Sustainable Finance-Strategie der EU-Kommission: Neuerungen veröffentlicht
Die europäischen Staaten haben sich im Jahr 2019 durch den Vorschlag für ein europäisches Klimagesetz zur Verwirklichung einer CO2-neutralen Europäischen Union bis 2050 (kurz: EU Green Deal) darauf geeinigt, die EU klimaneutral zu machen. Zur Erreichung der nachhaltigen Umweltziele sind insbesondere auch die Finanzmärkte einbezogen. Umwelt-, soziale und Unternehmensführungsaspekte sollen in Investitionsentscheidungen in der europäischen Wirtschaft mit einbezogen werden (Sustainable Finance).
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Aktionsplan der EU für mehr Nachhaltigkeit
Bereits im März 2018 veröffentlichte die EU-Kommission ihren ersten Aktionsplan. Die dafür eigens eingesetzte High-Level Expert Group on sustainable finance (HLEG) schlug dabei folgende Maßnahmen vor:
- Festlegung einer gemeinsamen Sprache für das nachhaltige Finanzwesen, d.h. ein einheitliches EU-Klassifikationssystem (EU-Taxonomie), s. dazu unsere News EU-Taxonomie: Klassifizierungskriterien zur Nachhaltigkeit.
- Schaffung eines EU-Kennzeichens für „grüne“ Finanzprodukte auf der Grundlage dieses EU-Klassifikationssystems.
- Klärung der Pflicht von Vermögensverwaltern und institutionellen Anlegern, das Kriterium der Nachhaltigkeit bei den Investitionsabläufen zu berücksichtigen und Stärkung der Offenlegungsvorschriften.
- Auflage für Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen, ihre Kunden entsprechend ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu beraten.
- Einbeziehung der Nachhaltigkeit in die Aufsichtsvorschriften bei Banken und Versicherungsunternehmen, insbesondere Prüfung der Machbarkeit einer erneuten Feinabstimmung der Kapitalanforderungen von Banken für nachhaltige Investitionen („green supporting factor“).
- Größere Transparenz der Unternehmensbilanzen.
Da viele der Punkte bereits abgearbeitet wurden, bedurfte es aus Sicht der EU-Kommission einer Erneuerung der Sustainable Finance-Strategie, welche mithilfe eines umfangreichen Fragenkatalogs im April 2020 erarbeitet wurde.
Sustainable Finance-Strategie: neuer Aktionsplan Juli 2021
Die am 6.7.2021 veröffentlichte Strategy for financing the transition to a sustainable economy sieht ein umfangreiches Maßnahmenbündel (comprehensive package of measures) vor.
Folgende Schritte (actions) werden angeführt:
- Ausweitung des bestehenden Instrumentariums für nachhaltige Finanzierungen, um den Zugang zu Übergangsfinanzierungen zu erleichtern.
- Verbesserung der Einbeziehung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Verbrauchern, indem ihnen die richtigen Instrumente und Anreize für den Zugang zu Übergangsfinanzierungen gegeben werden.
- Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Wirtschafts- und Finanzsystems gegenüber Nachhaltigkeitsrisiken.
- Erhöhung des Beitrags des Finanzsektors zur Nachhaltigkeit.
- Sicherstellung der Integrität des EU-Finanzsystems und Überwachung seines geordneten Übergangs zur Nachhaltigkeit.
- Entwicklung internationaler Initiativen und Standards für nachhaltige Finanzen und Unterstützung der EU-Partnerländer.
Unternehmensberichterstattung: Maßnahmen der EU-Kommission
Im gleichen Zusammenhang nennt die EU-Kommission noch weitere Maßnahmen, welche die Unternehmensberichterstattung betreffen:
- Erweiterung der EU-Taxonomie: Betroffen sind technische Bewertungskriterien bzgl. des Agrar- und des Energiesektors (inkl. Atomenergie und Gas) sowie die Definition technischer Bewertungskriterien für die übrigen vier Umweltziele (Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung von Ökosystemen und Biodiversität).
- Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Rechnungslegung: Die EU-Kommission will mit der EFRAG, der ESMA sowie dem IASB zusammenarbeiten, um festzustellen, ob Nachhaltigkeitsrisiken in den IFRS angemessen berücksichtigt sind. Insbesondere sollte bewertet werden, wie relevante Klima- und Umweltrisiken in Jahresabschlüssen angemessen und rechtzeitig erkannt und gemeldet werden können. Dabei soll das Konzept der doppelten Wesentlichkeit weiter befürwortet werden. Dieses fordert eine Offenlegung von Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens auf die Umwelt und die Gesellschaft sowie die geschäftlichen und finanziellen Risiken, denen ein Unternehmen durch seine Nachhaltigkeitsrisiken ausgesetzt ist.
EU-Taxonomie Update und Schaffung eines European Green Bond-Standards
Zeitgleich wurde der delegierte Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung, der die Berichtspflichten zu Art. 8 der EU-Taxonomie präzisiert, veröffentlicht. Dieser legt fest, welche Informationen Finanz- und Nichtfinanzunternehmen über ihre Umweltleistung offenlegen müssen.
Als weiteres Instrument für Marktteilnehmer wurde ein EU-Standard für grüne Anleihen (EuGB / European Green Bond Standard; EUGBS) von der EU-Kommission vorgeschlagen, um Lösungen für nachhaltige Investitionen zu entwickeln und dabei "green washing" zu verhindern. Die Anwendung des EUGBS ist freiwillig (voluntary). Dieser wird allen Emittenten grüner Anleihen offenstehen, auch solchen mit Sitz außerhalb der EU. Es gibt vier Hauptanforderungen:
- Die durch die (grüne) Anleihe eingenommenen Mittel sollten vollständig für Projekte verwendet werden, die mit der EU-Taxonomie übereinstimmen.
- Es muss vollständige Transparenz darüber herrschen, wie die Anleiheerlöse zugewiesen werden, und zwar durch detaillierte Berichtsanforderungen.
- Alle grünen EU-Anleihen müssen von einem externen Prüfer kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass die Verordnung eingehalten wird und die finanzierten Projekte mit der Taxonomie übereinstimmen.
- Externe Prüfer, die Dienstleistungen für Emittenten grüner EU-Anleihen erbringen, müssen bei der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde registriert sein und von dieser überwacht werden.
Zu den beiden letzten Punkten soll es für staatliche Emittenten eine besondere, begrenzte Flexibilität (specific, limited flexibility) geben.
Praxistipp: neue Rahmenbedinungen für nachhaltige Investitionsentscheidungen nutzen
Nachhaltigkeit (Sustainable Finance) ist allgegenwärtig. Auch das Finanzsystem und deren Akteure sind gefordert. Die (erneuerte) Strategie der EU-Kommission setzt dafür neue Rahmenbedingungen anhand derer der Einbezug von Umwelt-, sozialen und Unternehmensführungsaspekten in die verschiedenen Finanzmarktinformationen stattfinden soll, um letztlich nachhaltige Investitionsentscheidungen zu gewährleisten.
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