Raumluftfilter helfen nicht nur gegen Corona
Simon Kraft, Fachkraft für Arbeitssicherheit bei B·A·D, geht im Interview auf die Vorteile, aber auch auf die Grenzen der Geräte ein und räumt dabei mit Klischees auf.
Raumluftqualität und Aerosolübertragung
Über gesunde, gute Raumluft wird in Pandemiezeiten viel diskutiert. Aber was ist überhaupt gesunde Raumluft? Wie wird diese erreicht?
Simon Kraft: Was wirklich gesunde Raumluft ist, lässt sich nicht einfach beantworten. Der Idealfall wäre sicher eine unbelastete Luft wie in der freien Natur, auch wenn Allergiker das vielleicht noch etwas anders betrachten.
In Innenräumen können neben dem durch Atmung entstehenden Kohlendioxid und Wasserdampf noch Bestandteile aus verschiedenen Quellen die Luftqualität beeinträchtigen: dies können beispielsweise flüchtige organische Kohlenwasserstoffe (engl.: Volatile Organic Compounds) sein oder auch Formaldehyde, Duftstoffe aus Reinigungsmitteln oder je nach Region auch das radioaktive Edelgas Radon. Für diese und noch weitere Stoffe gibt es Grenz- oder Richtwerte für das Auftreten in der Raumluft. Jedoch sind Personen auch unterschiedliche sensibel. Einzelne können bereits sehr früh auf einen Bestandteil reagieren, andere bei der auftretenden Dosis hingegen nicht.
Bei der Übertragung des Coronavirus spielen vor allem Aerosole eine Rolle – also feste und flüssige Partikeln, die wir ausatmen. Wie lange können Aerosole in geschlossenen Räumen überleben, wenn nicht gelüftet wird?
Kraft: Dieser Frage sind Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts im vergangenen Jahr nachgegangen und haben auf Basis der aus dem Jahr 2020 bekannten Daten und Virusvarianten einen Risikokalkulator erstellt, mit dem das Infektionsrisiko anhand von Raumeigenschaften, Verhalten der infizierten Personen und Dauer der Raumnutzung abschätzbar ist.
Generell handelt es sich bei den Aerosolen mit Viruspartikeln zunächst um in Flüssigkeit eingehüllte Viren oder deren Bestandteile. Je größer diese sind, desto schneller sinken sie zu Boden. Bei sehr trockener Luft verdunstet die Flüssigkeit rasch und das Virus bleibt quasi als Feinstaub in der Luft. Feinstaub wiederum sinkt nur sehr langsam ab, das kann mehrere Stunden bis Tage dauern. Daher steigt im Winter das Infektionsrisiko in Innenräumen gegenüber einem feuchtwarmen Sommer.
Warum ist die Forderung nach Raumluftfiltern von verschiedenen Seiten in unserer Gesellschaft besonders hoch?
Kraft: Bei dieser Forderung muss man vorsichtig sein. Das Wort „Filter“ suggeriert, dass ein Filter nicht zu Infektionen führt. Dem ist aber nicht so. Der Einsatz von Raumluftfiltern ist lediglich eine unterstützende Maßnahme, um das Infektionsrisiko zu senken.
Alle ausgeatmete Luft kann ein Raumluftfilter nicht sofort wieder einsaugen, ehe eine andere Person diese wieder einatmet.
Aktuelle Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zu Luftfilteranlagen in öffentlichen Gebäuden lauten, dass durch die Geräte ein drei- bis fünffacher Luftwechsel je Stunde erreicht werden muss. Dazu kann man die aus dem Amerikanischen stammende und anerkannte „Clean Air Delivery Rate“ (CADR) als Berechnungsgrundlage verwenden. Dieser Bewertungsstandard sagt, dass ein Luftreiniger tatsächlich gemäß den Produktangaben des Herstellers funktioniert.
Kauf und Einsatz von Raumluftfiltern
Was sollte man beim Kauf und Einsatz von Raumluftfiltern unbedingt beachten?
Kraft: Die Auswahl der richtigen Filterklasse ist essenziell, d.h. die Geräte sollten mindestens die Kategorien H13 oder H14 nach DIN EN 1822-1 haben. Auch müssen sie regelmäßig gewartet werden; bei der Aufstellung sollte zudem die Luftströmung den gesamten Raum durchspülen, in dem sich die Personen aufhalten. Und genau hier liegt der Knackpunkt: Hindernisse im Raum können die Luftströmung stark beeinflussen und diese nicht mit einfachen Mitteln vorhersehbar machen.
Welche Aspekte sind hinsichtlich der Geräuschentwicklung zu berücksichtigen?
Kraft: Da die mobilen Luftreiniger in Räumen aufgestellt werden, in denen mehrere Personen arbeiten, darf die Kommunikation und Konzentrationsfähigkeit nicht übermäßig beeinträchtigt werden. Eine gute sprachliche Verständlichkeit bzw. akustischer Komfort ist gegeben, wenn Hintergrundgeräusche rund 10dB leiser als die Sprache sind. In der VDI 2569 wird für bauseitige Hintergrundgeräusche in Mehrpersonenbüros ein Wert von 35 bis 40dB(A) angegeben. Da es sich beim Lüfter um ein gleichmäßiges informationsloses Hintergrundgeräusch handelt und der Schallpegel für Sprache in der Regel 55dB(A) aufwärts liegt, wäre ein Betriebsgeräusch von 45dB(A) dennoch akzeptabel.
Bei der Auswahl der Geräte gilt es also zu beachten, welche Luftmenge bei einer Einstellung geliefert wird, die maximal 45dB(A) verursacht. Dieses kann bedeuten, dass nur die Hälfte der maximalen CADR erreicht wird und ein entsprechend größeres oder mehrere Geräte benötigt werden.
Ein größeres Gerät, welches mit geringerer Leistung betrieben wird, kann sogar wirtschaftlicher sein, da durch die größere Filterfläche weniger Luftwiderstand vorhanden ist und somit weniger Energie benötigt wird.
Was lässt sich allgemein zum Energieverbrauch sagen?
Kraft: Hinsichtlich des Energieverbrauchs muss gerätespezifisch geschaut und verglichen werden. Der elektrische Verbrauch steht im Zusammenhang mit Luftdurchsatz und Filterwirkung bzw. der CADR. Nur auf den Energieverbrauch zu schauen kann schnell in einem Vergleich von Äpfeln mit Birnen enden. Primär gilt es zu klären, welche CADR benötigt wird und dann die Geräte auszuwählen und zu vergleichen.
Was sind die Vorteile von Raumluftfiltern? Für welche Branchen eignen sie sich besonders gut?
Kraft: Raumluftfilter sind dort vorteilhaft, wo sich mehrere Personen über einem längeren Zeitraum in einem Raum aufhalten und Lüftungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, das heißt, es ist keine technische Raumlüftung vorhanden oder das Öffnen der Fenster ist umständlich oder führt zu akustischen Störungen und wird daher nur seltener praktiziert. Auch Räume mit einer großen Tiefe und einseitiger Fensterfront können ein Einsatzfeld für die mobilen Raumluftfilter sein, um die schlecht durchlüfteten hinteren Raumbereiche zu entschärfen.
Sollten Betriebe direkt in große Raumluftfilteranlagen investieren?
Kraft: Raumluftfilteranlagen mit Anbindung an die Außenluft haben gegenüber mobilen Geräten den Vorteil, dass ein Luftwechsel erfolgt und so auch der Sauerstoffanteil hoch und das Kohlendioxid niedriger gehalten wird. Durch Wärmerückgewinnung kann sich der nachträgliche Einbau sogar gegenüber der klassischen Fensterlüftung amortisieren. Neben Viren werden auch andere Schadstoffe wie VOC, Radon etc. abtransportiert, was ein mobiles Filtergerät nicht leisten kann.
Raumluftfilter helfen das ganze Jahr
Immer mal wieder heißt es, dass Raumluftfilter das Übertragungsrisiko von SARS-CoV2 erhöhen können. Stimmt das?
Virenbelastete Raumluft, die auf dem Weg zum Filter ist, kann natürlich auch Personen erreichen, die ohne das Gerät weniger betroffen wären. Auch ein mangelhafter Pflegezustand des Filtergerätes kann die Wirkung herabsetzen und die Nutzer in falscher Sicherheit wiegen. Daher gilt es, neben der ausreichenden Wartung des Gerätes auch durch regelmäßiges Öffnen der Fenster für einen zusätzlichen Luftwechsel zu sorgen.
Warum sind Raumluftfilter nicht zwingend ein saisonales Thema, speziell im Herbst und Winter?
Je nach Lage des Objekts kann das Lüften auch im Sommer eingeschränkt sein, wenn beispielsweise Lärm von draußen stark stört. In sehr tiefen Räumen und wenn Einbauten wie akustische Trennwände vorhanden sind, kann der Luftwechsel auch beeinträchtigt sein. In diesen Fällen können Raumluftfilter ganzjährig helfen, die Situation zu verbessern.
Wie kann die Infektionsgefahr in Mehrpersonenbüros möglichst geringgehalten werden?
Das A und O ist das Lüften. In Mehrpersonenbüros mit zusätzlichen Einbauten kann, wie gesagt, der Luftaustausch beeinträchtigt sein. In diesen Fällen kann der Einsatz von mobilen Raumluftreinigern sinnvoll sein. Am besten wäre jedoch der Einbau einer raumlufttechnischen Anlage (RLT-Anlage), die für ausreichend Luftwechsel sorgt und durch geeignete Luftführung das Infektionsrisiko begrenzt. Luft sollte nur über wenige Arbeitsplätze strömen und nicht quer durch das ganze Büro.
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