Wie die Fünftelregelung Arbeitnehmer bei mehrjähriger Überstundenvergütung entlastet
Ob zeitlich befristet oder über einen längeren Zeitraum – kaum ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin kommt während ihres Berufslebens um Überstunden herum. Oft ist Personalmangel die Ursache und ein Ausgleich der zu viel geleisteten Stunden wird zur Herausforderung. So manches Unternehmen zeigt sich dann zur Vergütung der aufgelaufenen Zeit bereit. Spätestens bei einem absehbaren Ende des Arbeitsverhältnisses ist dies manchmal ohnehin die einzig machbare Lösung.
Auszahlung von Überstunden mehrerer Jahre: Anwendung der Fünftelregelung
Je nach Anzahl der Überstunden kann bei der Auszahlung eine größere Summe zusammenkommen. Für Arbeitnehmer bedeutet das jedoch oft: Durch die Steuerprogression fällt der Betrag auf dem Konto deutlich geringer aus als erwartet. Umso besser ist es dann, wenn eine Tarifermäßigung greift. Um die Anwendung der sogenannten Fünftelregelung ging es zuletzt auch in einem Fall, über den der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil v. 2.12.2021, VI R 23/19) entschieden hat.
Dabei hatte ein Arbeitnehmer in den Jahren 2013 bis 2015 zahlreiche Überstunden geleistet, die weder in Zeit noch finanziell vom Unternehmen ausgeglichen wurden. Im folgenden Jahr einigten sich beide Parteien darauf, die Anstellung per Aufhebungsvertrag zu beenden. Zuvor sollten die in den Vorjahren geleisteten 330 Überstunden jedoch in einer Summe abgegolten werden, wobei der ausscheidende Mitarbeiter insgesamt 6.000 EUR brutto erhielt. Das zuständige Finanzamt erfasste diese Vergütung schließlich als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Die Tarifermäßigung aus der Fünftelregel nach § 34 Abs. 1 EStG berücksichtigte es dabei aber nicht. Gegen diese Entscheidung wehrte sich der Arbeitnehmer vor dem Finanzgericht Münster und bekam recht.
Voraussetzung für eine ermäßigt zu besteuernde Nachzahlung
In der anschließenden Revision bestätigte der Bundesfinanzhof die Einschätzung der Vorinstanz. Ermäßigt zu besteuern sind demnach vor allem Einkünfte aus mehrjähriger Tätigkeit. Dabei muss diese einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten und mindestens 2 Veranlagungszeiträumen umfassen. Ergeben kann sich dies sowohl aus dem Anlass der Zahlung als auch aus den damit zusammenhängenden Umständen.
Um die Hintergründe der Vergütung einordnen zu können, kommt es neben Hinweisen zum Auslöser auf die Berechnung an. Denkbar wäre hier neben der Überstundenvergütung ebenso eine Lohnnachzahlung. Entscheidend für die Berücksichtigung ist immer die Tatsache, dass die Zahlung mehrere Jahre betrifft. Weitere Voraussetzung ist, dass die Überweisung in einer Summe aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen erfolgt. Beide Anforderungen wurden im vorliegenden Fall erfüllt. Entsprechend ist die Tarifermäßigung anzuwenden.
Hintergrund der Fünftelregelung: Reduzierung der Steuerbelastung
Die Aufteilung der erhaltenen Einkünfte auf 5 Jahre soll die Steuerprogression mildern. Ansonsten würde ein Arbeitnehmer im Auszahlungsjahr durch eine Mehrbelastung benachteiligt, was vom Gesetzgeber jedoch nicht gewollt ist. Berechnet wird die Einkommensteuer daher, indem 1/5 der Einmalzahlung zum Einkommen addiert und die darauf entfallende Steuer ermittelt wird. Danach wird die Einkommensteuer ohne die Zusatzsumme berechnet. Die Differenz aus den ermittelten Steuersummen ist schließlich wieder mit 5 zu multiplizieren und ergibt so die fällige Steuer.
Praxis-Tipp: Wichtig zu bedenken bei Überstunden
Überstunden unterliegen auch dann der Einkommensteuer, wenn sie im Rahmen der regelmäßigen Gehaltsabrechnung vergütet werden. Auch in diesem Fall steigt in den meisten Fällen die Steuerlast, da eine höhere Progressionsstufe erreicht wird. Kennen sollten Arbeitnehmer allerdings Ausnahmen, die sich auf den Umfang der Steuerpflicht auswirken. Immerhin sind Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit ganz oder teilweise steuerfrei.
Oft lohnt es sich außerdem, mit dem Unternehmen nach Alternativen für eine Entlohnung geleisteter Überstunden zu sprechen. Denn viele Arbeitnehmer ziehen zusätzliche Freizeit einem Mehr an Gehalt vor. Denkbar ist, dass zu viel geleistete Arbeitszeit in Form von freien Tagen abgegolten oder zumindest stundenweise abgebummelt werden kann. Außerdem besteht die Möglichkeit, ein Lebenszeitkonto anzulegen. In diesem Fall zahlt ein Unternehmen den Lohn für die Überstunden nicht aus. Stattdessen fließt er auf ein spezielles Konto, auf das der Arbeitnehmer später als Rentner zugreifen kann. Die Zahlungen auf das Lebenszeitkonto sind steuer- und sozialabgabenfrei und aufgrund der meist niedrigeren Einnahmen im Ruhestand, fällt die Steuer zu diesem Zeitpunkt geringer aus.
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