„Wöhe“ bleibt Grundsatz der langfristigen Gewinnmaximierung treu
Alfred Biel: Wir haben über das Buchkonzept, die Buchgestaltung und über Grundsätzliches zum Buch gesprochen. Bitte lassen Sie uns auch kurz einige inhaltliche Aspekte vertiefen. Beispielsweise ist die reine Gewinnmaximierung in der betriebswirtschaftlichen Literatur durchaus umstritten. Was sagt dazu die Neuauflage?
Prof. Dr. Gerrit Brösel: Der „Wöhe“ orientiert sich seit der 1. Auflage an dem Grundsatz der langfristigen Gewinnmaximierung. Dieser zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch. Ich garantiere, dass sich dies nicht ändern wird, solange mein Name für den „Wöhe“ mit steht. Betriebliche Entscheidungen müssen in erster Linie am Ziel der langfristigen Gewinn- und nicht an der Gemeinwohlmaximierung ausgerichtet werden, auch weil Letztere sich nicht allgemeingültig fixieren lässt.
Bitte lassen Sie es mich zuspitzen: Wie hält es der „Wöhe“ mit dem Stakeholder Value und mit der Wirtschaftsethik bzw. der Moral in Wirtschaft und Unternehmen?
Die Kritik an der Shareholderausrichtung des „Wöhe“ ist in Anbetracht der Finanzkrisen auf den ersten Blick verständlich. Allerdings lassen sich auch Fragen zum ethischen Verhalten nicht allgemeingültig beantworten. Wann ist betriebliches Handeln unmoralisch? Wann moralisch? Hierfür haben andere wissenschaftliche Disziplinen besseres Rüstzeug. Zudem stellt sich die Frage, wie man die heterogenen Interessen der Stakeholder unter einen Hut bekommen will? Der „Wöhe“ folgt im Sinne von Adam Smith dem Motto: „Gemeinnutz kommt von Eigennutz“. Dieser Satz findet sich so auch im „Wöhe“. Die Sanktionsmechanismen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs sind Basis eines moralischen Unternehmenshandelns. Die Nachfrager können individuell ihre persönlichen Moralvorstellungen selbstbestimmend am Markt kundtun. So kommt die „unsichtbare Hand“ des Wettbewerbs zum Tragen. Damit die Eigennutzmaximierung nicht zulasten des Allgemeinwohls geht und um in bestimmten Bereichen ein Marktversagen zu vermeiden, muss der Staat hier flankierend die Rahmenbedingungen und Spielregeln für das Markthandeln der Einzelnen festlegen.
Welche Grundeinstellung und welches moralische Bewusstsein gibt der „Wöhe“ Studierenden mit auf dem Weg?
Gier und der Hang zum „schnellen Geld“ können durch Gesetze nicht ausgeschlossen werden. Gier führt jedoch lediglich zu kurzfristigen Erfolgen – mit langfristiger Gewinnmaximierung ist das nicht vereinbar, denn auch die Eigner kommen bei der sog. Shareholder-Orientierung nicht ohne Berücksichtigung der Interessen der übrigen Stakeholder aus. Deren Berücksichtigung ist – im Unterschied zum Stakeholder-Ansatz – aber nur Mittel zum Zweck. Durchdringen die Studenten diese Erkenntnisse mithilfe des „Wöhe“, sollte sich ihr moralisches Bewusstsein stärken.
Da unser Interview auch im Controlling-Umfeld veröffentlicht und gelesen wird, verbleibt noch, nach den Gründen zu fragen, warum im „Wöhe-Lehrbuch“ Controlling über den Koordinationsansatz definiert wird. In der Fußnote wird auf „andere Definitionsansätze“ verwiesen. Damit ist vermutlich insbesondere der auch im Internationalen Controller Verein ICV verbreitete Ansatz gemeint, „Controlling dient der Sicherung der Rationalität“ von Weber/Schäffer. Warum ist nach dem „Wöhe“ „Controlling […] so zu koordinieren, dass die Unternehmensziele optimal erreicht werden“ (S. 176), und warum wird nicht schwerpunktmäßig die Rationalität gesichert?
Ich sehe darin keinen Widerspruch, wenn die Unternehmensziele zweckmäßig sind. Damit das Controlling substanziell zur Verwirklichung des Unternehmensziels „langfristige Gewinnmaximierung“ beiträgt, setzt dieses rationales unternehmerisches Handeln voraus und fördert ein solches Handeln zugleich.
Vielen Dank für das Gespräch.
Prof. Dr. Gerrit Brösel, Fernuniversität Hagen, ist seit der aktuellen 26. Auflage Co-Autor (neben Professor Ulrich Döring) des Lehrbuchklassikers „Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre“, von Wöhe/Döring/Brösel, allgemein bekannt als „Wöhe“.
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