2019 verunglückten nach Angaben der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) 106.774 Beschäftigte, davon 70 tödlich (2018: 88). Die häufigste Todesursache waren Abstürze, danach folgten tödliche Unfälle durch herabfallende und kippende Teile.
Hohe Unfallgefahr auf Baustellen
Gründe für die hohe Unfallrate sind der unmittelbare Einfluss der Witterung, der Termindruck, der Umgang mit unterschiedlichsten Gefahrstoffen, das oft wenig koordinierte Zusammenwirken unterschiedlicher Gewerke und verantwortlicher Akteure. Zunehmend spielt auch das Fehlverhalten von Bauarbeitern aufgrund sprachlicher Kommunikationsprobleme eine Rolle, denn die Beschäftigten stammen oft aus unterschiedlichen Nationen und leben in vielen Fällen nur für die Zeit des Bauprojekts in Deutschland.
Komplexität erhöht Unfallgefahr
Allerdings, das ist auch Teil der Wahrheit, hat sich die Zahl tödlicher Unfälle seit den 90er Jahren drastisch reduziert, als noch bis zu 400 Todesfälle im Jahr beklagt wurden. Ein wichtiger Grund hierfür: Seit 1998 ist die Baustellenverordnung (BaustellV) in Kraft, die eine Umsetzung einer EU-Richtlinie darstellt. Sie hat viel zu einer Verbesserung der Situation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes beigetragen.
Nach wie vor gibt es aber viele branchenspezifische Problemfelder. Ein besonders wichtiges Beispiel: Um im Preiswettbewerb bestehen zu können, reduzieren viele Bauunternehmen ihre Fertigungstiefe, sourcen Dienstleistungen aus und bauen somit eigenes Personal ab. Ein Drittel (und oft noch mehr) aller Leistungen in der Bauwirtschaft wird daher mittlerweile an sogenannte Nachunternehmen vergeben. Die Beteiligung so vieler Akteure macht die Lage auf der (Groß-)Baustelle sehr komplex und stellt hohe Anforderungen an die Koordinationskompetenz des Generalunternehmers, auch in Hinsicht auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Was aber sind die größten Unfallherde auf dem Bau? Hier lassen sich vor allem die folgenden vier Bereiche nennen.
Unfallherd 1: Erd- und Aushubarbeiten
Die Arbeit auf einer Baustelle fängt mit dem Ausheben der Baugrube an. Und hier beginnen bereits die Probleme für die Arbeitssicherheit. Denn im Boden können sich zunächst einmal Energieversorgungsleitungen befinden, die bei Unaufmerksamkeit beschädigt werden könnten.
Bei nicht abgeböschten Baugruben kann es weiterhin zum Einsturz der Grabenwände und damit einhergehenden Verschüttungen kommen. Um das zu verhindern, müssen eine Reihe von Faktoren beachtet werden: Die Festigkeit der Grabenwände hängt u. a. von der Bodenart, dem Böschungswinkel, dem Bodengefüge, dem Zufluss von Oberflächen-, Grund- oder Schichtenwasser sowie durch Verkehr und Rammarbeiten verursachten Erschütterungen ab.
Unfallherd 2: Absturzsicherung und herabfallende Gegenstände
Auf Baustellen gehört die Absturzsicherung zu den dringlichsten sicherheitstechnischen Notwendigkeiten. Dabei geht es zum einen um die Absturzsicherung von Beschäftigten, zum anderen um die Verhinderung des Herunterfallens von Gegenständen.
Zu einer wirksamen Absturzsicherung gehören insbesondere Fanggerüste, Auffangnetze oder Schutzwände (Seitenschutz). Das sichere und regelkonforme Auf-, Um-, und Abbauen der Gerüste am Bau ist Aufgabe des entsprechenden Unternehmers, des Gerüsterstellers. Allerdings ist jeder Unternehmer, der Gerüste benutzt, für die bestimmungsgemäße Verwendung und die Betriebssicherheit der Gerüste selbst verantwortlich. Dazu muss er regelmäßig Sichtprüfungen durchführen und erkennbare Mängel unverzüglich dem Gerüstersteller melden.
Unfallherd 3: Gefahrstoffe
Auf Baustellen wird viel mit chemischen Gefahrstoffen gearbeitet. Gefahrstoffe müssen für Beschäftigte auf dem Bau deshalb unmittelbar und klar als solche erkennbar sein. Daher müssen sie vom Hersteller grundsätzlich als solche gekennzeichnet sein. Dies geschieht in der Regel mit einer rot-umrandeten Raute, die ein schwarzes Symbol auf weißem Hintergrund enthält. Ein Beispiel dafür ist das Piktogramm "Gesundheitsgefahr" für krebserzeugende und atemwegssensibilisierende Stoffe und Gemische.
Neben diesen Kennzeichnungen hat der Hersteller auch besondere Gefahrenhinweise wie zum Beispiel „Giftig bei Hautkontakt“ oder Sicherheitshinweise wie „Bei Berührung mit der Haut: Mit viel Wasser waschen.“ auf seinem Produkt anzubringen. Diese Hinweise sind unbedingt zu beachten und, im Falle der Sicherheitshinweise, nach einem Unfall sofort einzuleiten.
Zudem werden die Warnhinweise „Gefahr“ und „Achtung“ verwendet, die den potentiellen Gefährdungsgrad von Gefahrstoffen beschreiben: „Gefahr“ für schwerwiegende Gefahrenkategorien und „Achtung“ für die weniger gefährlichen Gefahrenkategorien.
Unfallherd 4: Elektrische Anlagen, Geräte und Maschinen
Auf Baustellen ist elektrischer Strom infolge der erschwerten Arbeitsbedingungen eine häufige Unfallursache. Unfälle durch Strom können folgende Ursachen haben:
- Die elektrischen Maschinen und Geräte sind beschädigt.
- Reparaturen von Maschinen und Geräte sind fehlerhaft ausgeführt worden.
- Geräte und Maschinen wurde übermäßig beansprucht.
- Geräten und Maschinen sind feucht oder verschmutzt.
- Die Anwender von Maschinen und Geräten haben Sicherheitsvorschriften nicht beachtet.
- Die Sicherheitsvorschriften sind nicht ausreichend oder werden nicht konsequent genug auf ihre Einhaltung kontrolliert.
Bedrohliches Gesundheitsrisiko: Hautkrebs
Schließlich soll noch ein Gesundheitsproblem für Beschäftigte auf dem Bau angesprochen werden, das mit dem Klimawandel immer bedrohlicher werden wird: der Hautkrebs. So ist der weiße Hautkrebs bereits heute die häufigste angezeigte Berufskrankheit in der Bauwirtschaft. Allein im Jahr 2018 wurden der BG BAU 2.944 neue Verdachtsfälle gemeldet, im ersten Halbjahr 2019 gab es bereits 1.400 Meldungen. Ein effektiver Hautschutz und soweit möglich die Anpassung der Arbeitsschichten an die Sonneneinstrahlung sind daher unverzichtbare Bestandteile eines ganzheitlichen Gesundheitsschutzes auf Baustellen.