich ein solches nicht nur bei höheren Krankenständen, sondern zunehmend auch zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität. BGM wird so langsam erwachsen und bietet mehr als nur Gesundheitstage und Präventionskurse.
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