Gründe für die geringe Aktionärsquote in Deutschland Teil 2

Die Studie der Frankfurt School of Finance & Management und der Goethe-Universität Frankfurt a. M. im Auftrag der Deutschen Börse AG zur Aktionärsquote, analysiert von Dr. Andreas Schyra. Teil 2: Gründe der Anleger, sich gegen eine Kapitalanlage in Aktien zu entscheiden.

Irrationale Einflussfaktoren auf des Anlageverhalten

In der Fortsetzung des Artikels über die Studie „Zum Rätsel der Aktienmarktteilnahme in Deutschland“, die von Forscher/-innen der Frankfurt School of Finance & Management und der Goethe- Universität Frankfurt im Auftrag der Deutschen Börse AG erstellt wurde, werden weitere, teils irrationale Einflussfaktoren auf das Anlageverhalten in Deutschland dargestellt. Zudem wird eine einfache Möglichkeit erläutert, über Aktienmarktinvestitionen ein Vermögen anzusparen, ohne über nennenswerte ökonomische Kenntnisse zu verfügen. Schlussendlich wird eine Problematik aufgeworfen, die einen Großteil der Bevölkerung betrifft, die sich jedoch weit über das Börsengeschehen hinaus auswirkt.

Die vollständige Studie der Wissenschaftler Sebastian Eber, Michael Grote und Christine Laudenbach ist unter folgendem Link verfügbar: Studie "Zum Rätsel der Aktienmarktteilnahme in Deutschland".

Aktienbesitzquote steht in Relation zum verfügbaren Vermögen

Ob und in welchem Maß Menschen Aktien besitzen, hängt stark vom vorhandenen Vermögen ab. Je mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, desto eher wird zumindest ein Teil dieses Vermögens in Aktien angelegt. Die Studie zeigt jedoch auch, dass es auch vermögende Menschen gibt, die ihr Geld trotzdem nicht in Aktien anlegen. Diese Erkenntnis ist nicht neu und wurde bereits mittels internationaler Studien belegt.

Komplexität wird als Herausforderung gesehen

Grundsätzlich zeigt die Studie, dass Aktieninvestitionen und die Entscheidungsfindung für entsprechende Geldanlagen häufig als sehr theoretisch bzw. komplex empfunden werden. Als eine Möglichkeit, diese Komplexität zu überwinden oder zumindest zu verringern, ohne das eigene Vermögen zu riskieren, werden Risikosimulationen mittels Börsenspielen angeführt, die beispielsweise online verfügbar sind.

Die Ergebnisse zeigen, dass Aktieninhaber ihr Fachwissen höher einschätzen, als Nicht-Aktieninhaber. Der eigene Anspruch an finanzwirtschaftliches oder ökonomisches Fachwissen scheint grundsätzlich eine sehr hohe Hürde zu sein, die jedoch teilweise unbegründet ist: Investitionen in Aktienfonds setzen nicht zwangsläufig voraus, eine Bilanz analysieren oder charttechnische Signale erkennen zu können. Das Wissen um solche analytischen Vorgehensweisen ist für Investitionen in Einzelaktien sicherlich vorteilhaft, für Fondskäufe jedoch nicht zwingend nötig. Jedoch muss beispielhaft konstatiert werden, dass nur wenige der Nicht-Aktieninhaber wissen, was Exchange Traded Funds (ETFs) sind, obwohl eben diese ETFs sehr häufig in der Presse genannt sind und sowohl von privaten als auch institutionellen Anlegern häufig für gestreute Investitionen genutzt werden.

Negative Emotionen aufgrund von Verlusten übersteigen positive Bewertung von Gewinnen

Ein typischer und auch im Rahmen der vorliegenden Studie beobachteter Aspekt ist zudem die unterschiedliche Bewertung von Verlusten und Gewinnen. Die persönliche Bewertung von Verlusten ist häufig doppelt so ausgeprägt wie die positive Einschätzung von Gewinnen. Auch wird die Wahrscheinlichkeit extremer Verluste, etwa infolge wirtschaftlich katastrophaler Entwicklungen oder Krisen, subjektiv zu hoch eingeschätzt, weshalb Aktieninvestitionen unterlassen werden.

Diversifikation und ein langer Anlagehorizont verringern das Risiko

Wenig überraschend zeigt die Studie auch, dass insbesondere Nicht-Aktieninhabern nicht bekannt ist, dass die breite Streuung bzw. Diversifikation eines Aktienportfolios, z. B. über Aktienfonds, sowie ein langer Anlagehorizont das Risiko nennenswert verringern. Dies deutet erneut auf mangelndes Fachwissen hin, das jedoch nicht ausschließlich auf den Finanzmarkt zu beziehen ist. Für unzählige (wirtschaftliche) Entscheidungen bewirken die Diversifikation und eine gewisse zeitliche Ausdauer eine teilweise deutliche Risikoverringerung. Die menschliche Irrationalität herrscht daher – wie zu erahnen – nicht nur bei finanziellen Abwägungen, sondern weit darüber hinaus.

Fondssparplan und Cost Average Effect zum Vermögensaufbau nutzen

Mithilfe eines Fondssparplans können sich Anleger auch ohne vorhandenes Vermögen und tiefe Fachkenntnisse an den Aktienmarkt wagen, da bei dieser Anlageform über einen langen Zeitraum in ein breit gestreutes Aktienportfolio investiert wird. Das Risiko ist relativ gering aber die Rendite wesentlich besser als bei anderen Anlageformen. Das verdeutlicht die Studie anhand eines einfachen Rechenbeispiels:

Wer monatlich 10 EUR in ein Sparschwein legt, hat nach 30 Jahren 3.600 EUR angesammelt. Wird der gleiche Betrag monatlich auf ein Sparbuch mit laufender Verzinsung von 2,0% jährlich eingezahlt, ergibt sich nach 30 Jahren ein Endbetrag von 4.913 EUR. Die positive Differenz zugunsten des Sparbuches liegt demnach bei 1.313 EUR, wobei angemerkt werden muss, dass die aktuell vorherrschende Nullzinssituation dazu geführt hat, dass dieses Beispiel jeder Praxis entbehrt, da keine Bank Spareinlagen mit derart hohen Zinsen versieht. Unabhängig von diesem Praxisaspekt, wird der Zinseszinseffekt jedoch ersichtlich, denn eingezahlte Beiträge und aufgelaufene Zinsen werden in den Folgejahren immer wieder verzinst und mehren sich daher quasi überproportional.

Werden jedoch unverändert monatlich 10 EUR über 30 Jahre in einen Aktienfonds gespart, so ist das Ergebnis noch wesentlich besser. Bei einer angenommenen jährlichen Rendite des Fonds von 7,0% (das entspricht der durchschnittlichen Aktienmarktrendite zwischen den Jahren 1969 und 2018), wächst das Vermögen in 30 Jahren auf 11.697 EUR an. Dieser Betrag liegt 8.097 EUR über dem Endbetrag des Sparschweins und 6.784 EUR über dem Ergebnis des Sparkontos. Der Zinseszinseffekt wirkt hier entsprechend stärker, da die jährliche Rendite deutlich höher ist als in den ersten beiden Anlagemodellen.

Krisen aussitzen und Sparplan fortführen

Ein Fondssparplan ist also eine gute Möglichkeit, sich dem Aktienmarkt zu nähern. Auch ohne Startkapital und mit kleinen monatlichen Beträgen sind damit große finanzielle Fortschritte möglich. Durch den langen Anlagezeitraum können zudem wirtschaftliche Krisen gut ausgehalten und entsprechend für genutzt werden. Angenommen der Fondspreis beträgt in Zeiten eines ökonomischen Booms 10 EUR, so wird monatlich ein Fondsanteil erworben. Fällt der Fondspreis jedoch in einem Krisenszenario um 50% auf 5 EUR, werden entsprechend zwei Fondsanteile pro Monat erworben. Aus diesem Grund ist es wichtig, nicht monatlich die identische Anzahl an Fondsanteilen zu kaufen, sondern stattdessen den gleichen Betrag zu investieren und dies möglichst auch in ökonomisch schwierigen Zeiten beizubehalten. Die Glättung des durchschnittlichen Erwerbskurses nennt sich Cost Average Effect und ermöglicht es auch Kleinanlegern, sich ein gewisses Vermögen zu ersparen, vorausgesetzt die Anlage erfolgt über einen möglichst langen Zeitraum.

Finanzielle Entscheidungen hängen von (wirtschaftlicher) Allgemeinbildung ab

Wie kann die herrschende Risikoaversion und die tendenzielle Überbewertung der Aktienrisiken insbesondere unter Nicht-Aktieninhabern überwunden werden, um die Aktionärsquote in der deutschen Bevölkerung zu steigern?

Grundsätzlich erscheint es herausfordernd, ein höheres Maß der finanzwirtschaftlichen Bildung in die Breite der Bevölkerung zu tragen. Jedoch haben die Forscher anschaulich dargestellt, dass eben diese nicht zwangsläufig nötig ist, sondern eher eine Tendenz zur Rationalität wichtiger wäre. Dieser häufig von Wissenschaftlern – beispielsweise auf Basis neoklassischer Theorien – dargestellte Wunsch ist jedoch schon damit zu erfüllen, dass Definitionen der Begriffe wie Risiko oder Diversifikation und zahlreiche weitere – deren Bewandtnis weit über den Finanzmarkt hinausgeht – deutlich bekannter sein müssten. Somit wäre es möglich das wirtschaftliche Verständnis zu erweitern und weniger Entscheidungen in Unwissenheit zu treffen – wovon generell abzuraten ist.

Lesen Sie auch Teil 1 dieses Beitrags: "Eine Analyse der individuellen Gründe für die geringe Aktionärsquote in Deutschland"


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