ESMA IFRS Prüfungsschwerpunkte 2022

Die gemeinsamen europäischen Prüfungsschwerpunkte stellen weiterhin auf die Bedeutung klimabedingter Einflüsse sowie den Einfluss makroökonomischer Risiken auf die Rechnungslegung ab. Die verbindlichen Prüfungsschwerpunkte sollen bei der Überprüfung der 2022er Abschlüsse durch die nationalen Enforcement-Stellen kapitalmarktorientierter Unternehmen berücksichtigt werden.

Am 28.10.2022 veröffentlichte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority; ESMA) ihre europäischen Prüfungsschwerpunkte (common enforcement priorities) für das nachfolgende Kalenderjahr 2023, betreffend Abschlüsse aus dem Kalenderjahr 2022.

Ergänzung der nationalen Prüfungsschwerpunkte

Die ESMA-Prüfungsschwerpunkte ergänzen – wie in den Vorjahren – die durch die nationalen Enforcer (in Deutschland ab dem 1.1.2022 durch die BaFin) gesetzten Schwerpunkte. Diese sind für die Unternehmen daher von gleicher Relevanz wie die national spezifischen Prüfungsschwerpunkte.

Die Schwerpunkte der ESMA sind, wie im letzten Jahr, in 3 Abschnitte aufgeteilt:

ESMA Prüfungsschwerpunkte 2022

Abschnitt 1 – u. a. klimabezogene Themen und Auswirkungen des Ukraine-Konflikts auf die Rechnungslegung

Folgende Schwerpunkte werden in der finanziellen Berichterstattung gesetzt:

1. Klimabezogene Angaben

Unverändert zum Vorjahr stehen klimawandelbedingte Risiken/Folgen für die jeweilige Unternehmenstätigkeit der Abschlussersteller in der Berichterstattung im Mittelpunkt. Klimawandelrisiken sind, sofern relevant, u. a. in der Anwendung von IAS 36 zu berücksichtigen, sei es bei den Angaben (Sensitivitäten), bei der Bewertung oder bei der Identifizierung eines "triggering events".

Neben der Berücksichtigung klimawandelbedingter Risiken in der Rechnungslegung, soweit diese einen wesentlichen Einfluss haben, ist auf eine Konsistenz zwischen den Angaben im (Konzern-)Lagebericht zu klimabezogenen Angelegenheiten und daraus entstehender Risiken und Chancen zu den Ermessensentscheidungen und Schätzungen im IFRS-Anhang nach IAS 1.122-.133 zu achten. Sofern Unternehmen Zielerreichungsgrade oder Angaben zu auferlegten Verpflichtungen im Zusammenhang mit Klimarisiken veröffentlichen, sind Enforcer angehalten diese kritisch zu hinterfragen, damit potenzielles Greenwashing zu erkennen und zu verhindern.

Sofern Vereinbarungen getroffen wurden, die den Preis für die Lieferung von Ökostrom im Voraus festlegen (z. B. über virtual power purchase agreements), um die CO₂-Bilanz eines Unternehmens zu reduzieren und/oder sich gegen schwankende Preise abzusichern, fordert ESMA Erläuterungen über die finanziellen Auswirkungen und die buchhalterische Behandlung solcher Vereinbarungen.

2. Auswirkungen des Ukraine-Konflikts

Die Erwartungen der ESMA an die Berichterstattung zu möglichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Rechnungslegung bauen in weiten Teilen auf der Publikation zum Halbjahresfinanzbericht auf. Betroffen ist u. a. die Wertminderung nichtfinanzieller Vermögenswerte, z. B. aufgrund der Einschränkungen bei der Gasversorgung und der potenziellen Rationierung von Energie für bestimmte Branchen im Zusammenhang mit dem ukrainisch-russischen Konflikt.

3. Makroökonomisches Umfeld

Das derzeitige makroökonomische Umfeld ist gekennzeichnet durch eine Kombination aus andauernden pandemiebedingten Auswirkungen, Inflation, Zinsanstieg, Verschlechterung des Geschäftsklimas, geopolitischer Risiken und Ungewissheiten hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung. Bilanzielle Auswirkungen auf z. B. die Going-Concern-Annahme, Werthaltigkeitstest oder auch Liquiditätsrisiken sind entsprechend kritisch zu prüfen. Die Notwendigkeit einer kritischen Prüfung durch Emittenten, externe Wirtschaftsprüfer sowie Prüfungsausschüsse aber auch einer transparenten Darstellung wie Risiken und Ungewissheiten, die sich auf die Geschäftstätigkeit, die Finanzlage, Cashflow und die Aussichten eines Emittenten auswirken könnten oder ausgewirkt haben, fordert auch die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) in ihrem Statement vom 14.11.2022.

Abschnitt 2 (Überblick) – Klimabezogene Angaben im Fokus der nichtfinanziellen Berichterstattung

  • Klimabezogene Angaben: Zur Einhaltung der Anforderungen wird – analog zum Vorjahr – auf die Leitlinien der Europäischen Kommission zur Berichterstattung über klimabezogene Informationen verwiesen. Diese sind hier zu finden. Die "doppelte Wesentlichkeitsperspektive" ist nach Ansicht der ESMA eine der wichtigsten Säulen der nichtfinanziellen Berichterstattung.
  • Angaben nach Artikel 8 der Taxonomieverordnung: Unternehmen sind im Geschäftsjahr 2022 zum ersten Mal verpflichtet neben der taxonomischen Eignung (eligibility) auch die Taxonomiekonformität (alignment) ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten im Hinblick auf die Klimaschutz- und Klimaanpassungsziele offenzulegen, einschließlich der Angaben, die in dem ergänzenden delegierten Rechtsakt zum Klimawandel (EU/2022/1214) gefordert werden.
  • Berichtsumfang und Datenqualität: Die ESMA fordert die Emittenten auf, die Berichterstattung über einen größeren Umfang als den für finanzielle Zwecke zu erwägen, wenn dies notwendig ist, um wesentliche Informationen über nichtfinanzielle Angelegenheiten zu liefern. Zur Wahrung einer zuverlässigen nichtfinanziellen Berichterstattung ist auf eine hohe Qualität und Robustheit der zugrunde liegenden Daten zu achten.

Abschnitt 3 - Alternative Leistungskennzahlen und ESEF

Aufbauend auf den letzten Jahren, wird auf die Einhaltung und Anwendung der Leitlinien der ESMA zu APMs verwiesen (u. a. im Zeitablauf konsistente Definition und Berechnung eines APM). ESMA weist zudem auf die Umsetzung der Anforderung des technischen Regulierungsstandards (RTS) zum "Block-Tagging" für ESEF hin.

Weitere Themen: Umsetzung von IFRS 17

ESMA weist auf die notwendige Transparenz bei der Umsetzung von IFRS 17 hin. Erwartungen und Empfehlungen bezüglich der Angaben im Jahresabschluss 2022 sind in der im Mai 2022  veröffentlichten Stellungnahme der ESMA dargelegt. Für weitere Informationen wird auf folgenden Beitrag verwiesen.

Praxis-Tipp: Prüfungsschwerpunkte, aber auch unternehmensspezifische Themen können geprüft werden

Bereits seit 2014 sind europäisch einheitliche Prüfungsschwerpunkte zu berücksichtigen. Die Liste der Prüfungsschwerpunkte seitens ESMA setzt inhaltlich auf den letztjährigen Schwerpunkten auf. Die Liste ist allerdings nicht als abschließend zu verstehen. Unabhängig von den Prüfungsschwerpunkten der ESMA (sowie BaFin) können auch weitere unternehmensspezifische Themen Gegenstand einer Enforcement-Untersuchung sein.


Diese Informationen könnten Sie auch interessieren:

IFRS 16 zu Sale-and-Leaseback-Transaktionen: EFRAG empfiehlt (vorläufig) Übernahme der Änderungen

IASB-Änderungen an IFRS 16 zu Sale-and-Leaseback-Transaktionen

Update des Fachlichen Hinweises des IDW zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf Finanzberichte


Schlagworte zum Thema:  IFRS, ESMA, Jahresabschluss