Blockchain-Technologie im Accounting – Reorganisation durch digitale Belege und Smart Contracts
Integration der Blockchain am Beispiel eines Handelswarenkaufs
Viele denken beim Begriff Blockchain sofort an Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum & Co. Dabei bietet die diesen Währungen zugrundeliegende Blockchain-Technologie das Potenzial, den Accounting-Bereich zu transformieren. Dabei spielt die Integration von Smart Contracts in die Blockchain eine zentrale Rolle. Im Anschluss an das Beispiel werden die Grundlagen von Blockchain und Smart Contracts vorgestellt.
Voraussetzungen
Für das folgende Beispiel hinterlegen wir einen Handelswarenkauf innerhalb eines klassischen Rahmenvertrags mit vereinbarten Preisstaffeln, Zahlungsbedingungen, Versandarten, Handelsklauseln und Vertragsdauern. Zudem setzen wir RFID-Chips zum Tracking der Waren während des Transports und in den Lägern des Lieferanten und des Käufers voraus. Dadurch sind die Lieferbestandsdaten beider Parteien in Echtzeit in der eingesetzten Blockchain verfügbar.
In einem ersten Schritt können folgende Parameter in einen Smart Contract codiert werden:
- Die Bedingungen des Rahmenvertrags
- Meldebestand des Lagers beim Käufer
- Regeln zum Umgang mit Skonti und Zahlungszielen
Prozessablauf in der Blockchain
Der Prozessablauf wird in der Bilderserie Schritt für Schritt dargestellt.
- Das Lager des Käufers unterschreitet den Meldebestand, der Smart Contract löst eine Bedarfsmeldung aus und prüft den Lagerbestand des Lieferanten.
- Bei positiver Lieferfähigkeit prüft der Smart Contract die Liquidität des Käufers.
- Bei ausreichender Liquidität des Käufers prüft der Smart Contract die Bedingungen des Rahmenvertrags.
- Innerhalb der Bedingungen des Rahmenvertrags bestellt der Smart Contract die optimale Bestellmenge.
- Über RFID-Chips wird der Weg der Waren vom Lager des Lieferanten bis zur Ankunft beim Käufer in der Blockchain nachgehalten.
- Zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs bucht der Smart Contract den Warenübergang.
- Nach Eingang der Waren im Lager des Käufers prüft der Smart Contract die hinterlegten Regeln zum Umgang mit Skonti und Zahlungszielen.
- Der Smart Contract tätigt die Überweisung, bucht den Geldübergang und speichert einen digitalen Beleg in der Blockchain.
Diese integrierte Anwendung erlaubt Echtzeitbuchungen im Rahmen eines Handelswarenkaufs. Die Geschäftsbeziehung kommt nach der Programmierung des Smart Contracts ohne die Zuarbeit von Mitarbeitern aus, sodass manuelle Buchungen zur Ausnahme werden. Dabei hat die codierte Ausführung den Vorteil, dass beide Vertragsparteien ihre Vertragspflichten automatisch erfüllen. Bei mangelnder Lieferfähigkeit des Lieferanten oder mangelnder Liquidität des Käufers würde eine Ausführung des Handelswarenkaufs automatisch abgebrochen werden. Dies führt zu mehreren gewichtigen Vorteilen gegenüber der traditionellen Abwicklung: weniger Bedarf für Sicherheiten, geringere Transaktionskosten und nur einmalige rechtliche Absicherung.
Doppelte Buchführung als Ausgangspunkt: Genauigkeit und Vollständigkeit erreichen
Den Ausgangspunkt für die Anwendung der Blockchain-Technologie im Accounting bietet das vorherrschende System der Finanzbuchhaltung in der privaten Wirtschaft – die doppelte Buchführung. Die rechentechnische Kontrolle der doppelten Buchführung bezweckt eine hohe Genauigkeit und Vollständigkeit und reduziert menschliches Fehlverhalten. Letztendlich kann dieses System jedoch keine umfassende Sicherheit bezüglich der Richtigkeit der Buchungen bieten. Daher prüfen Wirtschaftsprüfer als unabhängige Dritte den Einhalt gesetzlicher Bilanzierungsregeln.
Grundidee der Blockchain: Transparenz durch Dezentralität
Die aus der Kryptografie hervorgegangene Blockchain-Technologie setzt an diesem Punkt an. Die Technologie hinter Kryptowährungen ermöglicht außerordentlich manipulationssichere finanzielle Transaktionen. Die Transaktionen werden dabei in einem ersten Schritt in einem kryptografisch gesicherten Block zusammengefasst und von allen Teilnehmern eines Netzwerkes auf Richtigkeit überprüft. Bei mehrheitlich positiver Validierung wird ein Block mit neuen Transaktionen zu einer kryptografischen Kette aus bereits bestehenden Blöcken (= Blockchain) hinzugefügt. Diese verschlüsselte Kette ist bei allen Netzwerkteilnehmern dezentral gespeichert. Dadurch besitzt jeder Teilnehmer ein vollständiges Register aller Transaktionen und ist in der Lage, alle bestehenden Transaktionen einzusehen und zu überprüfen. Die dezentrale Architektur der Blockchain ist hierbei ein wesentlicher Unterschied zu bestehenden Systemen. Wurde eine Transaktion in den einzelnen Registern aller Netzwerkteilnehmer eingetragen, ist eine nachträgliche Veränderung oder Löschung kaum möglich.
Triple Entry Accounting: Digitaler Beleg ergänzt doppelte Buchführung
Im Rechnungswesen kann die Blockchain genutzt werden, indem Transaktionen durch das „Triple Entry Accounting“ neben der klassischen Doppelbuchung zusätzlich in der Blockchain erfasst werden. Dabei wird in einem gemeinsamen Netzwerk jeweils beim Käufer und Verkäufer ein dritter, digitaler Beleg über die Transaktion erstellt, der nicht nachträglich verändert werden kann. Eine spätere Anpassung ist lediglich durch eine Korrekturbuchung in einem neuen Block möglich, welche wiederum die Zustimmung des gemeinsamen Netzwerks benötigt. So wird ein einseitiger Betrug durch nachträgliche Veränderung erheblich erschwert und die Glaubwürdigkeit der Darstellung erhöht. Um bereits bei der Erstellung der Buchungen menschliche Fehler zu reduzieren, könnte die zusätzliche Anwendung von Smart Contracts das Accounting in der Blockchain nicht nur manipulationssicherer machen, sondern auch weitestgehend automatisieren.
Smart Contracts: Vertragliche Vereinbarungen automatisch auslösen
Smart Contracts bieten als in die Blockchain codierte Programme die Möglichkeit, Verträge, Kontrollen und Aufgaben automatisch auszuführen, sobald vorher bestimmte Bedingungen eintreten. Dabei werden alle Buchungen automatisch durch die Blockchain verifiziert und kontrolliert. Die Smart Contracts profitieren dadurch von allen Vorteilen der Blockchain-Architektur und sind vielfältig einsetzbar.
Die Einrichtung und Programmierung von Smart Contracts ist im ersten Schritt sehr aufwendig. Es müssen verschiedenste Vertragsbedingungen (inkl. der AGB) rechtssicher in den Programmcode geschrieben werden, damit bei einer automatisierten Ausführung immer der gleiche, von den Parteien vereinbarte Vertragszweck erfüllt wird. Anschließend erfolgt die Vertragsabwicklung vereinfacht anhand von „Wenn-Dann-Beziehungen“. Sobald ein bestimmter Umweltzustand (z.B. geringer Lagerbestand, Gefahrenübergang) als erfüllt gemeldet wird, geben Smart Contracts die entsprechenden Waren oder Buchungen frei.
Vorteile bieten Smart Contracts vor allem dann, wenn sie in einem automatisierten Umfeld agieren und durch digitalisierte Prozesse unterstützt werden. Das o. g. Beispiel eines Handelswarenkaufs setzt hier an und veranschaulicht die Funktionsweise von Blockchain-basierten Smart Contracts. Hierbei zeigte das Fallbeispiel, wie die Blockchain-Technologie in eine Geschäftsbeziehung zwischen Lieferant und Käufer integriert werden kann.
Auswirkungen auf die Abschlussprüfung
Durch den Einsatz der Blockchain-Technologie im Unternehmen kann sich für Wirtschaftsprüfer der Schwerpunkt ihrer Prüfmandate verschieben. Einerseits könnten sich Wirtschaftsprüfer im Rahmen ihrer Jahresabschlussprüfung auf Kontrollen von Smart Contracts konzentrieren. Denn wenn die Programmierung transparent und im Einklang mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen erfolgt, ist eine Überprüfung der einzelnen Echtzeitbuchungen nicht mehr nötig. Andererseits könnten Wirtschaftsprüfer die gesetzestreue Programmierung von Smart Contracts bereits während des Geschäftsjahres bestätigen und als zugelassene Netzwerkteilnehmer Buchungen innerhalb der Blockchain verifizieren. Diese Echtzeitprüfung würde für Wirtschaftsprüfer die typische Arbeitsbelastung während der Hauptprüfungssaison deutlich entzerren. Nach Abschluss eines Geschäftsjahres müssten sie sich lediglich auf manuelle (Korrektur-)Buchungen außerhalb der Blockchain konzentrieren, deren Umfang Unternehmen schrittweise verringern könnten.
Blockchain Controlling und Accounting: Der Ausblick
Die Blockchain-Technologie steht am Anfang ihrer Entwicklung und muss noch einige Hürden überspringen. Dennoch hat sie das Potenzial, grundlegende Veränderungen im Accounting-Bereich anzustoßen. Zusammenfassend sind dabei drei Aspekte festzuhalten:
- Die dezentrale Architektur der Blockchain kann das Fehler- und Betrugspotenzial in Unternehmen deutlich senken. Für eine höhere Manipulationssicherheit sorgt dabei das Triple Entry Accounting durch die Einführung eines dritten Beleges in der Blockchain.
- Durch den Einsatz von Smart Contracts kann die Blockchain-Technologie einzelne Verträge oder auch ganze Geschäftsbeziehungen automatisieren. Bei einer erfolgreichen Integration der Blockchain in die bestehenden Unternehmensprozesse kann das Accounting schrittweise auf manuelle Buchungen verzichten und somit Accountingdaten in Echtzeit zur Verfügung stellen.
- Als Konsequenz kann sich auch die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsprüfern verändern. Bei einer gesetzestreuen Programmierung von Smart Contracts wären Prüfer in der Lage, sich vermehrt auf IT- und Prozesskontrollen sowie auf auffällige Einzelbuchungen außerhalb der Blockchain zu konzentrieren. Buchungen innerhalb der Blockchain könnten sie als Netzwerkteilnehmer in Echtzeit verifizieren.
Die betriebliche Nutzung der Blockchain hat potenziell enorme Auswirkungen auf die Arbeitsweise von Buchhaltern, Controllern und Wirtschaftsprüfern. Führungskräfte sollten sich dieser möglichen Veränderung bewusst sein und den Umfang der Auswirkungen auf bestehende Personal- und Prozessstrukturen berücksichtigen. Dabei dürfen sie mögliche Akzeptanz- und Motivationsprobleme bei den Mitarbeitern nicht unterschätzen. Zu häufig scheitern IT-Projekte an diesen Hürden, die z.B. durch frühzeitige, klar kommunizierte Pilotprojekte in einzelnen Bereichen gesenkt werden könnten. Am Beispiel eines automatisierten Handelswarenkaufs zeigte dieser Beitrag auf, wie ein solches Pilotprojekt in bestehende Prozessstrukturen integriert werden könnte.
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