Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Arbeitswelt 4.0

Auf was müssen wir uns einstellen, wenn immer mehr Roboter und Algorithmen unseren beruflichen Alltag bestimmen, und welche Konsequenzen hat dies für die Gesundheit der Beschäftigten? Die Haufe Redaktion sprach mit dem BGM-Experten Oliver Walle von der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement über die Herausforderungen der Arbeitswelt 4.0.

Haufe Online Redaktion: Herr Walle, Roboter und Algorithmen, Sprachsysteme wie Alexa oder Siri erleichtern zunehmend unseren privaten und beruflichen Alltag. Eigentlich doch eine gute Sache, oder?

Oliver Walle: Natürlich sind wir alle froh, wenn Dinge einfacher werden und vielleicht lästige Arbeit durch Roboter, Maschinen und IT-Lösungen übernommen wird. Sicherlich bietet diese als 4.0 bezeichnete Arbeitswelt zahlreiche Vorteile für Unternehmen, für viele Beschäftigte entstehen aber auch Ängste durch die raschen Veränderungen. Diese äußern sich durch die oftmals damit verbundenen, höheren mentalen Anforderungen, aber auch durch die Sorge um ihren Arbeitsplatz, falls eines Tages die Maschinen den Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit schicken.

Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in der Arbeitswelt 4.0

Haufe Online Redaktion: Das Thema der psychischen Belastungen sowie die steigenden Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen sind ja ohnehin seit Jahren sehr präsent. Welche Rolle spielt die gesetzlich verpflichtend durchzuführende Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in Bezug auf die Arbeitswelt 4.0?

Oliver Walle: Die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung wird in diesem Zusammenhang wichtiger denn je. Die für diese Beurteilung am Markt verfügbaren Instrumente hinterfragen grundsätzlich den Merkmalsbereich Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe, darin eingeschlossen auch Fragen zur Arbeitsgestaltung und Informationsverarbeitung. Und genau hier gilt es, die durch die Digitalisierung und Technisierung veränderten oder neu hinzugekommenen Belastungen zu prüfen.

Haufe Online Redaktion: Stellt die Wissenschaft bereits ausreichend Informationen zur Bewertung dieser neuen bzw. veränderten Belastungen zur Verfügung?

Oliver Walle: Ja und nein. Es liegen bereits Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Arbeitswelt 4.0 vor, dennoch ist noch weiterer Forschungsbedarf notwendig. Daher gilt es, mit den Akteuren im Betrieb, die in die Gefährdungsbeurteilung eingebunden sind, aber auch den Führungskräften und Mitarbeitern gemeinsam die Veränderungen zu diskutieren und praktikable Lösungen zu finden. Die Wissenschaft benötigt genau diese Praxiserfahrungen, da die Wahrnehmung psychischer Belastungen, ebenso wie der Umgang mit digitalen Lösungen sehr individuell ist. Darüber hinaus zeigen sich auch Unterschiede zwischen den im Unternehmen vertretenen Generationen, weshalb einfache Lösungen in der Beurteilung eher wenig wahrscheinlich sind.

Rolle des Betrieblichen Gesundheitsmanagements

Haufe Online Redaktion: Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)?

Oliver Walle: Auch wenn es sich bei der Gefährdungsbeurteilung um eine gesetzliche Pflicht handelt, zeigt sich in der Praxis eine nutzbringende Schnittstelle zum BGM. Der Handlungsbedarf infolge der Beurteilung kann in weiten Teilen durch Maßnahmen des BGM angegangen werden. Hierbei spielen Themen wie gesunde Führung, Work-Life-Balance, eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen ebenso eine Rolle wie praktische Maßnahmen zur Rückengesundheit und psychosozialen Gesundheit.

Benötigen auch Roboter ein BGM?

Haufe Online Redaktion: Und wie sieht es bei den Robotern aus? Werden diese auch mal krank und benötigen ein BGM?

Oliver Walle: Oh ja, auch dort gibt es vergleichbare Situationen. Wir sprechen dort von Verschleiß, Materialermüdung und Verschmutzung, weshalb Maschinen einem Wartungsplan unterzogen werden. Bei Mitarbeitern, aber auch bei Führungskräften der mittleren Ebene wären eine regelmäßige Inspektion und Wartung ebenfalls sinnvoll, jedoch bedarf es hierfür einer entsprechenden Argumentation bei der Geschäftsleitung. Daher gilt es, auch für die betriebliche Gesundheitsförderung und erst recht für ein BGM eine Kosten-Nutzen-Darstellung vorzulegen und die Ausgaben vielmehr als Zukunftsinvestition zu betrachten. Denn trotz Digitalisierung und Technisierung werden wir auch in den kommenden Jahren Menschen in der Arbeitswelt benötigen.

Veranstaltungsreihe Praxiswissen BGM

Weitere Informationen hierzu in der Veranstaltungsreihe Praxiswissen BGM:

www.gesundheitimbetrieb.de/praxiswissen-bgm