Wann entstehen Ansprüche auf Schadensersatz gegenüber dem Arbeitgeber?
Vertragliche Schadensersatzansprüche gegenüber dem Arbeitgeber
Vertragliche Anspruchsgrundlagen für die Haftung des Arbeitgebers sind die §§ 280 ff. BGB.
- Wird der Beschäftigungs- oder der Vergütungsanspruchs nicht erfüllt, sind die Hauptleistungspflichten betroffen, §§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 611, 613, 242 BGB.
- § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB erfasst die Nebenpflichtverletzungen des Arbeitgebers.
Der Arbeitgeber haftet grundsätzlich verschuldensabhängig, also nur wenn er vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Das Verhalten Dritter, auch anderer Arbeitnehmer (Vorgesetzte, Kollegen), muss sich der Arbeitgeber über § 278 BGB zurechnen lassen. Notwendig ist jedoch immer, dass die schuldhafte Handlung in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber der rechtsverletzenden Person zugewiesen hat. Der Erfüllungsgehilfe muss quasi als „verlängerter Arm" des Arbeitgebers agieren und gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer die Fürsorgepflicht konkretisieren bzw. ihm gegenüber Weisungsbefugnisse haben. Eine Zurechnung kommt hingegen nicht in Betracht, wenn gleichgestellte Kollegen den anderen Arbeitnehmer beschimpfen oder ignorieren (BAG, Urteil v. 16.5.2007, 8 AZR 709/06). Die Ausübung bei Gelegenheit der beruflichen Tätigkeit genügt für eine Zurechnung nach § 278 Satz 1 BGB nicht. Solange die betrieblichen Abläufe so organisiert sind, dass Schädigungen in dem gebotenen Umfang vermieden werden und der Arbeitgeber keine Kenntnis von einschlägigen Vorfällen hatte, ohne etwas unternommen zu haben, ist er nicht in der Haftung (ArbG Frankfurt a.M., Urteil v. 29.10.2021, 7 Ca 194/21).
Der Schadensersatzanspruch gegenüber dem Arbeitgeber kann durch ein Mitverschulden des Arbeitnehmers (§ 254 Abs. 1 BGB) oder eine Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) herabgesetzt werden. Eine solche kann z.B. im Unterlassen eines Hinweises auf einen drohenden, besonders hohen Schaden liegen.
Vertragliche Schadensersatzansprüche können bei Diskriminierungstatbeständen durch die spezielleren Normen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verdrängt werden.
Haftung des Arbeitgebers für ein Verschulden bei Vertragsschluss
In Betracht kommt auch die Haftung für ein Verschulden bei Vertragsschluss nach §§ 280 Abs. 1, 311a Abs. 2 BGB. Den Arbeitgeber treffen z. B. bei der Vertragsanbahnung verschiedene Aufklärungs- und Mitteilungspflichten hinsichtlich der für den Vertragsabschluss relevanten Umstände.
Beispiele:
- Suggerieren eines bestimmten erzielbaren Mindesteinkommens, das aber nur von wenigen Mitarbeitern über Provisionen erreicht wird und nicht realistisch für einen durchschnittlich fähigen Arbeitnehmer ist;
- Erwecken der falschen Annahme im Vorstellungsgespräch, es werde auf jeden Fall zum Vertragsabschluss kommen, woraufhin der Arbeitnehmer seine bisherige Stelle kündigt.
Die Darlegungs- und Beweispflicht für den Pflichtverstoß und die Kausalität des Schadenseintritts liegt beim Arbeitnehmer.
Deliktische Haftung des Arbeitgebers
Bei Verletzung von Arbeitsschutzgesetzen oder strafrechtlich relevantem Verhalten kommt eine deliktische Haftung in Betracht (§§ 823 ff. BGB).
- Voraussetzung ist auch hierfür ein Verschulden des Arbeitgebers in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit.
- Dabei hat der Arbeitgeber im Sinne eines Organisationsverschuldens für seine Verrichtungsgehilfen einzustehen, es sei denn er kann nachweisen, dass er die Verrichtungsgehilfen sorgfältig ausgewählt und überwacht hat (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB, Exkulpation).
Pflicht des Arbeitgebers zur Wahrung berechtigter Interessen des Arbeitnehmers
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, auf das Wohl des Arbeitnehmers zu achten und nicht gegen dessen berechtigte Interessen zu handeln. Diese grundsätzliche Verpflichtung des Arbeitgebers wird als Fürsorgepflicht bezeichnet. Sie ist das Gegenstück zur Treuepflicht des Arbeitnehmers.
Beispiele:
- Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass die vom Arbeitnehmer berechtigterweise in den Betrieb eingebrachten Sachen vor Verlust oder Beschädigung geschützt sind. Dazu muss er dem Arbeitnehmer geeignete Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, wobei aber nur solche Maßnahmen verlangt werden dürfen, die dem Arbeitgeber nach den betrieblichen Verhältnissen zumutbar sind. Bei schuldhafter Pflichtverletzung macht er sich schadensersatzpflichtig (BAG, Urteil v. 25.5.2000, 8 AZR 518/99).
- Der Arbeitgeber schuldet eine korrekte Lohnabrechnung und damit einhergehende Abführung der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Unterlaufen ihm dabei Fehler und entstehen dem Arbeitnehmer dadurch Schäden, ohne dass er diese mitverschuldet hat, macht er sich schadensersatzpflichtig (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 10.5.2022, 2 Sa 249/21).
Arbeitgeber muss Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers schützen
Bei der arbeitgeberseitigen Verpflichtung zu Schutzmaßnahmen (§ 618 BGB) geht es im Wesentlichen um zwei Dinge:
- Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften sowie
- Dienstleistungen,
die dem Arbeitnehmer jeweils so zur Verfügung zu stellen bzw. zu regeln sind, dass er soweit wie möglich gegen Gefahren für Leben oder Gesundheit geschützt ist (§ 618 Abs. 1 BGB).
Es gibt dafür eine Fülle von Arbeitsschutzvorschriften, die der Arbeitgeber im Blick haben muss. Sie finden sich z.B. in der Arbeitsstättenverordnung, im Arbeitssicherheitsgesetz, im Arbeitsschutzgesetz, in den Unfallverhütungsvorschriften oder im Produktsicherheitsgesetz.
Die technischen Arbeitsschutzregeln, die für die Betriebsstätte gelten und bei Nichteinhaltung von den Aufsichtsbehörden sanktioniert werden können, finden an dieser Stelle Eingang ins einzelne Arbeitsverhältnis. Für Arbeitnehmer sind sie schließlich auch gemacht. Jeder Betroffene hat daher selbst die Möglichkeit zu agieren, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsschutz nicht umsetzt.
Es ist zudem Aufgabe des Arbeitgebers auf Gesundheitsgefahren zu achten, wenn er die Arbeitsinhalte festlegt. Dazu gehört auch, die Mitarbeiter auf mögliche Gefahren hinzuweisen, vor ihnen zu warnen und über Vermeidungstaktiken aufzuklären. Das Ganze hat er zu überwachen und zu beaufsichtigen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Infektionsschutz: während der Corona-Pandemie mussten Arbeitgeber Schutzkonzepte aufstellen und dafür sorgen, dass sie eingehalten werden.
Verletzung des Diskriminierungsverbots
Der Arbeitnehmer darf nach dem AGG nicht wegen seiner Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder sexuellen Identität unmittelbar oder mittelbar benachteiligt werden, auch nicht mit seinem Einverständnis (§ 1 AGG). Erfasst werden auch Schwangerschaft und Mutterschaft.
Ansprüche bei Verstößen drohen dem Arbeitgeber bereits im Vorfeld von Arbeitsverhältnissen, wenn ihm im Bewerbungsverfahren entsprechende Fehler unterlaufen. Von der Stellenanzeige bis zur Absage gegenüber Bewerbern sind als Diskriminierung zu wertende Verhaltensweisen oder Formulierungen arbeitgeberseitig zu unterlassen. Ein aus Diskriminierungsgründen nicht eingestellter Bewerber kann sich zwar nicht in den Betrieb einklagen, aber bis zu drei Bruttomonatsgehälter als Entschädigung beanspruchen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 AGG). Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat hierzu hilfreiche Leitfäden veröffentlicht.
Im laufenden Arbeitsverhältnis ist mit Blick auf eine mögliche Diskriminierung eine hohe Sensibilität gefragt, wenn der Arbeitgeber sich nicht mit Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüchen konfrontiert sehen will. Abgesehen davon hat er einen Ruf zu verlieren.
Bei einem schuldhaften Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hieraus entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 15 Abs. 1 AGG, z.B. Lohndifferenz bei geschlechtsbezogener Lohndiskriminierung).
Darüber hinaus kommt eine Entschädigung für immaterielle Schäden in Betracht (§ 15 Abs. 2 AGG, spezieller im Verhältnis zum Schmerzensgeldanspruch gem. § 253 BGB). Dieser Anspruch besteht unabhängig von einem Verschulden, setzt also keine Benachteiligungsabsicht voraus (BAG, Urteil v. 28.5.2020, 8 AZR 170/19). Eine weitere Hürde für Arbeitgeber: Der immaterielle Schaden wird (widerleglich) vermutet, wenn eine einschlägige Rechtsverletzung vorliegt. Der Höhe nach ist die Entschädigung im laufenden Arbeitsverhältnis nicht nach oben begrenzt und Einzelfallbewertungsfrage.
Hinzu kommt der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der es dem Arbeitgeber verbietet, einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen willkürlich oder unter Verstoß gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen oder Verfassungsgrundsätze schlechter zu behandeln als die übrigen vergleichbaren Arbeitnehmer. Entscheidend ist, ob objektiv eine unsachliche Differenzierung vorliegt.
Pflicht des Arbeitgebers zum Schutz vor sexueller Belästigung
Unter die Diskriminierungsverbote des AGG fällt auch der Schutz von Mitarbeitern vor sexueller Belästigung.
- Nach § 3 Abs. 4 AGG gilt dabei als sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz jedes unerwünschte, sexuell bestimmte Verhalten, das die Würde des betreffenden Beschäftigten verletzt.
- Dazu gehören nicht nur sexuelle Handlungen und Verhaltensweisen, die nach den strafgesetzlichen Vorschriften unter Strafe gestellt sind.
- Es betrifft auch sonstige sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts
- sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen, insbesondere wenn dabei ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Vom Arbeitgeber wird erwartet, dass er sowohl präventive Maßnahmen ergreift als auch repressiv handelt, d.h. Verhaltenskodexe vermittelt, einem Verdacht nachgeht und bei einem bestätigten Verdacht reagiert (Art. 12 Abs. 1 bis 3 AGG). Ein Nichteinschreiten des Arbeitgebers kann Schadensersatzansprüche nach sich ziehen (Art. 15 Abs. 1 AGG), z.B. in Form von Arzt- und Therapiekosten, zudem Entschädigungsansprüche (Art. 15 Abs. 2 AGG).
Pflicht des Arbeitgebers zum Schutz vor Mobbing
Ähnlich verhält es sich bei dem Thema Mobbing, selbst wenn es nicht unter das AGG fällt, weil im Einzelfall kein Diskriminierungsmerkmal tangiert ist. Psychische Belastungen sind bei der Gefährdungsbeurteilung im Arbeitsschutz explizit mit einzubeziehen (§ 5 Abs. 3 Nr. ArbSchG). Mobbing kann – das ist inzwischen Konsens – psychische Erkrankungen nach sich ziehen. Zu den Pflichten des Arbeitgebers zum Gesundheits- und Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers gehört daher auch, den Arbeitnehmer vor Mobbing durch Arbeitskollegen, Vorgesetzte oder Dritte, auf die er Einfluss hat zu schützen, und zwar schon im Vorfeld durch präventive Maßnahmen.
Ebenso wie bei sexueller Belästigung besteht bei vom Arbeitgeber nicht unterbundenem Mobbing Anspruch auf Schadensersatz (z.B. Ersatz von Behandlungskosten einer aus dem Mobbing resultierenden psychischen Erkrankung oder Differenz zwischen Entgeltfortzahlung/Krankengeld und fiktivem Bruttogehalt bei vollem Arbeitseinsatz) und ggfs. auch auf Schmerzensgeld auf Grund vertraglicher und deliktischer Haftung. Die Ansprüche können auf das AGG (Art. 15) gestützt werden, wenn das Mobbing an ein Diskriminierungsmerkmal anknüpft. Diese Ansprüche gehen vertraglichen Schadensersatzansprüchen nach §§ 280 ff. BGB vor. Letztere greifen jedoch ein, wenn nicht gleichzeitig eine Diskriminierung vorliegt.
Ist die Benachteiligung sittenwidrig, ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) oder ein anderes absolutes Recht des Arbeitnehmers oder ist ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2 BGB) verletzt, kommt ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung in Betracht (823 ff. BGB).
Schadensersatzanspruch wegen Burnout?
Kernsymptome des Burn-out-Syndroms sind insbesondere emotionale Erschöpfung, verringerte Zufriedenheit mit der eigenen Leistung, ein beeinträchtigtes Verhältnis vor allem zur beruflichen Umgebung und Arbeitsüberdruss ( RKI, Das Burn-out-Syndrom, 2012). Nach Ursachen für diese psychische Erkrankung wird nicht selten im Arbeitsverhältnis gesucht. Wenn der Arbeitgeber gegen seine Fürsorgepflicht (§ 618 BGB) verstößt und dadurch Schuld an Gesundheitsschäden trägt, kommen Schadensersatzansprüche in Betracht, denn er ist verpflichtet, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen und ihn vor Gesundheitsgefahren, auch psychischen, zu schützen (BAG, Urteil v. 15.9.2016, 8 AZR 351/15).
In anderen Ländern wurden schon Schadensersatzansprüche wegen Burnout zuerkannt, so in der Schweiz einer Beamtin gegenüber mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts v. 16.12.2019 (A-6750/2018). Sie hatte unter hohem Zeitdruck die Aufgabe, Asylsuchende kurz zu befragen, anzuhören und sie dann ausnahmslos auszuweisen. Ihren Vorgesetzten hatte sie mehrfach erfolglos auf ihre Überforderung hingewiesen, wurde schließlich krank und dann entlassen. Laut Urteil hatte das Staatssekretariat für Migration seine Fürsorgepflicht verletzt, weshalb eine „haftungsbegründende Widerrechtlichkeit“ vorlag.
Die deutsche Rechtsprechung ist hier zurückhaltend und die Beweissituation der Arbeitnehmer extrem schwierig: Zum einen lösen auch ungerechtfertigte Belastungen oder Verhaltensweisen regelmäßig keinen Anspruch aus, solange das Gericht sie als noch sozial- und rechtsadäquat einordnet (BAG, Urteil v. 15.9.2016, 8 AZR 351/15). Zum anderen muss eine Erkrankung kausal auf einen Mangel an Rücksichtnahme zurückführbar sein, dergestalt, dass der Arbeitgeber trotz einer Handlungspflicht keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen hat, um die Belastung des Arbeitnehmers zu verringern. Die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsbegründende Kausalität trägt der betroffene Arbeitnehmer. Da aber selbst bei hoher Arbeitsbelastung und schwieriger Arbeitsorganisation fast nie ausgeschlossen werden kann, dass für psychische Erkrankungen auch die private und gesundheitliche Situation des Betroffenen mitursächlich sind, ist der Beweis für eine haftungsbegründende Kausalität kaum zu führen (Beispiel für klageabweisendes Urteil: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 21.7.2022, 5 Sa 471/21).
Arbeitnehmer muss auf Überforderungen hinweisen
Die Rechtsprechung geht bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz im Übrigen von einer Obliegenheit des Arbeitnehmers aus, den Arbeitgeber darüber zu informieren (z.B. LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 4.11.2003, 17 Sa 113/98), da es grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers ist, einen Arzt aufzusuchen und den Arbeitgeber bzw. Vorgesetzten über arbeitsplatzbezogene ärztliche Bewertungen zu informieren (BAG, Urteil v. 13.12.2001, 8 AZR 131/01). Er kennt im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten sein gesundheitliches Befinden und kann die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts deshalb besser beurteilen.
Verletzung des Maßregelungsverbots
Es ist dem Arbeitgeber ausdrücklich verboten, einen Arbeitnehmer zu benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt (§ 612a BGB). M.a.W.der Arbeitnehmer soll seine Rechte ohne Furcht vor wirtschaftlichen oder sonstigen Repressalien des Arbeitgebers ausüben können. Maßregelungen können betriebsinterne Diskriminierungen, so z.B. die Beschäftigung mit sinnlosen Arbeiten oder die Nichtgewährung einer Prämie an Teilnehmer eines zugelassenen Streiks, eine unberechtigte Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz, aber auch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sein, nachdem die Ausführung eindeutig nicht vertraglich vereinbarter Tätigkeiten abgelehnt wurde.
Eine Verletzung des Maßregelungsverbots kann zur Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers führen (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 oder § 823 Abs. 2 BGB, denn § 612a BGB ist ein Schutzgesetz). Voraussetzung ist, dass dem Arbeitnehmer beruhend auf der Maßregelung ein Schaden entstanden ist, etwa weil ihm Vorteile vorenthalten wurden (BAG, Urteil v. 21.9.2011, 7 AZR 150/10).
Pflicht zum Datenschutz bei personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers
Der Arbeitgeber muss im Umgang mit den Daten des Arbeitnehmers den Datenschutz einhalten und auch die durch die Datenschutzreform auf Grundlage der DSGVO (seit dem 25.5.2018 zwingendes Recht) verschärften Pflichten erfüllen. Art. 82 DSGVO bildet die Anspruchsgrundlage für materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche. Beispielsweise wurden einem Arbeitnehmer nach unvollständiger Auskunftserteilung über seine Daten (Art. 15 Abs. 1 DSGVO) 1.000 Euro als immaterieller Schadensersatz zugesprochen (BAG, Urteil v. 5.5.2022, 2 AZR 363/21).
Sonderfall: Unberechtigte oder vertragswidrig veranlasste Kündigung
Eine unberechtigte Arbeitgeberkündigung kann zur Schadensersatzpflicht führen. Voraussetzung ist wiederum eine schuldhafte Vertragsverletzung, die zu bejahen ist, wenn der Arbeitgeber die Unwirksamkeit der Kündigung kannte oder hätte erkennen können. Ist dies der Fall, haftet der Arbeitgeber auch für die dadurch entstandenen Schäden. Bei nicht eindeutiger Rechtslage und vertretbarem Rechtsstandpunkt, handelt der kündigende Arbeitgeber solange nicht fahrlässig, wie er auf die Wirksamkeit seiner Kündigung vertrauen darf (BAG, Urteil v. 13.7.2002, 2 AZR 391/01).
Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles veranlasst, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet (§ 628 Abs. 2 BGB). Hiermit wird das Auflösungsverschulden sanktioniert, in diesem Fall das Verschulden des Arbeitgebers, der die Eigenkündigung eines Arbeitnehmers provoziert hat.
Der kündigende Arbeitnehmer ist darlegungs- und beweispflichtig für das vertragswidrige Verhalten des Arbeitgebers, das einerseits die Schwere eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung haben und andererseits gerade Motiv für die Eigenkündigung gewesen sein muss (LAG Köln, Urteil v. 21.7.2006, 4 Sa 574/06). Der zu ersetzende Schaden richtet sich nach den §§ 249, 252 BGB, d.h. es sind alle Vergütungsansprüche einschließlich aller Nebenleistungen zu erfüllen, die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einer fiktiven Kündigung entstanden wären. Hinzutreten kann eine den Verlust des Bestandsschutzes ausgleichende angemessene Entschädigung entsprechend §§ 9, 10 KSchG (BAG, Urteil v. 26.7.2001, 8 AZR 739/00).
Hintergrund:
Belästigungen unterbinden: Bei Belästigungen muss der Arbeitgeber durch geeignete Maßnahmen dafür sorgen, dass diese in Zukunft abgestellt werden.
- Finden politische Kontroversen oder ethnisch abwertende Haltungen Eingang in den Unternehmensalltag, auch in der Form von Scherzen, halbernsten Anspielungen etc., so ist der Arbeitgeber in der Pflicht, dies zu unterbinden.
- Tut er dies nicht, begeht er einen Compliance-Verstoß.
- Tut er es deutlich, leistet er Prophylaxe gegen AGG-Verstöße.
Kommt es zu Anspielungen und Provokationen mit ethnischem Hintergrund, ist dies ein Fehlverhalten eines Arbeitnehmers, das der Arbeitgeber grundsätzlich nicht hinnehmen darf. Hier muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zu nichtdiskriminierendem Verhalten anhalten und dies auch durchsetzen.
Wenn dies nicht zum Erfolg führt, ist eine ordentliche oder in schweren Fällen auch fristlose Kündigung möglich und u.U. auch nötig.
Meinungsfreiheit hat arbeitsrechtliche Grenzen
Die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit räumt zwar grundsätzlich jedem das Recht ein, seine Meinung frei zu äußern. Das gilt auch im Arbeitsverhältnis. Sachbezogene Auseinandersetzungen dürfen durchaus scharf geführt werden, sodass z.B. der sinngemäße Vorwurf an einen Vorgesetzten, ein „Ausbeuter“ zu sein, noch in Ordnung und keine Schmähkritik ist (BVerfG, Beschluss v. 30.5.2018, 1 BvR 1149/17). Wichtig ist nur, dass die Auseinandersetzung in der Sache und nicht die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit wird durch andere Rechte und allgemeine Gesetze beschränkt. Das gilt ganz besonders für das Recht der persönlichen Ehre, das nicht nur im Strafgesetzbuch, sondern auch in Art. 5 Abs. 2 GG geschützt wird. Insbesondere Diskriminierungen werden durch die Meinungsfreiheit nicht rechtlich abgesichert.
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